Materialien 1962

Acht Jahre und zwanzig Monate Siqueiros im Kerker

Der in den 14. tendenzen veröffentlichte Aufruf, gegen die Verurteilung des mexikanischen Malers David Alfaro Siqueiros zu einer Gefängnisstrafe von acht Jahren zu protestieren, fand erfreuliche Resonanz: mehrere Zeitungen und Zeitschriften der Bundesrepublik gaben nun eine Darstellung des Falles, andere bereiten Berichte vor. Es stellte sich dabei heraus, daß selbst gutinformierte Kreise von Siqueiros, seinem Werk und Wirken nichts wußten – eine Folge der Herrschaft einer gegenstandslosen Kunstkritik, für die solche Gestalten und Gestaltungen nicht an der Tagesord-
nung sind. Um so erfreulicher ist die Tatsache, daß bisher mehr als einhundert Protesterklärun-
gen bei unserer Redaktion eingingen, von denen wir nachstehend einen Teil veröffentlichen. Un-
ser Protestschreiben an den Präsidenten der Republik Mexiko, die Justizbehörden des Landes und die großen Tageszeitungen vom Mai 1962 hatte folgenden Wortlaut:

Eure Excellenz,

der Maler David Alfaro Siqueiros ist von einem Gericht Ihres Landes nach zwanzigmonatiger Un-
tersuchungshaft zu acht Jahren Gefängnis verurteilt worden. Es entzieht sich unserer Beurteilung, ob er – wie ihm die Anklage vorwirft – mit seinen Mitangeklagten die Grundschullehrer Ihres Landes aufgewiegelt hat. Tatsache ist, daß diese Verhaftung auf der Konferenz von Punta del Este als Beweis für die westliche Gesinnungstreue Ihres Landes angeführt wurde. Der Tatbestand eines politischen Gesinnungsurteils ist damit klar erfüllt.

David Alfaro Siqueiros ist 65 Jahre alt. Sein malerisches Werk genießt Weltruhm und ist aus der Entwicklung der modernen Kunst nicht wegzudenken. Bei seiner Verhaftung war der Künstler mit großen Wandbildaufträgen beschäftigt.

Die innenpolitischen Schwierigkeiten Mexikos und Ihrer Regierung mögen sein, wie sie wollen, in keinem Falle kann man aus ihnen das Recht herleiten, durch eine langjährige Freiheitsstrafe das Schaffen eines international respektierten Künstlers praktisch auf immer zu beenden.

David Alfaro Siqueiros muß sofort in Freiheit gesetzt werden.

München, im April 1962

Dr. Richard Hiepe, Heino F. von Damnitz, Jürgen Beckelmann, Carlo Schellemann, Manfred Vosz.

Prof. Otto Pankok, Brünen bei Wesel – Robert Wolfgang Schnell, Galerie „Zinke“, Westberlin – Lothar Fischer, Heimrad Prem, Helmut Sturm, Hans Peter Zimmer, Dieter Kunzelmann (Gruppe „Spur“), München – Josef W. Janker, Schriftsteller, Ravensburg – Peter Hamm, Schriftsteller, München – Reinhard Müller-Mehlis, Schriftsteller, München – Gerd Semmer, Schriftsteller, Düs-
seldorf – Dieter und Inge Süverkrüp, Düsseldorf – Heinz Seeber, Grafiker, München – Caspar Walter Rauh, Maler, Kulmbach – Helmut Plontke, Maler, Heesen bei Hamm – Arwed D. Gorella, Maler, Westberlin – Sigurd Kuschnerus, Maler, Westberlin – Erich Bloch, Maler, Westberlin – Hans Graef, Bildhauer, Karlsruhe – Alexandet Harder, Maler, Hanau – Alfred Bruns, Maler, Oldenburg – Will Elfes, Bildhauer, München – Peter Hartmut Wittke, Maler, München – Albert Heinzinger, Vorsitzender des Schutzverbandes Bildender Künstler, München – Karl Röhrig, Bildhauer, München – Dr. Arno Klönne, Schriftsteller, Paderborn – Charles Magister, Maler, Stuttgart – Hermann Landefeld, Maler, Hagen – Willy Verkauf alias Verlon, Fotomonteur und Galeriebesitzer, Wien und Paris – Dore Vax, Malerin, Nürnberg – Karel Widlack, Maler, Frankfurt – Erich Stegmann, Maler und Verleger, München – Alkibiades Zervos, Westberlin – Anton Samz, Grafiker, München – Mauritius A. Heintz, Maler, München – Prof. Karl Hubbuch, Maler, Karls-
ruhe – Diplomingenieur Klaus Maase, Dr. Doris Maase, Düsseldorf – Dr. Ludwig Blank-Condray, Düsseldorf-Benrath – Alfons Heisung, Bildhauer, Kirchbarkau – Dr. Heinrich Mock, „Graphikum“, München.

Weitere Namen im nächsten Heft


tendenzen. Zeitschrift für engagierte Kunst 15 vom juli 1962, Rückseite.

Überraschung

Jahr: 1962
Bereich: Internationales

Referenzen