Materialien 1968

Das Recht der Nichtverzweifelten

Zur Erinnerung an Louise und Erwin Oehl

Die fränkische Alb entstand aus dem Schlamm des Jurameeres, in dessen Ablagerungen unzählige versteinerte Fossilien zu finden sind. Sie umschließt in einem weiten Bogen das Becken der nach Norden fließenden Rednitz. Dort, wo die Alb nach Südwesten umschwenkt, bei den massigen „Zeu-
genbergen“ Auer- und Hofberg liegt die idyllische Ortschaft Thalmässing, zugehörig zum mittel-
fränkischen Landkreis Hilpoltstein. Jeder kennt jeden, und Tradition wird hochgehalten. Die evan-
gelisch-lutherische Pfarrkirche St. Michael ruht auf einem mittelalterlichen Unterbau, die Marien-
kirche entstand in der Gotik, St. Gotthard wurde 1721 erbaut. Im letzten Viertel des 19. Jahrhun-
derts wurde ein uralter Friedhof mit über hundertdreißig Gräbern entdeckt, dessen kostbare Bei-
gaben – Erzeugnisse aquitanischer, fränkischer und langobardischer Handwerker – eine Datierung auf das 6. Jahrhundert nach der Zeitenwende nahe legen.

Hier, in diesem überschaubaren und doch von Geschichte überladenen Ort bekam die aufgeklärte, diskussionsfreudige Apothekerfamilie Oehl am 10. Juni 1907 als drittes Kind einen Sohn, der Er-
win genannt wurde. Der Vater zeigte dem früh sich entwickelnden Jungen die Schönheiten und Geheimnisse der rauen Landschaft, drang mit ihm ein in Grotten und Höhlen der umliegenden Bergsporne und Bergstufen, erklärte ihm vor bizarren Tropfsteinbildungen deren Jahrtausende währendes Wachsen, und gemeinsam schleppten sie seltsam gestaltete Meerestiere wie Donner-
keile, Teufelsfinger, Füll- und Ammonshörner nach Hause. Mit fünf Jahren begann der Knabe seine Sammlung von Versteinerungen aufzubauen, wie er später stolz vermerkte.1

Im Sommer 1914 unterstützten die Eltern zwar nachdenklich, aber dann doch vorbehaltlos die Mobilmachung deutscher Truppen und sendeten in den folgenden Jahren Liebesgabenpäckchen an die Front. Der Empfänger dieser Gaben war ein Student der Pharmazie, ein zukünftiger Apothe-
ker, der im Oehlschen Geschäft sein Praktikum absolviert hatte. Während der Vater dessen mit ge-
stochen-feiner Handschrift gestaltete Dankesbriefe vorlas, zeichnete der kleine Erwin das große Völkermorden und besonders das, was auch die Erwachsenen beeindruckte: die moderne Technik wie Panzer, Aeroplane und den Zeppelin, aber er verstand noch nicht, wie grauenhaft die Ernte war, die der Krieg einfuhr.

Die Eltern sprachen über die Briefe des Soldaten, die auch seine Zerrissenheit wiedergaben. An-
fangs schrieb er sich seinen Ärger über die miese Behandlung als einfacher Soldat von der Seele und minderte seine Angst vor dem Tode, indem er sich über den Kriegsgegner lustig machte. Aber je länger das Mordgeschäft dauerte, desto mehr Selbstmitleid schimmert durch die Zeilen. Nur die allen gemeine Phrase „Man tut doch heraußen seine Pflicht nur deswegen, dass man sich selbst einen anständigen Kerl nennen kann“ beruhigte noch und ließ das Gefühl, im Recht zu sein, zum Ausdruck kommen. Eine der wichtigsten Erfahrungen im Schützengraben war schließlich die „Ka-
meradschaft“, das Gefühl, sich in der größten Gefahr aufeinander verlassen zu können.

Die Arbeiterbewegung propagierte ein Zukunftsmodell, das Angst machte. Sie war selbst Produkt und Bestandteil einer Moderne, der man die Lösung der Widersprüche eines sich entfaltenden Ka-
pitalismus nicht zutraute. Aber jetzt im Krieg gab es auch keine Großgrundbesitzer, Kapitalisten und ähnliche Blutsauger, mit einem Wort: kein ökonomisches Oben und Unten mehr. Gewerk-
schaften und Unternehmer zwang der Staat zur Kooperation, nicht selten zugunsten der Arbeit-
nehmer, er regelte auch unter den schwierigsten Bedingungen Produktion und Versorgung und „bewies“ damit, dass ein starker Staat mit den elenden Begleiterscheinungen des Kapitalismus durchaus fertig werden konnte. Könnte nicht so ein „deutscher Sozialismus“ aussehen?

Der Soldat, Gregor Straßer, geboren 1892, hatte sich mit seinen Brüdern, also auch mit dem erst sechzehneinhalb Jahre alten Otto2, gleich zu Beginn des Krieges als Freiwilliger gemeldet.3 Sie kannten nur eines: die Erfüllung ihres sehnlichsten Wunsches, an die Front zu kommen. Die atem-
beraubende Geschwindigkeit der Industrialisierung, das bedrohlich anwachsende Proletariat in den wuchernden Trabantenstädten, der dort mit Sorge beobachtete „Sittenverfall“ und die hoch-
trabenden Leerformeln Wilhelms II. hatten den Vater der Brüder, einen königlich-bayrischen Kanzleirat nachdenklich gemacht, so dass er mit sozialrevolutionären Schriften, in denen er für die Vergesellschaftung des Bodens auf kommunaler Ebene und für staatliche Lenkung und Kontrolle der Industrie plädierte, an die Öffentlichkeit getreten war. „Als Grundlage eines Volksorganismus“ forderte er „die gesunde Familie, die in ein christliches und ständisch gegliedertes Staatswesen ein-
geordnet ist.“4

Schon vor dem Ersten Weltkrieg artikulierten sich Männer mit ihrer Kritik an der Moderne und deren Prozess einer Aufspaltung in pluralistische Strukturen. Sie forderten zunehmend militanter die Rückkehr zu einer Gemeinschaft auf nationaler und/oder völkischer Grundlage unter Ausmer-
zung all jener, die dabei nicht mitmachen wollten, und begründeten Massenbewegungen, die nach 1919 weltweit entstanden, um sich des Gewaltmonopols ihrer Staaten mehr oder weniger erfolg-
reich zu bemächtigen.

Mit seinen Söhnen hatte der Vater, ein Verehrer Wilhelms I. und Bismarcks, die zielstrebig und mit harter Hand das Reich scheinbar ohne Klassenwidersprüche geführt hatten, diese Fragen disku-
tiert, und es war klar, dass der junge Gregor, ebenfalls von sozialrevolutionärem Elan erfüllt, die-
sen, als er 1918 als Oberleutnant entlassen wurde, mit der Idee von der Befreiung der Nation paar-
te. Werden solche Weltbilder in jugendlichen Köpfen geprägt, ist ihre einmal feststehende Gestalt meist unerschütterlich.

Später hatte sich Erwin Oehl Gedanken darüber gemacht, wieso gerade Apotheker aus Kleinstäd-
ten verhältnismäßig häufig in rechts-revolutionären Bewegungen vertreten waren. Lag es daran, dass sie zur Elite ihrer Heimatstadt gehörten, dass sie bei ihrer Arbeit viel Zeit hatten, nachzuden-
ken, dass sie aber im Unterschied zum Bürgermeister, zum Pfarrer oder Lehrer ökonomisch unab-
hängig und institutionell ungebunden waren, dass sie „Volkes Stimme“ kannten und ähnlich wie Ärzte das Bedürfnis verspürten, zu heilen?5

Im Mai 1919 marschierte Gregor Straßer in den Reihen des Freikorps Epp ins räterepublikanische München ein; wenig später gründete er den paramilitärischen Nationalverband deutscher Soldaten mit und traf entweder im Herbst 1920 oder Frühjahr 1921 auf General Ludendorff und Adolf Hit-
ler, dem er sich mit seinen Leuten, ca. 1.000 bis 2.000 Mann, anschloss. In der Aufbauphase der national-sozialistischen Bewegung wurde er zu einer zentralen Figur: 1923 nahm er am Hitler-
putsch teil, ab 1925 war er Reichsorganisationsleiter der NSDAP. Die Programmatik der Partei gründete auf seinem Wirtschaftsprogramm; 1932 kontrollierte er den Apparat der Partei und machte dank seiner rhetorischen Begabung, seinem verbindlichen Wesen und seiner „Volkstüm-
lichkeit“ dem eher mythisch entrückten „Führer“ in der Gunst der Massen Konkurrenz.

Studien

Zurück zum kleinen Erwin: Seine Noten in der Schule sind glänzend, er verschlingt Bücher, ver-
fasst Gedichte, mit seiner schnellen Auffassungsgabe begreift er die Geheimnisse der Erwachse-
nenwelt, ihre Widersprüche, die vielen kleinen und oft großen Lügen. Die Eltern schicken ihn in das Internat des Studienseminars in Amberg; das Pensionsgeld können sie sich gerade leisten, aber es gehört sich halt, die Kinder auf die Traditionsanstalt der Familie zu schicken.

Das oberpfälzische Amberg an der Vils, 1034 erstmals urkundlich genannt, war in alten Zeiten nicht nur ein bedeutender Handelsort und Residenz der Pfalzgrafen vom Rhein und der Oberpfalz bis 1628, seine große Bedeutung liegt im Erzbergbau, der seit 1270 nachweisbar ist. Die Stadt und ihre Berg- und Hüttenherrn versuchten über Jahrhunderte, die Monopolstellung innerhalb der oberpfälzischen Metallindustrie zu halten und auszubauen. Zu Beginn der Weimarer Republik prä-
gen Proletariermassen, vor allem die Belegschaften der Luitpoldhütte, der Gewehrfabrik, der gro-
ßen Brauereien und der Baumannschen Emaillefabrik, das Stadtbild der Eisenstadt mit 26.000 Einwohnern. Es brodelt unter den Arbeitern, revolutionäre Reden werden gehalten. Die Hochöfen und das Viertel um die Emaillefabrik beeindrucken den Schüler zutiefst.

Im Gymnasium prallen die Meinungen der Schüler, die meist aus besserem Elternhaus stammen, heftig aufeinander. Da heißt es „deutsche Schmach“, „Verräter“ und „Dolchstoß in den Rücken des Heeres“; die nachdenklichen Schüler widersprechen. Ende Februar 1919 schreibt Erwin nach Hau-
se, „dass er das Attentat auf Kurt Eisner schärfstens mißbillige.“6

Am Morgen des 7. April weht über dem Amberger Bezirksamt die rote Fahne, und nachdem der Betriebsrat der Gewehrfabrik und der mehrheitssozialdemokratische Stadtrat Hardt vor der ver-
sammelten Menge die Räterepublik ausgerufen haben, wird die Fahne auch auf dem Rathaus ge-
hisst.7 Eine Woche später wird sie wieder eingezogen.

