Materialien 1958

Die Kubys von heute sind die Ilja Ehrenburgs von morgen

20. Februar 1959: In den exklusiven Räumlichkeiten der Industrie- und Handelskammer in Köln findet die Gründungsversammlung des Komitees Rettet die Freiheit! e.V. statt, das zur „geistigen Auseinandersetzung mit allen Gegnern der Freiheit“ aufruft. Als Redner treten vor 150 geladenen Gästen der Generalsekretär der NATO, Paul-Henri Spaak, der Bonner Philosophieprofessor Theodor Litt, der Publizist Ernest J. Salter und Generalstaatsanwalt Schneider aus Dortmund auf, der über die Strafverfolgung von KPD-Mitgliedern berichtet. Während Spaak in seiner Festrede hervorhebt, dass der Westen mit Atomwaffen ausgerüstet sein müsse, um seine Verteidigungsfähigkeit gegenüber dem Osten zu behalten, holt Salter in seinem Referat zu einem Rundumschlag gegen Professoren, Intellektuelle, Parteiführer, Gewerkschaftsfunktionäre und „gutgläubige Menschen“ aus, die sich eine kommunistische Alternative — entweder Atomkrieg oder sowjetisches Programm — aufdrängen ließen. Besonders scharf attackiert er den linksliberalen Publizisten Erich Kuby. Er habe „aus dem Boudoir-Duft einer Prostituierten einen Gasangriff gegen die deutsche Demokratie“ entwickelt. Was er und andere Publizisten seines Schlages fertig brächten, sei nichts anderes als „intellektuelle Kommunalpolitik“. Sobald diese Politik über speziellere Fragen hinausgehe, unterliege sie so gut wie ausnahmslos den Fragestellungen des Bolschewismus: „Die Kubys von heute sind die Ilja Ehrenburgs von morgen.“ Zum I. Vorsitzenden wird der junge CDU-Bundestagsabgeordnete Rainer Barzel gewählt, zu seinen Stellvertretern der persönliche Referent von Bundesverteidigungsminister Strauß, Major Fred Sagner, und der stellvertretende Chefredakteur der DGB-Zeitung „Welt der Arbeit“, Otto Stolz. Weitere Gründungsmitglieder sind die Professoren Friedrich August Freiherr von der Heydte (CSU) und Pascual Jordan (CDU) sowie die beiden Bundestagsabgeordneten Berthold Martin (CDU) und Professor Emil Dovifat (CDU). Ihre Mitarbeit haben auch die Bundesminister Ludwig Erhard, Hans Joachim von Merkatz, Gerhard Schröder und Franz Josef Strauß zugesagt. Grußadressen treffen u.a. von Bundeskanzler Konrad Adenauer, Bankier Hermann Josef Abs, Kardinal Joseph Frings und Bundesverkehrsminister Hans-Christoph Seebohm ein.

Bereits einen Monat zuvor waren aus Bonn Pläne zur Gründung eines solchen Komitees bekannt geworden. An der initiierenden Sitzung nahmen die Staatssekretäre Hans Globke vom Bundeskanzleramt, Hans Ritter von Lex vom Bundesinnenministerium und Franz Thedieck vom Ministerium für gesamtdeutsche Fragen teil sowie Major Fred Sagner aus dem Büro von Bundesverteidigungsminister Strauß. Als eigentlicher Initiator des Komitees gilt einigen Kommentatoren allerdings der langjährige Propagandafachmann Eberhard Taubert. Der ehemalige Mitarbeiter von Joseph Goebbels im Reichspropagandaministerium hatte als zweiter Vorsitzender des von der Bundesregierung finanzierten Volksbundes für Frieden und Freiheit (VFF) bis zu seinem 1955 durch einen kritischen „Spiegel“-Artikel ausgelösten Rücktritt antikommunistische Aktionen in Szene gesetzt. Anderen Berichten zufolge soll Taubert jedoch von amerikanischen Geheimdienstagenten als Abwehrexperte weitervermittelt worden sein und nun unter dem Decknamen Dr. Max Huber für den persischen Geheimdienst SAVAK in Teheran arbeiten.

In einer am selben Tag ausgestrahlten Sendung des WDR erklärt Barzel, er sehe die Freiheit „vom Weltkommunismus“ bedroht. Aufgabe des Komitees sei es, „die Verteidigung unserer freiheitlichen Lebensordnung mit den der Bedrohung entsprechenden Mitteln“ zu leisten. Da die Bedrohung auch von den Atomwaffen, die sich in den Händen der Roten Armee befänden, herrührten, müsse man sich auch mit der atomaren Frage beschäftigen.

Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ berichtet am 21. Februar über die Kölner Gründungsveranstaltung, daß die hauptsächlichen Angriffsziele des Komitees der „Neutralismus und die Gegnerschaft gegen die Atombewaffnung“ sowie „die Gleichsetzung der Bundesrepublik mit der sogenannten DDR“ seien.


Wolfgang Kraushaar, Die Protest-Chronik 1949 — 1959. Eine illustrierte Geschichte von Bewegung, Widerstand und Utopie. 4 Bde., Hamburg 1996, 2112 f.