Materialien 1965

Agostin Ibarrola Goicoechea


Agostin Ibarrola, Guardia Civil, entstanden im Zentralgefängnis von Burgos,
Tusche auf Papier, 1963.

Agostin Ibarrola ist 1930 in Bilbao geboren. Sein Vater war Metallarbeiter, der wegen seiner Teilnahme am Bürgerkrieg auf Seiten der Republikaner zu Zwangsarbeit verurteilt worden war. Aus diesem Grunde konnte er später nur als Tagelöhner Arbeit finden. Um die Familie zu unterhalten, wurde Agostin Ibarrolas Mutter Putzfrau. Bevor der junge Ibarrola in der Lage war, als Knecht Arbeit zu finden und für sich selbst zu sorgen, war er zeitweise auf das Mitleid der Dörfler von Euskadi angewiesen. Er hat zwei jüngere Brüder, wovon der eine, José Maria, ein Monteur, gegenwärtig gleichfalls im Zentralgefängnis von Burgos eine Gefängnisstrafe von vier Jahren verbüßt, die er wegen Betätigung für die Gewerkschaften erhielt.

Der vierzehnjährige Agostin bekam eine Anstellung in der Fabrik Cotarruelo in Bilbao. Dort entstanden seine ersten Zeichnungen. Der Künstler Ruiz Blanco interessierte sich für ihn und machte ihn mit den Arbeiten der baskischen Schule bekannt. Im Alter von 16 Jahren errang Agostin im Wettbewerb mit Berufskünstlern zwei Preise. Er bewarb sich bei der städtischen Behörde um ein Stipendium, das ihm zugebilligt wurde.

In dieser Periode und auch später trat Ibarrola stets für die Erneuerung der baskischen Kunst und Kultur ein. In seiner Jugend gab er bereits ein Manifest heraus, worin er die Enge der baskischen Kunst kritisierte und worin der Mangel an Freiheit angeprangert war. Während seines Militärdienstes erhielt er eine Strafe, weil er in einem Zeitungsartikel Fresken und Skulpturen verteidigt hatte, die für die Basilika von Aranzazu bestimmt waren, in denen besonderer Nachdruck auf die Erneuerung der baskischen nationalen Kunst und auf religiöse Innigkeit gelegt war. Ohne sich behindern zu lassen, setzte Ibarrola seine Arbeit an den Fresken fort und zwar in einem abseits liegenden Unterrichtsraum der alten Schule für bildende Künste in Bilbao. Diese Wandgemälde, die im ganzen eine Oberfläche von 50 qm haben und die das Leben der baskischen Arbeiter und Bauern beschreiben, wurden in seiner Abwesenheit auf Anordnung der örtlichen Behörde vernichtet. Ein Gemälde im Umfang von 25 qm auf einer der Barackenwände, das die Schrecken des Krieges darstellte, erfuhr dasselbe Los.

Im Jahre 1955 wurde nach einer Ausstellung der „Estampa“ in Sevilla, auf der Arbeiter von Ortega, Fidalgo und anderen zu sehen waren, eine Anzahl Personen verhaftet und verhört. Unter ihnen befand sich auch Ibarrola. Während des großen Bergarbeiterstreiks im Frühling 1962 fertigte Ibarrola eine Anzahl Gemälde über dieses Thema und stellte sie aus. Noch vor Beendigung der Ausstellung wurde er durch die politische Polizei verhaftet. Nach tagelangen Folterungen unternahm er schließlich einen Selbstmordversuch.

Zusammen mit neun anderen wurde er am 24. September 1962 durch das Militär-Tribunal zu Madrid beschuldigt, an den Streiks in Biskaya im April und Mai 1962 teilgenommen und sie mitorganisiert zu haben. Während des Prozesses verurteilte er öffentlich die Unterdrückungsmaßnahmen des Regimes, die darauf abzielten, die freie künstlerische Betätigung im Baskenland zu ersticken. Er protestierte auch gegen die Ausbeutung der baskischen und spanischen Arbeiter. Er wurde ständig unterbrochen, als er versuchte, die bei ihm angewandten Folterungen zu beschreiben, und wurde schließlich durch die Guardia Civil aus dem Gerichtssaal geschleppt. Er hatte das Erscheinen seiner Folterknechte vor Gericht und eine Untersuchung der Wunden und Narben auf seinem Körper durch das Internationale Rote Kreuz verlangt. Seine Proteste wurden abgewiesen.

Agostin Ibarrola wurde zu neun Jahren Gefängnis verurteilt, die er gegenwärtig im Zentralgefängnis Burgos verbüßt. Er gehört zu den 16 inhaftierten Intellektuellen von Burgos, die einen Brief an den Minister für Information und Tourismus unterzeichneten, worin die Angaben des berühmten von 102 spanischen Intellektuellen unterzeichneten Briefes bestätigt wurden. Dieses kostete den Gefangenen eine langfristige Einzelhaft.

Es sei noch unterstrichen, dass Agostin Ibarrola durch seine Zeichnungen über das Leben im Gefängnis von Burgos und durch deren Weitergabe an die Außenwelt sich sehr wohl der Gefahr eventueller Repressalien bewusst war. Aber er nahm dieses Risiko in Kauf, damit die Welt wissen soll, dass es noch immer politische Gefangene in Spanien gibt.


tendenzen. Zeitschrift für engagierte Kunst. Kunst in Spanien. II. Sonderheft, 1965, 345.

Überraschung

Jahr: 1965
Bereich: Internationales

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