„Ruhrkampf“: Die Opposition gegen die französische Besatzung im Ruhrgebiet eint die deutschen Parteien von links bis rechts. Kaum einer kann sich den patriotischen Aufwallungen entziehen. Er-
win besingt den „heldenhaften Abwehrkampf“ in Gedichten und findet sein Gemeinschaftserlebnis und seine Anerkennung im kollektiven Aufschrei gedemütigter, säbelrasselnder Chauvinisten. Ne-
ben dem vaterländischen Eifer für nationalen Kitsch nimmt aber auch sein Wissensdurst nach der „gesellschaftlichen Wahrheit“ immer mehr zu. So bittet er seine Eltern, sich ein Zimmer nehmen zu dürfen und zieht 1921/22 aus dem Seminar zu Arbeitern in das Baumannsche Viertel. Das prole-
tarische Milieu beeindruckt ihn; er schließt sich der Hitler-Bewegung an, die seinem revolutionä-
ren Fühlen am nächsten kommt.

In der Nacht von Montag auf Dienstag vor dem 1. Mai 1923 werden in ganz Bayern, ja sogar im Ausland, Vorbereitungen getroffen. Konspirative Gruppen sammeln sich, Automobile werden an-
geworfen – alles streng geheim. Zum Beispiel Landshut: Geschäftige Gestalten beladen einen Last-
wagen mit „7 M.G.90 bis 100 Gewehren und 2 Kisten Munition“ vor dem Lokal Beim Eisgruber. Im Gasthaussaal koordiniert der Apotheker Gregor Straßer inmitten seiner schwitzenden Parteigenos-
sen die Aktion. Den zehn erschienenen Polizisten erklärt er kategorisch, er leiste dem Befehl zur Waffenabgabe keine Folge. Landespolizei rückt an, aber auch die fünfzehn Mann Verstärkung se-
hen sich nicht in der Lage, den Landsknechtshaufen zu entwaffnen. Ein Oberleutnant, ein Kom-
missär, ein Rechtsrat verhandeln mit dem sturen Straßer, argumentieren, bitten, befehlen, bis sich Straßer schließlich bereit erklärt, „die Waffen zur Reichswehrkaserne zu verbringen und dort abzu-
liefern … Dem anfänglichen Mißtrauen … begegnete Straßer dadurch, dass er sich augenscheinlich auf seine Eigenschaft als Reserveoffizier berufend – ausführte: ‘Wenn ich einmal erkläre, das wird so gemacht, dann geschieht es auch.’ Er erklärte weiterhin, dass er seine Leute sofort nach Verla-
den der Waffen in kleineren Trupps von etwa 3 – 4 Mann nach Hause schicken würde.“8 Ein Mann, ein Wort!

„Wir fügten uns scheinbar dieser Anordnung, das beladene Auto fuhr in der Richtung der Reichs-
wehrkaserne davon und wir begaben uns nach Landshut zurück, indem wir unserem Ärger laut durch Schimpfen Luft machten. Das mit den Waffen beladene Auto fuhr jedoch nicht in die Reichs-
wehrkaserne hinein, sondern schwenkte dicht vor der Kaserne unter den Beifallsbezeugungen der Reichswehr auf die nach München führende Straße ab und wartete etwa 3 1/4 Stunden außerhalb Landshut auf der Landstraße auf uns. Im Laufe der Nacht gingen wir dort hinaus, verteilten die Waffen wieder auf mehrere Autos und fuhren die Nacht durch nach München, wo wir heute in aller Frühe ankamen.“9

Der Putsch scheitert. Erwin Oehl ist trotzdem begeistert. Revolutionäre Rebellen, die sich um keine Konventionen scheren, sind sein Vorbild. Er erfährt vom neuen Putsch am 11. November und macht sich noch am gleichen Abend auf den Weg nach München. Aber genau so, wie Hitlers „Marsch auf Berlin“ missglückt, scheitert glücklicherweise die Entsatzaktion des Jungen. Er wird aufgegriffen und ins Seminar zurückgebracht. Schuldirektor Dr. Matzinger ereifert sich über die „kleinen Gernegroße“ und „Wirrköpfe“ und brummt Erwin eine Disziplinarstrafe auf mit den Wor-
ten: „Sie schämen sich nicht, mit Schusterbuben auf der Straße herumzulaufen!?“10 Der aber schämt sich nicht, bleibt lieber bei den Arbeitern, verteilt Flugblätter und diskutiert, während seine Zweifel über den Nationalsozialismus wachsen.

Die Sozialistische Arbeiterjugend lädt alle paar Monate zu einem Werbeabend ein. Ein Mitschüler nimmt Erwin mit, dem die Ernsthaftigkeit der Jugendlichen und ihre Begeisterung beim Ringen um mehr Wissen und um politisches Bewusstsein recht gefällt, die aber sehr deutlich im Missver-
hältnis zum Programm des Abends stehen, das der sozialdemokratische Leiter der Amberger Orts-
gruppe zusammengestellt hat.

Nein, das ist nicht nur Anpassung an einen vermeintlichen Publikumsgeschmack, den erfreut tat-
sächlich dieser süßlich-langatmige Schwulst, und, wie Erwin später immer wieder feststellt: So sind sehr viele sozialdemokratische Funktionäre. Er merkt, dass nicht nur er sich nicht wohlfühlt. Manche Jugendlichen rutschen schon arg ungeduldig auf ihren harten Stühlen herum, gerade die, denen man ansieht, dass sie aus Arbeiterfamilien kommen. Die Veranstaltung wird abgefeiert; we-
der ist Platz für Provokation noch für Diskussion – allem sind da Zügel angelegt.

Zum Abschluss des Abends sollen alle Brögers „Deutsche Hymne“ singen, ein Lied desselben Ar-
beiterdichters, der im August 1914 mit seinem „Bekenntnis zu Deutschland“ in vielen Arbeitern den Zweifel an ihrem Pazifismus geschürt hat. In manchem Auge blinkt da die Träne beim allge-
meinen Schlussgesang:

GELÖBNIS
von Karl Bröger

Vaterland ein hohes Licht,
Freiheit glänzt von deiner Stirne.
Von der Marsch zum Alpenfirne
Glühen Herzen, wachen Hirne;
Und die heilge Flamme spricht:
Volk, hab acht! Brüder wacht!
Eher soll der letzte Mann verderben,
Als die Freiheit wieder sterben.
Brüder, schwört euch in die Hand:
Morgenrot um alle Berge!
Ausgetilgt der letzte Scherge!
Freies Leben, freie Särge,
Freier Sinn im freien Land!
Volk, hab acht! Brüder wacht!
Hell die Augen, heller die Gewissen,
Sonst ist bald das edle Band zerrissen.
Deutscher Mensch, der nie verdirbt;
Eins die Stämme, eins die Auen!
Deutscher Geist in allen Gauen
Soll nach einem Ziele schauen,
Dass er nicht in Kleinheit stirbt.
Volk, hab acht! Brüder wacht!
Groß aus großem Leid uns zu erheben,
Muß nach einem Reiche alles streben.
Brüder, laßt uns armverschränkt
Mutig in das Morgen schreiten!
Hinter uns die schwarzen Zeiten;
Vor uns helle Sommerweiten!
Nicht nur wer die Freiheit kränkt.
Volk, hab acht! Brüder wacht!
Deutsche Republik, wir alle schwören:
Letzter Tropfen Blut soll dir gehören.11

Nein, das ist weder patriotisch noch revolutionär. Hier fühlt man sich wie in einer Kirche! Da schleicht sich Erwin lieber in den Film „Dr. Mabuse“ von Fritz Lang und er beginnt selbst, expres-
sionistische Dramen und Bühnenstücke zu verfassen.

Nach dem Krisenjahr 1923 toben die Wahlkämpfe. Am 6. April 1924 überrunden bei den Land-
tagswahlen die 25 Abgeordneten vom Völkischen Block, ein Bündnis von Nazis mit Rechtsnatio-
nalisten, die SPD, die nur noch 23 Sitze erringt. Auch die BVP verliert fast ein Drittel ihrer Sitze und landet bei dürftigen 45 Mandaten.

Am 1. Mai demonstrieren die Arbeiter. Tausende marschieren unter einem roten Fahnenwald, von der Polizei misstrauisch beäugt. Am Kundgebungsort angekommen lauschen sie aufmerksam den Reden der Gewerkschaftsführer. Erwin faszinieren die abgearbeiteten, gefurchten, ernsten, ent-
schlossenen Gesichter. Der Schlussgesang, die Internationale, klingt wie das Echo weltgeschichtli-
cher Eruptionen. Der Junge will Geschichte machen.

Am 4. Mai und am 7. Dezember finden Reichstagswahlen statt. Erwin besucht die Veranstaltungen aller Parteien, sammelt sämtliche erreichbaren Flugblätter und entfernt das eine oder andere Wahlplakat von den Zäunen und Wänden, um es aufzuheben. Am eindringlichsten empfindet er die Massenversammlungen der Rechten, die an unterschwellige Gefühle appellieren. Ihm fällt auf, dass das Ausmaß der Propaganda der Völkischen alle anderen Parteien weit in den Schatten stellt. Woher haben die nur das viele Geld, um diese Masse an Material zu produzieren? Das wenigste Geld haben offensichtlich die Kommunisten, deren ungeschlacht formulierte Aufrufe auf schlech-
tes Papier hektographiert fast unleserlich bleiben.

Soll er Maler werden oder Schriftsteller? So ganz klar ist ihm das selber nicht; er sucht und tastet. Seine vor einem grandiosen Hintergrund entwickelten Stücke wie „Mazdak“, „Die hundert Tage“ oder „Michael und Josephine“ sendet er an Fritz Lang in Berlin-Grunewald, der dem jungen Autor aufmunternde Zeilen zukommen lässt. Dramen und Filmmanuskripte wie „Der Schatten“, „Die Nacht“, „Die Heimkehr“, „Ehebruch“ und „Die königlichen Gärten“ schickt er an so renommierte Verlage wie Velhagen-Klasing und Rowohlt in Berlin, Georg-Hirth-, Delphin- und Dreimasken-Verlag in München. Die Reaktionen sind wohlwollend positiv; eine Chance zur Veröffentlichung bekommt Erwin trotzdem nicht.

Anfang 1925 ist dann die Geduld des Vaters, dem die Wünsche nach mehr Geld, um Schreibzeug und Papier kaufen und die kostspieligen Porti an Verlage, Bühnen und Regisseure wie Friedrich Wilhelm Murnau („Nosferatu“) oder den Schauspieler Conrad Veidt, den Erwin im „Kabinett des Dr. Caligari“ sieht, auslegen zu können, am Ende. Insgeheim stolz auf seinen hoffnungsvollen Sprössling muss er nun dennoch mahnen, sich auf das Abitur vorzubereiten, und er droht auf der Rückseite einer Zahlkarte, die für 40 Mark gut ist: „Lieber Erwin! Lamentationes tuas ignoro. Re-
spice matris tuae epistolam, tua peccata in futuram non numerabo! Si vales bene, ego valeo. Dein Vater.“12

Ein Maler in Schwabing

Nach glänzend bestandenem Abitur schrieb sich Oehl 1926 als Student an der Akademie der bil-
denden Künste in München bei Professor Herrmann Gröber ein. Ein kleines Zimmer bezog er in der Nikolaistraße 9 im zweiten Stock, in dem er nachts an Drehbüchern schrieb, die er an die be-
rühmten Schauspielerinnen Henny Porten und Elisabeth Bergner schickte in der Hoffnung, ent-
deckt zu werden.

