Materialien 1949

Ich sah rot

„… Darauf forderte ich das Sekretariat auf, einen Beschluß zu fassen, die gegen mich vorgetragenen Beschuldigungen im ZK der KPD in Frankfurt mit mir zu diskutieren. Dieser Antrag wurde ein-
stimmig abgelehnt. Ich suchte die Augen von Alois Pfaller, die sahen mich nicht an. Horn war zu-
frieden. Gall und Abel waren voller Genugtuung. Schirmer war blaß. Da erfaßte mich eine unbändi-
ge Wut. Ich sah rot. Ich sprang auf und räumte den Konferenztisch ab. Aktentaschen, Tintengläser, alles was an Utensilien greifbar war, warf ich gezielt den Landessekretären an die Köpfe. Keiner rührte sich, sie wichen nur den Geschossen mit den Köpfen aus. Dabei schrie ich: „Sechsundzwan-
zig Jahre habe ich dieser Partei gedient. Morgens beim Zähneputzen war der erste Gedanke die Partei, abends war der letzte Gedanke die Partei. Und ihr hörigen Partei-Heloten wagt es, mir das Recht zu nehmen, vor dem höchsten Parteigremium Gehör zu finden. Ihr wollt ein Volk befreien, wehe dem Volk, das euch Feiglingen in die Hände fällt. Ich werde alles tun, daß das in Deutschland nie geschieht. Eure hörige, eure von der russischen Besatzung diktierte Politik für Westdeutsch-
land wird euch ganz klein machen. Ihr werdet euch in wenigen Jahren mit zwei Prozent Wähler-
stimmen wiederfinden.“ …


Georg Fischer, Vom aufrechten Gang eines Sozialisten. Ein Parteiarbeiter erzählt, Berlin/Bonn 1979, 240.

Überraschung

Jahr: 1949
Bereich: KPD

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