Materialien 1958

Polizei

Die Münchner Polizisten sind an ihrer dunkel-blauen Uniform und ihrer Amtsmiene erkennbar. Sie sollen mit einem Schuss Höflichkeit bewaffnet sein. Manchmal stürzen sie sich unbewaffnet ins Getümmel. Münchens Polizei besitzt ferner eine eigene Artillerie. Sie besteht aus einem schwergepanzerten Wasserwerfer und setzt einen Gegner voraus, der für die Nöte der Polizei Verständnis hat. Denn wenn der Wassertank des einzigen Werfers leergespritzt ist, muss die H20-Batterie zum Präsidium zurückfahren und am Wasserhahn neue Munition fassen. Derweilen haben die Aufrührer Ruhe zu bewahren und dürfen der Polizei keinen Kummer machen. Der Kauf eines zweiten Wasserwerfers wurde aufs Eis gelegt, weil die nasse Kanone bisher meist bei Gewerkschaftsveranstaltungen aus dem Stall gezogen wurde. München aber hat eine traditionelle sozialistische Mehrheit, die es nicht gerne sieht, wenn die Polizei ihr Wasser auf die Ausgehanzüge der Gewerkschaftsanhänger spritzt. Seinen größten Tag erlebte der Springbrunnen auf Rädern bei der Samstagladenschluss-Demonstration am 20. Juni 1953. Bei Verkehrsunfällen, Überfällen, Schlägereien und verdächtigen Geräuschen, die der Bohrwurm im Dachgebälk erzeugt, ruft der besonnene Mensch die Funkstreife, die mit Blaulicht eiligst herbeirast. Früher ließ sie eine Sirene heulen, um die Fahrbahn freizubekommen, heute ist das Sirenengeheul auf Bonner Befehl hin anderen Organisationen vorbehalten. Nunmehr muss die Funkstreife eine Mehrklanghupe verwenden, die etwa halb so laut ist wie die Auspuffgeräusche der landesüblichen Motorräder. Die Telephonnummer der Funkstreife lautet 110, die der Feuerwehr 112.


Siegfried Sommer/Loriot, München für Anfänger, Zürich 1958, 66.

Überraschung

Jahr: 1958
Bereich: Lebensart

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