Tagsüber warf sich der junge Mann mit wahrem Feuereifer auf sein Studium. Nur war das fade Lehrangebot der Akademie alles andere als befriedigend. Nach drei Semestern beherrschte er zwar das akademische Zeichnen perfekt und hatte das Drama „Der Bey“ und die Drehbücher „Spiel für Dorothea Wieck“ und „Doppelgängerstück“ abgeschlossen, aber es zog ihn fort von München.

Im Sommer 1927 brodelte es. In ganz Europa demonstrierten die Massen gegen die Klassenjustiz in den USA. Nicola Sacco und Bartolomeo Vanzetti, zwei Anarchisten, war ein Bombenattentat in die Schuhe geschoben worden, obwohl alle Indizien für ihre Unschuld sprachen. Sie waren 1921 aufgrund falscher Beschuldigungen angeklagt und zum Tode verurteilt worden. Sechs Jahre später wurde endgültig klar, dass das Urteil nicht revidiert wird; der Hinrichtungszeitraum rückte näher. Am 30. Januar hatten im Burgenland Rechtsextreme in eine Arbeiterdemonstration geschossen und dabei einen Kriegsinvaliden und ein Kind getötet. Am 14. Juli sprach ein Wiener Gericht die Schützen frei. Jedem Proletarier wurde klar: Schuldige werden freigelassen, Unschuldige hinge-
richtet. Es kam am 15. Juli zu Streiks und zu spontanen Demonstrationen. Bald waren es 30.000, die demonstrierten. Der Polizeipräsident befahl zu schießen. 85 Demonstranten und 4 Polizisten wurden getötet. Wien stand kurz vor dem Bürgerkrieg. Um die Mittagszeit brannte der Justizpa-
last. Am 23. August starben Sacco und Vanzetti auf dem elektrischen Stuhl.

Erwin verschlang diese Nachrichten aus den Zeitungen. Das „rote Wien“ faszinierte ihn. Es zog ihn dort hin, wo der Klassenkampf tobte, und er beschloss, seine Zelte in München abzubrechen.

In Wien studierte er drei Semester bei Professor Wilhelm Dachauer die Grundlagen der Ölmalerei. Kontakt zur Arbeiterklasse fand er nicht; die Sprachbarrieren waren zu hoch. Aber er schuf weiter Dramen und Lyrik und las daneben Silvio Gesells „Natürliche Wirtschaftsordnung durch Freiland und Freigeld“ und Gottfried Feders „Der deutsche Staat auf nationaler und sozialer Grundlage“. Zwar schuf er Porträts und Akte, er fühlte sich aber auch hier in Wien völlig unterfordert und such-
te Lehrer, die ihm mehr zu geben versprachen. Max Slevogt bedauerte, ihn als Meisterschüler nicht annehmen zu können – es gab in Berlin nicht genügend Ateliers – und schrieb ihm: „Denken Sie immer an gute Malerei, dann wird Ihnen der dichterische Einschlag nicht schaden.“13

In den Weihnachtsferien fuhr der Kunststudent nach Hause. Mit dem Vater diskutierte er nächte-
lang, hin und hergerissen zwischen den verlockenden tradierten Angeboten, sich mit den Eliten auserwählter Persönlichkeiten zu identifizieren, und der unmittelbaren Anschauung einer zerris-
senen Gesellschaft, in der Klasse gegen Klasse steht. Der Vater schenkte ihm Arthur Graf Gobi-
neaus „Die Renaissance“, und Erwin verschlang das Werk in einem Zug.

Der Vater, ein francophiler Nietzsche- und Wagneranhänger, schätzte Gobineaus „Essai sur l’ in-
égalité des races humaines“, gab aber nun seinem Sohn ein Werk, in dem die rassistische Theorie in dialogischen, historisierenden Szenen in farbenprächtigen Kulissen aufging. Savonarola, Cesare Borgia, Papst Julius II., Leo X. und Michelangelo sind hier die Prototypen der sich genialisch über die dumpfe Masse sich erhebenden titanischen Gestalter der Welt. Er hoffte, seinen Sohn so beein-
flussen und zurückgewinnen zu können.

Dieser aber tummelte sich in anderen Kreisen. Das Wintersemester 1929 verbrachte er in Berlin, in erster Linie in den physiokratischen Zirkeln der Gesell-Anhänger und in den links-intellektuellen Kreisen der Stadt.

Anfang 1930 ging er voller Hoffnung noch einmal nach Wien, kehrte aber im Juli desselben Jahres enttäuscht nach München zurück und bezog im vierten Stock des Anwesens Friedrichstraße 28 ein Zimmer. Nun traf er auch Gregor Straßer wieder, zu dem über die Familie, die unterschiedliche politische Anschauung und persönliche Freundschaft auseinander hielt, der Kontakt nie ganz abge-
rissen war. Zur gleichen Zeit studierte er den Marxismus und trat der KPD und der Roten Hilfe bei.

Die Reichstagswahlen vom 14. September 1930 ließen die NSDAP „von einer unwichtigen Rand-
gruppe zur zweitstärksten Reichstagsfraktion aufsteigen. In dem Maße aber, wie die Bedeutung der NSDAP zunahm, wuchs auch das Interesse der übrigen Parteien und Machtgruppen an den Füh-
rern der NSDAP. Neben Hitler, der jedoch über der aktiven Politik zu schweben schien, war es vor allem Reichsorganisationsleiter Gregor Straßer, der hiervon profitierte.“14

Auch Kreise der Ruhrindustrie, u.a. „Tengelmann (Essener Steinkohle), Brandi (Vereinigte Stahl-
werke), Kanert (Gelsenberg), Vögler (Vereinigte Stahlwerke) und Springorum (Hoesch AG) wur-
den aktiv. Es entwickelten sich gute persönliche Beziehungen, die von den Industriellen seit Früh-
jahr 1931 benutzt wurden, um durch persönliche Zuwendungen die Stellung der Straßergruppe in der Partei zu stärken und auf diese Weise selbst Einfluß auf die NSDAP zu gewinnen… Die Höhe der Zuwendungen, die bis Ende 1932 gezahlt wurden, beliefen sich auf etwa 10.000 RM pro Mo-
nat.“15

Auch hier wird wieder deutlich, dass nicht die angeblichen Extreme, wie es heute die herrschende Meinung in vielen bundesrepublikanischen Köpfen ausdrückt, die Weimarer Republik zugrunde gerichtet haben, sondern die bürgerliche Mitte, deren Besitzopportunismus sie nach jedem ver-
meintlichen Strohhalm greifen ließ, nur um das bedrohte Eigentum zu retten. Wer die staatstra-
genden Parteien finanziell stützt, solange diese die Staatsgeschäfte lenken, in dem Augenblick aber, wo eine neue politische Kraft welcher Couleur auch immer offensichtlich an politischem Gewicht zunimmt, auch diese fördert, wenn auch nur mit vergleichsweise geringen Mitteln, mag sich seinen Einfluss sichern wollen. Unterstützt wird aber erst, wer auf dem Wege zur Macht sich befindet. Da-
mit sichert sich die Wirtschaft den Primat über die Politik.

Straßer, der ein Reichstagsmandat errungen hatte, pendelte zwischen Berlin und München, wo er in Schwabing in der Habsburgerstraße 3 seit dem 12. Januar 1928 nur drei Gehminuten von Oehls Zimmer entfernt wohnte, hin und her. Zu den Nazigroßkundgebungen, auf denen er als Hauptred-
ner auftrat, lud er den jungen Maler regelmäßig ein. Oehl folgte hin und wieder den Einladungen, und er erhielt auch Briefe, in denen Straßer den Kontakt mit subtiler Überzeugungsgabe zu vertie-
fen suchte: „Ich denke immer mit Vergnügen und aufrichtiger Verehrung an Ihre Eltern u. die in Ihrem Elternhaus verbrachte Zeit. Das waren für mich die letzten Monate der Ruhe. Seither ist über Krieg u. Revolution hinweg Kampf mein Lebensinhalt geworden, aber Kampf, den ich selbst wollte und liebe.“16

Oehl aber hatte sich längst den Anschauungen der Kommunisten genähert, deren rationale Ana-
lysen ihm in krassem Gegensatz zum völkischen Irrationalismus zu stehen schienen, deren unego-
istischer Internationalismus eine Alternative war zum nationalen Getöse, das zwangsläufig in einen neuen Kriegstaumel führen musste und deren Aktivisten uneitel und ohne persönliche Ambitionen nur für die Sache des Proletariats einstanden.

Dies hinderte ihn natürlich nicht, die Auseinandersetzung mit Straßer zu suchen, und als Straßer ihn fragte, ob Oehl ihn malen würde, sagte der Künstler spontan zu, denn am 1. Oktober 1931 hatte er endlich ein eigenes Atelier im vierten Stock des Hauses Nr. 1 am Pündterplatz bezogen, so dass er nun auch großformatig arbeiten konnte. Allein an dieses Atelier zu kommen, war nicht einfach. Das Städtische Wohnungsamt verlangte lediglich für die Vermittlung 10 RM 20 Rpf, und die Mo-
natsmiete betrug 60 RM, die erst einmal verdient sein wollten, denn von den Eltern war keine fi-
nanzielle Unterstützung mehr zu erwarten.

Oehl schloss sich dem Münchner Antikriegskomitee an, in dem die Feministinnen Dr. Anita Augs-
purg und Lida Gustava Heymann, Oskar Maria Graf und viele mehr, die sich, wie es Oehl formu-
lierte, „im Zeichen des Kampfes gegen die imperialistische Kriegsgefahr“17 engagierten. Auf Ver-
sammlungen des Komitees hielt er einige Referate.18

Zugleich gründete er 1932 in seinem Atelier mit befreundeten Malern eine Ortsgruppe der Assozia-
tion Revolutionärer Bildender Künstler (ASSO), nachdem er zuvor Kontakte mit dem Leiter der Berliner Ortsgruppe, Max Keilson, aufgenommen hatte. Mitglieder der Münchner Gruppe waren neben Oehl Friedrich Adolf Sötebier, Max Radler, Fritz Hamlah, Kosel, Karl Röhrig, Liselotte Putz und Bruno Gutensohn. Man plante die Herausgabe einer Zeitschrift “Organ der Revolutionären Bildenden Künstler”, wofür Sötebier einen Titellinolschnitt entwarf.19

In KPD-Veranstaltungen trat Oehl nun auch öffentlich auf und kritisierte besonders die mangelnde Berücksichtigung des „psychologischen Faktors“ durch die Partei. Sein Vortrag „Neue Wege im Verhältnis zur Religion“ zeigte nur keinerlei Wirkung, wie er später bedauernd anmerkte.20

Trotzdem ließ er, der schon sehr früh für eine antifaschistische Einheitsfront im Gegensatz zur offiziellen Parteilinie eintrat, nicht locker: Bei einem Parteitag der KPD gestaltete er den Saal mit aus und drapierte die Wand hinter dem Tisch der Vorsitzenden auf dem Podium mit einem Trans-
parent, das die Aufforderung verkündete: „Höher die innerparteiliche Demokratie!“

Oskar Maria Graf suchte Ende 1932, vermutlich im Auftrag der Roten Hilfe, ein unverdächtiges, noch nicht einschlägig bekanntes, aber zuverlässiges Mitglied, das ein Abonnement der Moskauer Pravda erhalten konnte, ohne den Behörden besonders aufzufallen. Um beim Maler diesbezüglich nachzufragen, sandte er Louise Brod21 ins Atelier am Pündterplatz.

