Materialien 1961
Zur Person
Dr. Hans Globke, Staatssekretär im Bundeskanzleramt, hat als Zeuge in einer kommissarischen Vernehmung ausgesagt, die Frage, ob der Kommentar zum nationalsozialistischen Blutschutzge-
setz, den er verfasst hat, verbrecherisch gewesen sei, habe bei der Abfassung seiner Erläuterung keine Rolle gespielt. Globke machte seine Aussage im Zusammenhang mit einem Hauptverfahren, das vom Münchner Amtsgericht gegen den Schriftsteller Rolf Seeliger aus München eröffnet wur-
de. Globke hatte wegen Beleidigung und übler Nachrede gegen Seeliger Anzeige erstattet. Die bis-
her nicht bekannt gewordene Vernehmung Globkes fand am 17. Dezember statt.
Seeliger hatte im Februar 1961 im Münchner Bürgerbräukeller in der Rosenheimer Straße, der durch die ersten Nazi-Versammlungen bekannt ist, in einer Dokumentar-Ausstellung „Massen-
mord im Zeichen des Hakenkreuzes“ fotokopierte Schriftstücke über die Tätigkeit Globkes im ehe-
maligen Reichsinnenministerium gezeigt. Unter den Dokumenten befand sich auch die Fotokopie eines Briefes des nationalsozialistischen Reichsinnenministers Frick vom April 1938, in dem Frick dem Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß vorschlug, Globke für seine Mitarbeit an Rassen- und Perso-
nenstandsgesetzen zu befördern. In diesem Dokument erblickte Globke eine Beleidigung und Ver-
leumdung, ebenso in der Fotokopie eines Protokolls über den Eid auf Hitler. Das Protokoll trägt Globkes Unterschrift.
Die beiden beanstandeten Fotokopien, die schon vorher in Illustrierten veröffentlicht worden wa-
ren, wurden auf Grund von Globkes Anzeige beschlagnahmt, weil die Staatsanwaltschaft mit der Möglichkeit einer Fälschung rechnete.
Der ursprüngliche Termin zur Hauptverhandlung am 12. September 1962 in München wurde sei-
nerzeit vertagt. In ihm hatte der Oberregierungsrat a.D. Dr. von Helms, ehemals Abteilungsleiter im Heß-Ministerium, ausgesagt, der Frick-Brief sei echt. Am 5. Oktober beschloss das Amtsgericht, Globke in Bonn kommissarisch vernehmen zu lassen. Globke bekundete in seiner Bonner Zeugen-
aussage, er habe von der Existenz dieses Briefes schon während der Nazizeit auf Umwegen Kennt-
nis erhalten, den Brief selbst aber nie gesehen.
„Der Brief ist aber insofern falsch“, bekundete Globke, „als er meine Beteiligung am Zustandekom-
men des Blutschutzgesetzes unterstellt.“ Globke versicherte, dass er nur mit dem Kommentar be-
fasst und keinesfalls am Zustandekommen des Gesetzes beteiligt gewesen sei.
Seeligers Verteidiger, der Münchner Rechtsanwalt Dralle, richtete an Globke während der Verneh-
mung die Frage, ob Globke seine frühere Behauptung aufrechterhalte, dass er nie einen Eid auf Hitler geleistet habe. Globke erwiderte, er habe zwar das Protokoll über die Eidesleistung unter-
schrieben, sich dem eigentlichen Eid aber entzogen, indem er bei der Vereidigung in eine Nische getreten sei und die Hand nicht erhoben habe.
Gegenüber der Darstellung des Staatssekretärs, dass sein Kommentar den Juden geholfen habe, machte der Verteidiger Seeligers geltend, ein anderer Kommentar zu diesen Gesetzen, der Knost-Kommentar, enthalte wesentlich mildere Auffassungen.
Ein Angebot Globkes während seiner Bonner Vernehmung an die Gegenseite, er sei bereit, seinen Strafantrag zurückzuziehen, falls Seeliger sein Bedauern äußerte, scheiterte. Seeliger entgegnete, es sei für ihn nichts zu bedauern, da er keine Tatsachen-Behauptung aufgestellt, sondern Dokumente der Zeitgeschichte ausgestellt habe. Mit „Bedauern“ seien solche Dokumente nicht aus der Welt zu schaffen.
CrP-Informationsdienst. Club republikanischer Publizisten, Januar 1963, Köln, 10.