Materialien 1958

Geschäftlicher Schaden

Die billigen Semmeln des Münchener Bäckermeisters Karl Krohe sind nicht nur, genau wie die billigen Rundstücke seines Kollegen in Hamburg, die Freude der Verbraucher. Sie sind ebensosehr, wenn nicht sogar noch mehr, der Ärger vieler anderer Bäckermeister. Die beiden, die da glauben, gegen den Stachel der hohen Preise löcken zu können, bekommen das täglich zu spüren, sei es durch anonyme Briefe und Telefonanrufe, die von Bedrohungen und Beschimpfungen nur so strotzen, oder sei es durch handfeste Boykottandrohungen.

Was nun diese Boykottandrohungen anbelangt, so geschah in München etwas sehr Merkwürdiges. Ein Mühlenbesitzer hatte nämlich einen Bäckergesellen verklagt, weil dieser behauptet hatte, jener Mühlenbesitzer liefere Mehl an Krohe. Durch diese Behauptung, so erläuterte der Müller vor Gericht, erleide er einen geschäftlichen Schaden. Denn kein Bäcker werde von ihm mehr Mehl beziehen, wenn diese Behauptung weiter verbreitet werde.

Wer nun geglaubt haben sollte, das Gericht werde die Gelegenheit beim Schopf ergreifen und ganz klar und deutlich feststellen, dass Boykottdrohungen, dass ein Boykott gesetzwidrig sind, mithin also keine Ursache für den Müller bestehe, von „geschäftlichem Schaden“ zu sprechen, wenn gesagt werde, er halte sich nicht an den gesetzwidrigen Boykott, sah sich getäuscht. Das Gericht tat genau das Gegenteil. Es untersagte dem Gesellen bei Androhung einer Geld- oder Haftstrafe, weiter die Äußerung zu verbreiten, der Müller liefere Mehl an Krohe. Diese Äußerung könne, so hieß es in der Begründung, zu einer Schädigung des Mühlenbesitzers führen.

Ei, wie haben sich da all die gefreut, die glauben, durch Boykott und Boykottdrohungen verhindern zu können, dass irgendeiner aus der Preisreihe tanzt.


Metall. Zeitung der IG Metall für die Bundesrepublik Deutschland 10 vom 14. Mai 1958, 5.