Die junge Münchner Kommunistin war 1930/31 in die Partei eingetreten, die schon bald mit einer heiklen Bitte an sie herantrat. Ihre neue Aufgabe lag in der Betreuung durchreisender Genossen, die 1932/33 in der Nähe des Parteibüros untergebracht wurden. Ein Zigarettenladen war die An-
laufstelle zur Kontaktaufnahme. Sie kümmerte sich um Flüchtlinge aus Jugoslawien und anderen Ländern, in denen die Arbeiterbewegung verfolgt wurde, versah sie mit Pässen, sorgte sich um Kranke, die aus Gefängnissen kamen, hielt die Verbindungen unter den Flüchtlingen aufrecht, arbeitete illegal und war deshalb von der Mitgliedschaft in der Partei suspendiert. Den Behörden war sie anscheinend noch nicht bekannt.22

Oehl lebte tagsüber von großen Mengen schwarzen Kaffees, und er lud seine Besucherin, die die riesige Kanne bewunderte, auf eine Tasse ein. Nur war keine Milch im Hause, aber unten an der Straße ein Lebensmittelgeschäft, und Louise Brod ging noch einmal die vielen Treppen hinunter, um sich Milch zu holen. Zurückgekommen erzählte sie ihm von ihrer politischen Tätigkeit, die Pravda wurde bestellt, und in den folgenden Wochen verliebten sich die junge Frau und der Maler.

Auch das Private war politisch. Junge Revolutionäre lehnten die Institutionen der bürgerlichen Ge-
sellschaft ab: Weg mit dem Plunder der Vergangenheit! Das g’schlampertes Verhältnis sollte erst 1938 in Paris legalisiert werden.

Am Abend des 27. Februar 1933 wimmelt es im Münchner Hauptbahnhof von Reisenden, Pend-
lern, Vertretern, Emigranten, Zeitungsverkäufern und Reichsbahnbeamten. An den Sperren zu den Bahnsteigen ballen sich Trauben von Menschen. Nazis in Uniform und zivil gekleidete Polizisten starren angestrengt in die Menge.

Louise Brod begleitet einen etwa fünfzigjährigen Herrn zum Nachtzug nach Berlin, der nur schlecht deutsch spricht. Die Regeln der konspirativen Tätigkeit verbieten, mehr als das unbedingt Notwendige zu wissen. Sie hat die Anweisung, eine Fahrkarte zu besorgen, den Fremden durch die Kontrollen zu schleusen und darauf zu achten, dass er den richtigen Zug besteigt. In der gleichen Nacht brennen Kuppel und Plenarsaal des Reichstags in Berlin.

Hitlers SA ist schon am Brandort, als die Feuerwehr eintrifft. Die Feuerwehrmänner finden später in unzerstörten Zimmern und Schränken des Gebäudes Material im Umfang einer Lastwagenla-
dung, das für die Brandstiftung gedacht war. Oberbranddirektor Gempp erwähnt dies und mehr im Reichstagsbrandprozess. Seine Aufrichtigkeit bezahlt er mit seinem Leben.

Erst später, als Louise im April in „Schutzhaft“ sitzt, erkennt sie auf Bildern in einer Illustrierten, dass sie den Leiter des westeuropäischen Büros der Kommunistischen Internationale, Georgi Di-
mitroff, zum Nachtzug nach Berlin begleitet hat. Dimitroff wird verhaftet. Er soll auch zu den Brandstiftern gehören, wird aber schließlich im Dezember 1933 freigesprochen.

Brachialgewalt

Ende 1931/Anfang 1932 saß Straßer des öfteren für ein großformatiges repräsentatives Gemälde Modell. Hier, im Atelier des Malers, sah er großformatige Werke wie die „Arbeitslosen“, „§ 218“ oder den „Zweiten Versuch, die Menschheit zu erlösen“, eine Arbeit, die sich heute im Besitz des Münchner Stadtmuseums befindet. Die Bilder erinnerten ein wenig an Otto Dix und George Grosz. Er wusste von Oehls kommunistischer Überzeugung, und es entspannen sich immer wieder hitzige Diskussionen, die manchmal auch zugunsten des Jüngeren entschieden wurden.

Straßer machte sicher auch seine Doppelrolle als programmatischer Sozialrevolutionär23 und als dem Apparat verhafteter Organisationsleiter der NSDAP zu schaffen. Anhänglichkeit wenn nicht Freundschaft, auch Dankbarkeit, Respekt vor dem kompromisslosen revolutionären Elan des Jün-
geren, dazu eine pädagogisch-autoritäre Attitüde dessen, der von der Wahrheit seiner Anschauung felsenfest überzeugt ist, prägten Straßers eigenartig ambivalentes Verhältnis zu Oehl. Außerdem unterschied er sich von den meisten seiner Parteigenossen durch seine Intellektualität, seine Ver-
bindlichkeit im Privaten und die Gabe, zuhören zu können. Andere Nazis waren für das Grobe zu-
ständig. Er, den man auch den Renommier-Nazi nannte, schien deshalb nicht wenigen politischen Gegnern gefährlicher als Hitler zu sein.24

Auf den öffentlichen Versammlungen aber zog Straßer unter dem grölenden Beifall der Massen vom Leder. Am 23. Oktober 1931 meinte er im Berliner Sportpalast: „Zwischen uns und der SPD steht immer und ewig der ungesühnte Verrat vom November 1918. Wir wollen restlose Abrech-
nung – eventuell mit Brachialgewalt!“ Am 20. Februar 1932 rief er im Zirkus Krone: „Die marxi-
stischen Bonzen sind alle miteinander notorische Verbrecher!“ Und auf dem NS-Gauparteitag im schlesischen Brieg führte er aus: „Wenn wir oben sind, werden wir Breitscheid und Genossen zu Dreck schlagen. Eine Anzahl wird gehenkt, die übrigen werden eingesperrt. Dann wird der deut-
sche Arbeiter einsehen, wie stark wir sind.“25

Während einer der Auseinandersetzungen im Oehlschen Atelier, die trotz vorhersehbarer Ergeb-
nislosigkeit den beiden Kontrahenten ein inneres Bedürfnis waren, drohte Straßer dem Maler ver-
zweifelt, dass „wir Nationalsozialisten, wenn wir erst an der Macht sind, euch Kommunisten als erste an die Wand stellen werden. Keiner von euch wird überleben.“26

Straßer sprach am 20. September 1932 im Zirkus Krone. Es könnte sein, dass Oehl bei diesem Auf-
tritt dabei war. Das Bild hatte der Künstler mit kräftigem Duktus komponiert. Der Betrachter sieht fast frontal auf die wuchtige Gestalt des Redners im Ambiente einer Großveranstaltung im riesigen Rund des Gebäudes. Die Bühne erscheint leicht abschüssig; hinter Straßer hält ihm eine zweite uniformierte Figur den Rücken frei, als ob sie das Publikum beobachtet, vielleicht auch in Schach hält. Die Zuhörer gliedern sich in durchaus unterschiedlich reagierende Individuen mit skepti-
schen, staunenden, fanatischen oder nachdenklichen Gesichtern.

Am Nachmittag des 9. März 1933 bauschte sich die Hakenkreuzfahne am Münchner Rathausturm. Nun konnte die Verfolgung politisch Andersdenkender systematisiert werden. Oehl, am 13. März verhaftet, wurde der Justizvollzugsanstalt Landsberg am Lech überstellt. Fast alle seine Bilder und Manuskripte und viele Bücher wurden beschlagnahmt. Nach wenigen Tagen gelang es ihm, an Straßer zu schreiben, den er lediglich bat, einen Brief an seine Mutter weiterzuleiten. In seinem recht förmlich gehaltenen Brief vom 4. April, den ja auch der Gefängniszensor zu lesen bekam, deutete Straßer, nachdem er die erzieherische Wirkung eines Gefängnisaufenthalts entsprechend gewürdigt hatte, die baldige Freilassung an, denn Oehl möge bei Gelegenheit „seine Eltern von ihm grüßen.“27

Auch bei einem Nazi widerstritt Ehrgefühl als soldatische Tugend und Loyalität dem „Recht des Stärkeren“ und der „moderneren“ Ideologie der rassischen Auslese. Die patriarchalische Tradition expansiver Herrschaftssicherung beruht seit alters auf einer Hierarchie von Prioritäten, „spricht mit der Stimme des Blutes“ und mündet in letzter Konsequenz in trostlose Einsamkeit: Ich mit meinem Volk gegen andere Völker – Ich mit meinem Stamm gegen mein Volk – Ich mit meinem Clan gegen meinen Stamm – Ich mit meiner Familie gegen meinen Clan – Ich mit meinem Vater gegen meine Familie – Ich mit meinem Bruder gegen meinen Vater – Ich heiße Kain, mein Bruder aber Abel.

Kein Wunder, dass derselbe Nazi, der fähig ist, Völker, Massen, Gruppen auszurotten und dazu noch industrielle Mittel und Methoden kreiert, dennoch einem Individuum das Leben retten kann und dabei sogar die eigene Haut riskieren mag.

Straßer scheint sich in den folgenden Tagen um die Freilassung des jungen Kommunisten bemüht zu haben, denn Oehl wurde „am 7. April 1933 um 11.45 Uhr auf telef. Anfrage v. Pol. Dir. München wegen schwerer Erkrankung des Vaters entlassen“.28

Dem im Staatsarchiv aufbewahrten Akt der Justizvollzugsanstalt Landsberg ist der Brief des Schwagers Heinrich Heyder an die Behörden beigefügt, in dem von der Erkrankung des Vaters gesprochen wird, ebenfalls auf den 7. April datiert. Die Behörden haben also die Entlassung des Gefangenen verfügt, bevor sie offiziell einen Grund für die Entlassung erfahren haben.

Für die Beamten der Justizvollzugsanstalt war es offenbar schwierig, bei Interventionen von höch-
ster Stelle, die gleichzeitig geheim zu bleiben hatten, ein eindeutiges Verhalten gegenüber dem Freizulassenden zu zeigen. Oehl war über die Mischung aus Befehlston und Freundlichkeit nicht wenig verwirrt und schrieb am 15. April verwundert an Straßer: „Da ich mir über den letzten Sinn der Formulierungen, unter denen mich die Pol. Dir. freiließ, nicht klar geworden bin, weiß ich noch nicht, wie alles nun werden will, ob ich in München bleibe und dergleichen.“ Und im gleichen Brief erinnert Oehl daran, dass das nun in Auftrag gegebene Porträt fertig gestellt sei und bereit sei zur Übergabe, „wenn Sie in der Lage sind, in der gegenwärtigen Situation auf diese Angelegenheit zu-
rückzukommen.“29 Straßer war dazu nicht mehr in der Lage.

