Materialien 1967

Schulbeginn mit viel Sorgen

Christliche Gemeinschaftsschule soll Notstand abhelfen

Der diesjährige Schulbeginn hat den Kommunal- und Kulturpolitikern, den Schulrektoren und Lehrern, aber auch den Eltern besonders der neuen ABC-Schützen, viel Kummer bereitet. Das trifft vor allem auch für München zu, wo besonders die ungleichen Verhältnisse zwischen Bekenntnis- und Gemeinschaftsklassen und der Lehrermangel die Eltern zu förmlichen Protestdemonstratio-
nen veranlasst hat. Auch die Gewerkschaft kann an den fundamentalen Mängeln des bayerischen Schulwesens nicht gleichgültig vorbeigehen, denn von einem geordneten Schulwesen hängt schließlich auch die Zukunft der arbeitenden Bevölkerung ab.

So sieht es in Bayern aus: für etwa eine Million Schüler gibt es zwar fast 7.000 Volksschulen, aber nur ein knappes Zehntel davon hat die notwendige Zahl von acht Klassen. 4.000 Volksschulen haben gar nur eine, zwei oder drei Klassen. Fachräume für technische Fächer gibt es in den wenig-
sten Schulen und über die Hälfte der Schulen haben keinen Turnsaal. Das Volksschulwesen leidet katastrophal unter der konfessionellen Zersplitterung, die eine Folge des gegenwärtigen Artikels 135 Abs.1 der Bayerischen Verfassung ist.

Die Sozialdemokratische und die Freie Demokratische Partei haben deswegen ein Volksbegehren eingeleitet, das die christliche Gemeinschaftsschule als Regelschule zum Ziel hat. Durch die ange-
strebte Verfassungsänderung wollen die Antragsteller die Errichtung vollgegliederter, fortschritt-
lich eingerichteter und leistungsfähiger Volksschulen in ganz Bayern und die gemeinsame Unter-
richtung und Erziehung der Schüler nach christlichen Grundsätzen ohne Ansehen der Konfession erreichen. Die CSU, die zum Unterschied von anderen Bundesländern in Bayern die einklassigen Schulen und den Vorrang der konfessionellen Trennung verteidigt, hat gegen das angestrebte Volksbegehren der SPD und FDP eine Gegenmine in Form eines rasch gestarteten eigenen Volks-
begehrens gelegt, das als Schulform die sogenannte „christliche Schule“ will. Eine solche „Schulre-
form“ wäre höchstens geeignet, die bisher konfessionell getrennten Schulen durch konfessionell getrennte Klassen zu ersetzen. Volksschulfachleute sehen in einem solchen System die Gefahr, dass die konfessionellen Abstimmungskämpfe in die Schulen verlegt werden und die konfessionelle Trennung der Kinder verewigt würden.

Wir meinen, dass auch unsere fortschrittlich gesinnten Gewerkschaftsmitglieder ohne Ansehen der Parteizugehörigkeit das Volksbegehren nach einer christlichen Gemeinschaftsschule unterstützen sollten, indem sie vom 3. bis 30. Oktober in den Einzeichnungsstellen ihre Unterschriften dazu hergeben.


Münchner Ausblick. Mitteilungen der Gewerkschaft Handel – Banken – Versicherungen HBV, Ov. München 10 vom Oktober 1967, 1.

Überraschung

Jahr: 1967
Bereich: SchülerInnen

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