Mit der Wahlniederlage vom 6. November 1932 war die Organisation der NSDAP ins Trudeln ge-
kommen. Resignation und blinder Aktivismus lösten sich auf allen Ebenen der Partei ab. Der frisch gekürte Reichskanzler General von Schleicher dachte an eine neue politische Achse, die sich vom ADGB (Allgemeiner Deutscher Gewerkschaftsbund) über den Stahlhelm bis in den „linken“ Flügel der NSDAP ziehen sollte.

Straßer, auch hier einem altmodischen Ehrgefühl und Loyalitätsdenken („Paladin-Komplex“[30) verpflichtet, suchte Hitler zu einem Kompromiss mit Schleicher zu gewinnen, aber die wirtschaft-
lichen Eliten der Weimarer Republik hatten an dieser Achse kein Interesse, und Straßer war zudem dem innerparteilichen Intrigenspiel ohnmächtig ausgeliefert. Zwar hatte er sich ein Machtzentrum in der NSDAP aufgebaut, das ihm ermöglicht hätte, sogar Hitlers Führungsposition in Frage zu stellen. Sein Dilemma aber war seine Intelligenz: Er erkannte den unaufhebbaren Widerspruch zwischen dem eigenen moralischen Anspruch und der dringend notwendigen Teilnahme an takti-
schen Schweinereien. Mit der eigenen Seilschaft hätte er die Chance gehabt, die Konkurrenz auszu-
schalten. Ob er sich im Bewusstsein, sein Leben einer falschen Sache gewidmet zu haben, resig-
niert zurückzog, bleibt Spekulation.

„Am 30. Juni 1934… erschienen fünf Beamte der Gestapo in Zivil… Nachdem Straßer seine Familie beruhigt hatte, fuhr er mit den Beamten… Bereits gefesselt, wurde er von drei mit Maschinenpisto-
len bewaffneten Schergen an etlichen anderen Verhafteten vorbei in eine Einzelzelle des Kellerge-
schosses gebracht und sofort mit mehreren Pistolenschüssen durch einen SS-Hauptsturmführer ermordet, der den Keller dann mit den Worten verließ: ‘Das Schwein wäre erledigt.’ Die Leiche wurde offenbar an Ort und Stelle in Einzelteile zerstückelt und in mehreren blutigen Säcken weg-
gebracht.“31

Hitler ließ alle die, die für seine Machtergreifung nützlich, aber später zum vermeintlichen oder wirklichen Störfaktor geworden waren, ermorden. Der Maler aber rollte nach seiner Freilassung aus dem Gefängnis sein Werk ein und versteckte es neben anderen Agitationsbildern zunächst in seinem Münchner Atelier und später in seinem Elternhaus in Thalmässing. Erst 1992 wurde Stra-
ßers Porträt wieder aufgerollt und auf einen Keilrahmen gespannt.

Flucht

Louise Brod wird als eine der ersten in Pasing verhaftet; sie ist von 14. April bis 20. Juni 1933 in „Schutzhaft“ in Stadelheim. Dort sieht sie beim Hofgang die Genossinnen Emma Stenzer, Magda-
lena Knödler und Centa Beimler wieder.32

Nach ihrer Entlassung trifft sie sich heimlich mit Erwin, dem die Behörden den Aufenthalt in Mün-
chen verboten haben, und hilft ihm bei der Auflösung seines Ateliers. Pasinger Nachbarn denun-
zieren Louise, indem sie melden, sie hätten bei ihr „Leute mit Aktenmappen“ zu Besuch gesehen, und da sei eine verdächtige Kiste bei ihr, die sich dann im nachhinein als Eierkiste herausstellt. Louise wird am 21. August erneut verhaftet. Sie arbeitet jetzt zusammen mit der Frau von Max Holy in der Gefängnisküche von Stadelheim.33 Bis 30. Dezember 1933 bleibt Louise eingesperrt, eine vergleichsweise lange Zeit. Ihre Freiheit erhält sie unter der Auflage, sich täglich auf dem Poli-
zeirevier zu melden. Sie findet als Sprechstundenhilfe keine Arbeit mehr, da viele Ärzte Angst ha-
ben, eine einzustellen, die offenbar politische Spirenzchen macht. So bleibt ihr nichts übrig, als in Heimarbeit mit magerstem Verdienst zu nähen.

Manchmal besucht sie Erwin in Thalmässing. Beide planen nun doch zu heiraten. Wenn sie in München ist, arbeitet sie auch wieder für die Partei, stellt Verbindungen her und reist einige Male in die Schweiz. Dort lernt sie einen französischen Rechtsanwalt und eine französische Journalistin kennen, die später in der Emigration Erwin und Louise weiterhelfen werden.

Immer wieder wird Erwin in Thalmässing aufgefordert, der SA beizutreten. Er weigert sich. Schi-
kanen häufen sich. Am 29. März 1936 finden Reichstagswahlen statt. Erwin geht zur Wahl und wird kurz darauf zum Kreisleiter befohlen, der ihn heftig beschimpft und ihm mit der Behauptung, Erwin sei der Schuldige, einen ungültig gemachten Wahlschein vorzeigt. Erwin bestreitet seine Ur-
heberschaft. Der Kreisleiter brüllt, er solle seine Heimat so schnell wie möglich verlassen, da er sonst hinausgeprügelt werde. Am 3. April besucht Erwin Louise in München, erzählt ihr, was vor-
gefallen ist, und fragt sie, ob sie bereit sei, ihm in die Emigration zu folgen.

Was dann passiert, steht in ihren Notizen: „9. 10. 11. April eilige Reisevorbereitungen. Brüder spenden etwas Geld, das wir bald brauchen werden. 12. Ostersonntag Abreise Zürich. 28. Basel bei Gen. untergebracht. Gang Konsulat. Über Bekanntschaft/Engländer Journalist etwas Geld trans-
feriert (Mühlestein). 4.5. Visum Reise n. Paris. Suchen am 21.5. Wohnung, möbliertes Zimmer mit winziger Küche. 5. Etage. 13.5. eingezogen. Einiges Geschirr gekauft, abends gekocht. Leben mehr als sparsam. Unser Zusammenleben sehr harmonisch trotz Armut. Freunde! Sprachkurs, um leich-
ter französisch zu verstehen. Brief v. Oskar M. Graf. 25. Juli: Ich arbeite, um unser Überleben zu sichern bei deutschen jüdischen Emigranten. Wäscherei, … und auch Kochen. Komme spät heim. Erwin ist so allein sehr einsam! Erwin denkt sehr viel über Politik und alle Ereignisse nach. Bis Juli kommen wir gerade so hin mit unserem Geld bei äußerster Sparsamkeit! So kommt der 14. Juli. Wir sind auch auf dem Place Bastille …“

Am 26. April 1936 siegte bei den Wahlen zum französischen Parlament die Front Populaire. Die im Juni gebildete erste Volksfrontregierung unter dem Sozialisten Léon Blum setzte sich aus Soziali-
sten und Radikalsozialisten zusammen und erhielt von der französischen KP die Zusage uneinge-
schränkter parlamentarischer Unterstützung. Das ganze Land scheint im Aufbruch. Mit Streiks und Fabrikbesetzungen drängt die Arbeiterklasse die Regierung, ihr Programm möglichst schnell durchzusetzen. Am 14. Juli, dem Jahrestag des Sturms auf die Bastille 1789, ist ganz Paris auf den Beinen, demonstriert, tanzt, lacht, lässt die Kommune von 1871 hochleben, feiert die Volksfront. Louise und Erwin liegen sich mitten im Trubel glücklich in den Armen.

„… Um näher am Arbeitsplatz zu sein, ziehen wir um: 110 Avenue Wilson 55, 6. Stock, schöne Aus-
sicht für Erwin zum Zeichnen. Nach kurzer Zeit ziehen wir noch einmal um in ein Parterrezimmer auf der 110 Avenue Wilson, nur läßt uns die Concierge nicht dort wohnen. Aber Glück für uns: die Emigranten ziehen ebenfalls um und auch wir finden im gleichen Haus ein hübsches Einzimmer-
appartement mit Küche, Bad, Warmwasser und Heizung, schon Luxus für arme Emigranten. Hier bleiben wir bis zum Beginn des Krieges wohnen.“34

Wenn sich schon in der Heimat von Kunst nur schwer leben lässt, um wie viel schwerer im Aus-
land. Für Louise ist es selbstverständlich, Arbeit zu suchen. Sie ernährt auch Erwin.

In der Rue Jacob trifft sich als erste antifaschistische Künstlerorganisation das Kollektiv Deutscher Künstler; Ziel ist es, die materiellen und geistigen Interessen der deutschen bildenden Künstler in Paris zu wahren. Oehl tritt ihm bei. Geld verdient er trotzdem nicht.

Die erste Ausstellung des Kollektivs eröffnet Frans Masereel; ab 1937 erscheint Die Mappe, eine Kunstzeitschrift, die Werke der Mitglieder, u.a. von Max Ernst, Hanns Kralik und Heinz Lohmar der Öffentlichkeit vorstellt. Aus dem Kollektiv geht schließlich der Freie Künstlerbund als Nachfol-
ger des von den Nazis verbotenen Deutschen Künstlerbundes hervor.

Während Picasso im Pavillon der Spanischen Republik auf der Pariser Weltausstellung 1937 sein Werk „Guernica“ malt, gestalten Künstler, darunter die Deutschen Oehl, Max Lingner und Sieg-
fried Wack den Pavillon de Paix. In einer Veranstaltung des „Freien Künstlerbundes“ am 26. März 1937 zeigte Oehl seine Werke im „Café des Ministères“.

Erwin und Louise heiraten im Juli 1938 im Rathaus von Montreuil. Lingner fungiert als einer der Trauzeugen. Der mit der rot-weiß-blauen Schärpe gezierte Bürgermeister, der den feierlichen Akt vollzieht, kommt aus der kommunistisch-sozialistischen Fraktion.

In der Ausstellung „Fünf Jahre Hitler“, die im Winter 1937/38 in einem Pariser Gewerkschaftshaus zu sehen ist, beleuchten Lohmar, Kralik, Alfred Herrmann, Heinz Kiwitz und Oehl die Umstände des Reichstagsbrands, des faschistischen Rassismus, des Terrors in den Konzentrationslagern und der reichsdeutschen Intervention gegen die spanische Republik. Den Opfern aus den Reihen des Widerstands ist eine eigene Abteilung gewidmet.

Im November 1938 ist auf der ersten großen Kollektivausstellung des Freien Künstlerbundes im Pariser Maison de la Culture neben Bildern und Plastiken von George Grosz, Max Ernst, Paul Klee, Kokoschka, Felix Nußbaum und anderen von Oehl ein „hartkantiges“ Porträt eines Maurers, wie es Paul Westheim anerkennend charakterisiert, zu sehen.

Erwin zeichnet und malt, aber er kann nichts verkaufen. Die Arbeit in der Wäscherei ist für Louise hart. Eine Vorarbeiterin denunziert sie bei der Gendarmerie. Diese kontrolliert und entdeckt, dass Louise ohne Arbeitserlaubnis schuftet. Sie muss eine Geldstrafe zahlen, sonst wird sie abgescho-
ben. Ab sofort arbeitet sie mit einem Arbeitspapier, zunächst in der Firma Wasservogel, die Radio-
gehäuse produziert, schließlich im Geschäft von Claire und Moritz Le Goas, die sie 1938 bei einem Fest der L’Humanité, der Parteizeitung der französischen KP, kennenlernt.

Das große Ringen

Am 31. März 1939 gibt Frankreich und England Polen eine Garantieerklärung. Am 1. September 1939 greift Deutschland Polen an. Nach der französischen Kriegserklärung an Deutschland am 3. September wird Erwin wie alle emigrierten Deutschen festgenommen und in ein Lager transpor-
tiert. Interniert in der 9. Abteilung des Centre de Rassemblement des Etrangers, St. Jean de la Ruelle, Orleans-Loiret.

Der Kontakt zu den Verwandten daheim ist vollständig abgebrochen. Erwin weiß, dass die Gestapo Briefe öffnet und liest. Er will seine Verwandten nicht in Gefahr bringen. Aber in der Schweiz fin-
den sich Menschen, die es sich zur Aufgabe machen, Kontakte wiederherzustellen. Sie gehen dabei sehr vorsichtig vor.

Eines Tages erhält Erwin im Lager diesen Brief: „Zürich, 28. Sept. 1939. Geehrter Herr! Durch eine Bekannte Ihrer Frau Mutter wurde ich gebeten, Ihnen zu schreiben. Ihre Frau Mutter ist in großer Sorge um Sie, da sie schon lange keinen Bericht mehr von Ihnen erhalten habe. Sie möchten so gut sein und ein paar Worte über Ihr Wohlbefinden an sie richten, evtl. einen kleinen Bericht durch mich an sie gelangen lassen. In Erwartung Ihrer Rückäußerung zeichnet Frau Rosi Künzli, Zürich 6 (Schweiz), Rötelstraße 3.“35

Von Orleans wird Erwin Oehl nach Rennes transportiert. Hier wird er als Pretataré, als geliehener Soldat den Engländern übergeben, die ihn als waffenlosen Hilfspionier bei Bauarbeiten für die französische Bahn einsetzen.

Am 10. Mai 1940 überschreiten deutsche Truppen die Grenzen, zu Belgien und Holland, um „die Neutralität beider Länder mit allen militärischen Mitteln sicherzustellen“. Mitte Mai brechen deut-
sche Truppen westlich der Maginotlinie durch. Mitte Juni richtet Marschall Pétain ein Waffenstill-
standsersuchen an Deutschland. Deutsche Truppen rücken in Paris ein und besetzen drei Fünftel Frankreichs.

Für die Internierten in den Lagern ändert sich nichts. Sogar die Kommandanten bleiben. Erwin flieht aus dem Lager bei Rennes, wandert von dort zur Loire, setzt über, wandert weiter, schwimmt durch die Cher, übernachtet im Heu, versteckt sich, wandert über die Maison-Rouge bis Montrond an der Loire, übernachtet in dunklen Ecken, weicht immer wieder den anrückenden deutschen Truppen aus, versucht vergeblich, in unbesetztes Gebiet zu gelangen, und kehrt schließlich auf ver-
schlungenen Wegen am 2. November in das besetzte Paris zurück. Fast eineinhalb Jahre waren Er-
win und Louise, die bis Herbst 1940 in Gurs in den Pyrenäen interniert war, getrennt.

Schon am 3. Dezember 1940 werden beide in Paris verhaftet und erneut getrennt. Vom Wehr-
machtsgefängnis Prison Cherche-Midi wird sie über Trier, Saarbrücken, Ludwigshafen, Nürnberg und Regensburg nach München verschubt. Auf dem Bahnhof in Regensburg werden Gefangenen-
transporte umgeladen. Hier sehen sich Louise und Erwin zufällig und können sich zwischen den vielen unglücklichen Gefangenen flüchtig küssen, um sofort weitertransportiert zu werden.36

Zunächst wird sie ein paar Wochen bei der Gestapo im Wittelsbacher Palais gefangen gehalten und verhört. Dann kommt sie in das Gefängnis Neudeck, um am 10. Mai 1941 nach Stadelheim trans-
portiert zu werden.

Erwin schreibt am 18. April 1941 aus dem Gestapo-Hauptquartier im Wittelsbacher Palais an Lou-
ise: „… Du bist nun mit mir gegangen – mit mir gefangen, doch ich hoffe, dass man uns nicht ‘han-
gen’ wird … Aus der Zeitung wirst Du über (geschwärzt) auf dem Laufenden sein, die nunmehr das Ende dieses Krieges näher und näher bringen. Wir haben ihn freilich nur in (geschwärzt) der (ge-
schwärzt) erlebt und die Schlachtenbilder, von denen ich als Junge geträumt, werde ich wohl nicht malen. Trotzdem will ich ein künstlerisches Dokument der (geschwärzt) Seite, so wie ich sie erle-
ben mußte, gestalten … Leb wohl und hab Vertrauen in die Zukunft und sei mir nicht böse, denn schließlich duldest Du doch nur alles, weil Du meine Frau bist …“37

Erwin wird nach langen, brutalen Verhören und einer 22 Monate dauernden Untersuchungshaft im Gefängnis in der Corneliusstraße vom Oberlandesgericht München am 15. Juli 1942 wegen Vor-
bereitung zum Hochverrat zu neun Monaten Gefängnis verurteilt38 und im September entlassen, da ihm die Untersuchungshaft „angerechnet“ wird. Er erhält Berufsverbot durch die Reichskam-
mer der Bildenden Künste und reist sofort nach Thalmässing zurück.

Im April 1943 wird er als Grenadier eingezogen und nach Jitschin in der Tschechoslowakei ver-
setzt. Es gelingt ihm, keinen einzigen Schuss auf „Feinde“ abzugeben, denn die Herren Offiziere lassen sich gerne in ihren Uniformen und die „vorsichtigeren“ in Zivil porträtieren. Durch seine vielfältigen Kontakte knüpft er dabei ein informelles Netz von Militärs, die den Nazis gegenüber kritisch eingestellt sind.

Seinem Spitznamen „General Oehl“ macht er vor allem Ehre, wenn er in Fresken und großforma-
tigen Arbeiten, die für Offiziersmessen, Gemeinschaftsräume oder öffentliche Gebäude in den von Nazi-Deutschland besetzten Gebieten zu gestalten hat, immer wieder antinazistische Anspielungen einarbeitet.

Der Künstler geht dabei bis an die Grenze. Kurz vor der Eröffnung eines Gemeinschaftsraums muss im letzten Moment zum Beispiel ein Hitlerbild abgenommen und 50 Zentimeter höher wie-
der aufgehängt werden, da ein gemalter Gewehrlauf direkt auf den Führer zielt. Hohe Offiziere schützen Oehl schließlich vor Verfolgungen durch die Gestapo.39

Sechs Monate liegt er mit Gelbsucht im Reservelazarett in Königsgrätz und wird schließlich im Februar 1945 als Pionier eingesetzt. Im Mai gerät er an der Donau bei Regensburg in amerikani-
sche Gefangenschaft.

Seit dem 10. Mai 1941 sitzt Louise wieder in Untersuchungshaft in Stadelheim. Sie schreibt am 22. Februar 1942 an Erwin: „… Wir wissen ja beide, dass in unserer Lage trübe Stunden und Schmer-
zen nicht zu vermeiden sind. Sie zu überwinden ist ja unsere Stärke …“

Am 14. Juni schreibt sie: „… darin sind wir uns ja wiederum einig, dass man in der gegenwärtigen Zeit seinen Blick nur auf das Schicksal ganzer Völker und somit auf das Schicksal von Millionen Menschen richten braucht, um sofort einzusehen, dass es unvernünftig und unberechtigt wäre, sein eigenes zu sehr in den Vordergrund zu stellen …“

Am 15. Juli 1942 kommt es im Justizpalast zur Hauptverhandlung. Am 19. September schreibt sie: „Mein lieber Erwin! Eigentlich wollte ich in diesen kommenden und hoffentlich letzten Wochen meiner Haft niemand mehr schreiben … will mich zusammennehmen, um nicht in dieser letzten schweren Wartezeit die Nerven zu verlieren …“40

Alles, was Louise Oehl noch bleibt, ist die Aussicht, im Oktober freigelassen zu werden. Am 17. Oktober 1942 wird sie aus Stadelheim entlassen, doch, wie es vielen geschieht, die ihre Strafe ab-
gesessen haben und auf Freiheit hoffen, über das Wittelsbacher Palais41 in das KZ Ravensbrück überführt. Dort erhält sie die Nummer 690 und ab Juli 1943 die Nr. 14.546 im Block III.

Einmal im Monat ist es erlaubt, einen Brief oder eine Karte abzusenden oder zu empfangen. Natür-
lich schreibt sie regelmäßig an Erwin. Über das, was sie erlebt, kann sie nicht berichten. Die Zensur würde den Brief zurückhalten. Im Juni 1943 schreibt sie: „… Ich bin voll Unruhe und Sorge u. wün-
sche, das große Ringen möchte bald zu Ende sein u. Du gesund bleiben … Mit dem Versprechen, tapfer zu bleiben, grüßt in Liebe Deine Frau Louise.“

Im Juli schreibt sie: „Liebe Else! Diesen Monatsbrief bekommst Du u. kannst mir auch antworten, denn Erwins Briefe als Feldpost gehen extra. Er schrieb in seinem letzten Brief manches von zu Hause u. so weiß ich, dass Du in einem Großbetrieb arbeitest … Freilich, wer leidet nicht in dieser Zeit! …“

Im Laufe der Jahre werden ihre Briefe an Erwin immer zerfahrener, aber einiges ist zwischen den Zeilen zu lesen: „Ravensbrück, den Dez. 1944. Lieber Erwin, Deinen Brief vom 27.11. erhalten. Ja, es ist nicht leicht, sich mit denen zu befassen, die durch Mauern von einem getrennt leben. Ich würde im umgekehrten Falle so leicht nicht ermüden, auch nicht mit den Verwandten in der Bri-
ennerstraße. Von Hause höre ich, dass Juliane an Thyphus liegt, sie wird es kaum überstehen. Ihr armer Junge tut mir weh. So zerinnt das Leben von vielen Guten. Meiner Mutter schrieb ich nach dem Krankenhaus. Du siehst Flüchtlinge aus Ungarn beim Durchzug, wie erschöpft sie an ihrem Ziele ankommen, weißt Du nicht. Deine Arbeiten möchte ich zu gerne sehen, auch die Bilder. Die Tage sind grau und melancholisch …“42

Louises Briefe aus dem KZ sind voller Trauer, voller Verzweiflung und Sehnsucht. Insgesamt hielt die SS von 1939 bis 1945 132.000 Frauen und Kinder in Ravensbrück gefangen. Der Leidensweg der Frauen in Ravensbrück ist unbeschreiblich und nicht nachfühlbar. Am 30. April 1945 befreit die Rote Armee 3.000 Häftlinge, unter ihnen Louise Oehl.

Neuanfang

Industrielle und Bankiers hatten Hitler vor 1933 unterstützt und hatten nach 1933 vom Regime profitiert. In der zweiten Juliwoche 1945 verhaften die amerikanischen Militärbehörden in Bayern 102 Bankiers und Industrielle, darunter der Präsident und der Vizepräsident des Reichswirt-
schaftsrates, Bankier Georg Eidenschink, August von Finck, Albert Heilmann von Heilmann & Littmann Bau-Aktiengesellschaft, Hans Krauss (Krauss-Maffei), Friedrich und Richard Linde, (Linde’s Eismaschinenwerke), Hans Noris (Held & Francke Bau-Aktiengesellschaft), Viktor v. Rintelen (Deutsche Bank), Alexander Rodenstock (Optische Werke), Carl Röchling (Eisen- und Stahlwerke), Friedrich Wilhelm Seiler (Bankhaus Seiler & Co.), Christoph v. Tucher (v. Tuchersche Brauerei).43

Die Unbequemlichkeiten dauern für die hohen Herrn nicht lange im Vergleich zu den Unbequem-
lichkeiten, die die Opfer der Faschisten erleiden mussten. Viele von Hitlers Mitstreitern im soge-
nannten Tausendjährigen Reich stellen bald wieder Minister, Staatssekretäre, Abgeordnete oder Beamte oder erhalten als sogenannte 131er hohe Pensionen zuerkannt. Bankiers und Industrielle bekommen ihren Besitz zurück

Insgesamt war Louise Oehl 59 Monate, also fast fünf Jahre, im Konzentrationslager inhaftiert. Ihr Leid wird jetzt registriert und bemessen. Als Entschädigung werden ihr Anfang der 50er Jahre 8.850 Mark zugesprochen, die aber nach dem 12. März 1953 auf 5.925 Mark gemindert werden.44

Erwin kommt nach seiner Entlassung aus amerikanischer Gefangenschaft im Frühsommer 1945 in seinen Heimatort Thalmässing. Hier baut er einen antifaschistischen Ortsverband auf, der sich bald zu einem antifaschistischen Bezirksausschuss in Hilpoltstein erweitert. Viele, zum Teil sehr dubiose Menschen mischen hier mit. Er entdeckt, dass sogar Kriminelle sich als politisch Verfolgte ausgeben, um auf diesem Weg der Verfolgung durch die Militäradministration zu entgehen. Er wirft sie aus dem Bezirksausschuss.

Auf Anordnung der Militärregierung dürfen Ende 1945 Parteien gegründet werden. Die Spaltung der Arbeiterbewegung vor 1933 hat nach Erwins Meinung das Aufkommen der Nazis erleichtert. Nun soll eine einheitliche Arbeiterpartei gegründet werden. Aber der Gründungsakt verläuft tur-
bulent: Auf ein und derselben Versammlung konstituieren sich SPD und KPD; Erwin schließt sich der KPD an.

Um ihn, der sich um die dringendsten Probleme seiner hungernden und frierenden Kolleginnen und Kollegen kümmert, scharen sich schnell engagierte Künstler. Sie gründen die Genossenschaft bildender Künstler und organisieren Leinwände, Farben, Pinsel und Ausstellungen. Inmitten der Trümmerlandschaft des fast völlig zerbombten Nürnberg zeigt die junge Genossenschaft eine „Winterschau Nürnberger Kunst“.

Mit der Neugründung des ADGB (Allgemeiner Deutscher Gewerkschaftsbund) in Nürnberg ent-
steht eine Gruppe Bildende Kunst. Erwin übernimmt den Vorsitz. In derselben Zeit beteiligt er sich an der Gründung der Nürnberger Nachrichten. Während der Nürnberger Prozesse zeichnet er die Verteidiger der Angeklagten; diese Porträts erscheinen in den Nürnberger Nachrichten. Nach dem Entnazifizierungsgesetz wird er Beisitzer der Spruchkammer Hilpoltstein unter dem Vorsitzenden Stücklen. Er wird Mitglied im ersten beratenden Bau- und Kunstausschuss der Stadt Nürnberg, hält Referate für die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes und zeigt in Ausstellungen seine Bilder.

Im März 1946 organisiert er eine Kulturveranstaltung der KPD in der Nürnberger Oper. Er entwirft die Szenenfolge, hält das Referat und gestaltet das Plakat mit einer Nürnberger Madonna inmitten einer Ruinenlandschaft. Das Motto heißt „Unsterbliche Nürnberger klagen an!“ Das Opernen-
semble bringt den dritten Akt aus Beethovens „Fidelio“. Schauspieler rezitieren Höhepunkte der deutschen Dichtung von Walther von der Vogelweide bis Becher und Brecht.

Die Nürnberger Gruppe Bildende Kunst unterhält gute Beziehungen zum nichtgewerkschaftlichen Berufsverband Bildender Künstler. Zwischen den engagierten Linken in der Gruppe und den eher unpolitischen Mitgliedern kommt es immer wieder zu Auseinandersetzungen um die Frage, ob eine Landesgewerkschaft gegründet werden soll.

In der 1947 in München gegründeten Gewerkschaft der geistig und kulturell Schaffenden, einer Vorform der heutigen IG Medien, die Wissenschaftler, Künstler und Publizisten vereint, engagie-
ren sich Friedrich Domin, Claus Hansmann, Albert Heinzinger, Edith Hoereth-Menge, Hannes König, Oskar Neumann, Willy Rösner, Dr. Franz Roh und Josef Seidl-Seitz. Im Herbst 1947 wählt die Gewerkschaft „nach Differenzen über Wahlen und Bereinigung von Mißverständnissen“45 Erwin, der inzwischen mit Louise nach München in die Liebigstraße umgezogen ist, zu ihrem Lan-
desvorsitzenden. Sein wichtigstes Ziel ist, die Gewerkschaftsbewegung für alle vier Besatzungs-Zonen aufzubauen.

Anfang April 1948 protestiert er beim konservativ-klerikalen Kultusminister Aloys Hundhammer gegen die inoffiziell laufenden Beratungen eines Ausschusses im Ministerium, der sich mit Fragen einer künftigen Filmzensur beschäftigt. Erste Eingriffe der Zensur erlebt Helmut Käutner bei den Dreharbeiten zu seinem Film „Der Apfel ist ab“. Adam und Eva sind, obwohl mit Trikots bekleidet, dem Kultusministerium zu nackt. Oehl hält im Juni 1948 eine Protestrede in Geiselgasteig. Dabei sind auch der Komponist Karl-Amadeus Hartmann, der Verleger Kurt Desch, der Schriftsteller Eduard Schmidt-Claudius und natürlich der legendäre Dr. Münzberg, der mit seinen Reihenunter-
suchungen an Unterernährten die gewerkschaftlichen Strategien unterstützt, schließlich die Sänge-
rin Cäcilie Reich, Axel von Ambesser, Adolf Gondrell, Walter Kiaulehn und viele andere.

Anfang 1949 untersagt Kultusminister Dr. Hundhammer als Hausherr der Bayerischen Staatsoper die Aufführung des Balletts „Abraxas“ von Werner Egk. Das dritte Bild des fünfteiligen Librettos zeigt u.a. Szenen (Ritt auf den Blocksberg, Schwarze Messe), die angeblich das sittliche und religiö-
se Gefühl verletzen. Bei einer parlamentarischen Anfrage im Landtag streitet der Kultusminister ab, dass er ein Verbot erlassen habe. Das Stück sei lediglich vom Spielplan abgesetzt worden. Oehl mobilisiert zu Aktionen. Trotz einer breiten Bewegung von Intellektuellen und Künstlern, unter ihnen Kurt Desch, Hanns Helmut Kirst, Hans Schweikart und Max Unold, die gegen Hundham-
mers Vorgehen protestieren, bleibt das Werk auch dann noch abgesetzt, als Hundhammer als Kul-
tusminister den Laufpass erhält.

Beim Gründungskongress des DGB schlägt Oehl die Schaffung eines Kulturpreises des Deutschen Gewerkschaftsbundes vor, der bis heute mit 20.000 Mark dotiert verliehen wird. Ende der 40er Jahre reduziert er sein gewerkschaftliches Engagement. Dafür übernimmt er neue Aufgaben.

Ende 1949 wird Erwin Landesvorsitzender der Gesellschaft für deutsch-sowjetische Freundschaft. 1950 begegnet er in Moskau Ilja Ehrenburg, Gerassimow Semjonow, Gromyko und anderen und hält eine Ansprache im Radio Moskau .

Gemeinsam mit Oskar Neumann und Hannes König, dem Vater des Valentin-Musäums , betätigt er sich in der KPD. Die restaurative Adenauerzeit bringt Louise und Erwin Haussuchungen, allein drei im Jahr 1953. Dass Oehl neben seinem Engagement gegen den politischen und geistigen „Roll-
back“ der 50er Jahre bis zu seinem Tode noch ein unübersehbares Oeuvre schafft, ist mehr als er-
staunlich.

1950 stellt Oehl in der Fränkischen Galerie in Nürnberg aus; am 26. Juni 1953 wird eine Ausstel-
lung mit seinen Werken im Pavillon des Alten Botanischen Gartens in München eröffnet. Am meisten berührt seine „Koreanische Pieta“ , eine Klage gegen die Greuel des Koreakrieges.

So sehr Erwin auch schafft, von seiner Arbeit und von Louises bescheidener Rente können die beiden nicht leben. Louise richtet eine Pension ein und versucht einen Antiquitätenhandel auf-
zuziehen. Wieder ist sie es, die dafür sorgt, dass Tag für Tag das Essen auf dem Tisch steht.

Der Künstler, ein weltläufiger, belesener Mann, der sehenden Auges die verheerenden Zustände seiner Zeit in seine Bilderwelten überträgt und diese so beim Namen nennt, verweigert sich ähnlich wie A. Paul Weber den Notwendigkeiten, die der Marktplatz der Eitelkeiten und des schnellen Gel-
des dem Künstler nahe legt. Der Markt erwartet vom Künstler, Waren zu produzieren, deren Er-
scheinungsform zu ihrem Wesen gerinnt. Oehl stellt nicht mehr aus. Er verkauft einige Bilder an Freunde, an ihm politisch Nahestehende. Ein Porträt Max Wönners, der in den 50er Jahren DGB-Landesvorsitzender in Bayern war, hängt im Münchner Gewerkschaftshaus.

Was Oehl in seinem letzten Essay, den er 1984 Théophile Alexandre Steinlen widmete, über diesen großen Zeichner und Lithographen des Frankreich zwischen Pariser Kommune und Erstem Welt-
krieg sagte, mag mit Fug und Recht auch auf ihn selbst zutreffen:

„Er nahm die Menschen in seiner Umgebung wahr, ihre physische Erscheinung ebenso wie ihre soziale Eingebundenheit. Die unmittelbare Vision seines Gegenüber, jedes Begegnenden als Mit-
mensch und Zeugen der Zeit, die auch die seine war, wurde die Quelle seiner nie versiegenden Kraft als Schilderer aller vom Kapitalismus negativ verzeichneten und lädierten Nächsten … Mit einer zutiefst gehegten Zärtlichkeit des Herzens schilderte er das Menschenpaar, nie tendenziös, nie verzerrt symbolhaft … Er zeigte Mann und Frau in aller möglicher positiver und negativer Problematik des Daseins. Niemals zerstörte er die menschliche Würde in ihrer Einmaligkeit und in ihrem Daseinsrecht – trotz alledem.“
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Erwin Oehls vehementestes Verdikt zeitgenössischer Tendenzen in der bildenden Kunst gegenüber lautete, dass diejenigen, die an der Bewältigung gegenständlicher Abschilderung scheitern, sich notgedrungen abstrahierender Formen bedienen. Die gewaltsame Dekonstruktion von Farben und Formen schien ihm auch Ausdruck selbstzerstörerischer Sehnsüchte zu sein:

„Ob die nun Mode gewordene und sehr offiziell anerkannte Zerstörung des Menschengesichts und Körpers in der Kunst zwingend auf die geistige Vorbereitung, auf die ‘Akzeptanz’, wie man so schön sagt, einer Katastrophe hinwirkt? Nimmt man seherisch die Vernichtung amorpher, ge-
sichtsloser Massen vorweg? Eine analytische Betrachtung des Werkes der vordersten Avantgar-
de läßt den Verdacht aufkommen, dass manche endgültig an der Vermeidung der Weltkatastro-
phe in einem Nuklearkrieg verzweifeln. Das ist ihr gutes Recht! Aber es besteht doch sicher auch das Recht des Nichtverzweifelten, gegen diese Art von Fatalismus zu kämpfen.“
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An einem frostklirrenden Montag, dem 28. November 1988, wird Erwin, der Maler, aber auch Dichter und Politiker, auf dem Münchner Ostfriedhof bestattet. Louise stirbt am 25. Juni 1999 in der Wohnung im Lehel, die sie gemeinsam mit Erwin Ende der 40er Jahre in München bezogen hat.

Günther Gerstenberg
16. Januar 2009

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1 Bemerkungen zum Lebenslauf Erwin Oehls. Handschriftliche Notizen um 1941, Privatsammlung (ab hier: PSlg). Für die freundliche Unterstützung bei der Arbeit an diesem Manuskript danke ich Dr. Claudia Brunner und Ulrike Keuler.

2 Otto Straßer war von 1925 bis 1930 Mitglied der NSDAP, leitete seit 1926 den von seinem Bruder gegründeten Kampfver-
lag, schuf nach seinem Bruch mit Hitler die Kampfgemeinschaft revolutionärer Nationalsozialisten (Schwarze Front); 1933 Emigration nach Wien, dann nach Prag und Kanada; Rückkehr nach München im Mai 1955.

3 Laut Schreiben Gregor Straßers vom 10. Januar 1915 stand auch Paul Straßer schon im Feld. Vgl. PSlg. — Also nicht erst im März 1915! Vgl. Udo Kissenkötter, Gregor Straßer und die NSDAP, Stuttgart 1978, 14.

4 A.a.O., 95.

5 Erwin Oehl zum Autor am 12. März 1988

6 Erwin Oehl zum Autor am 12. März 1988

7 Vgl. Michael Seligmann, Aufstand der Räte. Die erste bayerische Räterepublik vom 7. April 1919, Grafenau-Döffingen 1989, 282f.

8 VIa 1120/23 vom 9. Mai 1923, Stadtrat Landshut an Polizeidirektion Referat VI München am 5. Mai 1923, Pol.Dir. 6706, Staatsarchiv München (ab hier: STAM). — Reichstagsabgeordneter Dr. Wilhelm Hoegner brachte diesen Vorfall noch ein-mal bei einer großen Reichstagsrede am 18. Oktober 1930 zur Sprache, nachdem er von den Nazis ausführlich gestört wor-den war. Allerdings verwechselte er im Eifer des Gefechts das Datum: „(Dauerndes Nazigeschrei.) Herr Strasser, reizen Sie mich nicht, ich könnte sonst erzählen, wie Sie einmal mit einem gewissen Ehrenwort herumgeworfen haben. (Hört! Hört! Links – Strasser: Ich habe kein Ehrenwort gegeben!) Sie haben am 13. November 1923 Ihr Ehrenwort gegenüber der Landshuter Polizei, die Waffen in die Kaserne zu schaffen, gebrochen. (Stürmisches Hört! Hört! links und in der Mitte. – Strasser: Jawohl, diesem System gegenüber immer! – Begeisterter Nazibeifall. – Entrüstungsrufe links und in der Mitte.) Sie bekennen sich also zu dem Grundsatz: Der Zweck heiligt die Mittel! (Strasser: In der Politik, ja! – Großer Nazibeifall. – Hört! Hört! links und in der Mitte.)“ Münchener Post 242 vom 20. Oktober 1930, MInn 81583, Bayerisches Hauptstaats-archiv (ab hier: BayHStA).

9 Bericht des Polizei-Sekretärs N. über eine Unterredung mit einem in der Postenkette auf dem Oberwiesenfeld stehenden Nazi, 2. Mai 1923, Pol.Dir. 6705, STAM.

10 Vgl. Anmerkung 1.

11 Flugblatt der Sozialistischen Arbeiterjugend, Ortsgruppe Amberg, für den 8. März 1924, PSlg.

12 „Deine Wehklagen kenne ich nicht. Bedenke den Brief Deiner Mutter, Deine Fehler werde ich in Zukunft nicht mehr gelten lassen! Laß Dir’s gut gehen!“ PSlg.

13 Brief Max Slevogts vom 24. September 1928 an Erwin Oehl, PSlg.

14 Kissenkoetter a.a.O., 123.

15 A.a.O., 126.

16 Brief Straßers an Oehl vom 7. Juli 1930, PSlg.

17 Erwin Oehl zum Autor am 14. Oktober 1987. Weitere Aktivisten im Komitee: “Frl. Beer, Thomas Mann, Paniza, Dr. Rosenberg, Theo Schäfer (KPD)”. Neue Zeitung 176 vom 13. August 1932, 3 (unpag.)

18 Die letzte Versammlung des Komitees, die für den 4. März 1933 geplant war, verbot die Polizeidirektion München. Vgl. Anmerkung 1.

19 Erwin Oehl an Gerd Gruber am 4. November 1985 und 4. Juni 1986, mit herzlichem Dank an Gerd Gruber für die Information.

20 Vgl. Anmerkung 1.

21 Vgl. Anmerkung 1.„Am 29. Oktober 1907 kam ich auf die Welt. Wir wohnten in der Hohenzollernstraße, und 1913 kam ich in die Hohenzollernschule, die bei Kriegsbeginn im August 1914 gleich geräumt und zur Kaserne umgewidmet wurde. Die Kinder und die Lehrer zogen daher in die Simmernschule in der Clemensstraße um. Diese Straße war in Richtung Münchner Freiheit auf der rechten Seite mit älteren Häusern bebaut; links standen neue Häuser. Nach Westen zu aber kamen noch Wiesen. — Mein Vater war Schuhmacher und, solange ich mich erinnern kann, invalide. Somit war bei uns zu Hause immer ‘Schmalhans Küchenmeister’. Meine Eltern lasen – glaube ich – die ‘Münchner Pest’, wie manche Spötter die SPD-Zeitung nannten. Meine Mutter arbeitete damals für die Molkerei Dallmayr in der Amalienstraße und noch im Mor-gengrauen vor Schulbeginn half ich ihr, die Milch auszufahren. — Als 1919 die ‘weißen Truppen’ München einnahmen, hat meine Mutter recht gejammert. Dennoch waren meine Eltern nicht sehr politisch, zwar kirchlich getraut, aber nicht sehr religiös. Sie ‘praktizierten’ nicht. Der Sohn des Bruders meines Vaters war nicht einmal getauft, so dass er von seinen Mit-schülern beneidet wurde, wenn er anstatt des Religionsunterrichts frei hatte. An die sehr anständige Erziehung durch die Klosterfrauen kann ich mich aber noch gut erinnern. Politik gab es in der Schule nicht. Die Lehrerinnen haben höchstens gegen die drohende ‘Verpreußung’ Bayerns geschimpft. 1921 verließ ich die Schule mit einem ausgezeichneten Zeugnis. Politisch engagierte ich mich in einer der Jugendgruppen des KJVD, des Kommunistischen Jugendverbandes. — Am 20. Juni 1926 wurde über den Volksentscheid gegen die Fürstenabfindung abgestimmt, und ich erinnere mich noch gut an das Plakat mit dem Spruch ‘Siehst du die rote Flut? Rette dein Hab und Gut! Stimme nicht ab!’ Ich habe abgestimmt. Zuerst arbeitete ich als Haushaltshilfe, dann als Kindermädchen, u.a. auch in Heidelberg und war dann von 1928 bis 1933 Arzt-helferin bei einem jüdischen Doktor in der Arcisstraße, der später nach Amerika emigrierte. Meine Eltern waren inzwischen in die Schackystraße nach Pasing, eine eigene Stadt, die noch nicht nach München eingemeindet worden war, gezogen. Sie besaßen nicht einmal ein Radio, aber eine Untermieterin, und wenn diese nicht da war, dann hörte meine Mutter. — Bis zu meiner ersten Verhaftung wohnte ich bei meinen Eltern. Ich selbst war nie arbeitslos, aber zwei meiner Brüder, während der dritte Glück hatte: Er war Arbeiter im städtischen Elektrizitätswerk. Dort wurde nicht ausgestellt, aber es gab Lohnkür-zungen, und ich habe immer gesagt, es ist besser, weniger zu verdienen, als arbeitslos zu sein, denn das war schlimm. Einer meiner Brüder arbeitete auf dem Bau, der verlor gleich seine Arbeit, bekam sie allerdings wieder im III. Reich. So lag die Hauptlast, um die Familie durchzubringen, auf meiner Mutter. — Die Arbeitslosen wurden nicht kriminell oder rebellisch, die waren recht brav. Sie fuhren raus aus der Stadt und haben Holz gesammelt. Im Winter mussten sie Schnee räumen, vor allem die, die noch gut ausgestattet waren mit Kleidung und Schuhwerk, sonst hätte man ihnen gleich die Unterstützung abgezogen. Diese Zeit war grausam, und viele sind in den Anlagen am Sendlingertorplatz herumgesessen und haben um Pfennige Karten gespielt. Meine Arbeitsverhältnisse waren dagegen ausgesprochen gut. Ich wurde nie diskriminiert – man war ja schließlich bei einem Akademiker. Der Hannes König hat öfter erzählt, dass die Arbeitslosen demonstriert haben, und da sollte er selbst auch einmal ins Gefängnis gehen. Oskar Maria Graf, der damals auch für die Rote Hilfe tätig war, riet ihm aber, die paar Wochen halt abzusitzen, was der dann sicher auch gemacht hat, der Hannes – ich weiß es ja nur aus sei-nen Erzählungen.“ Louise Oehl zum Autor am 19. Dezember 1991.

22 „Mit Emma Stenzer, der Frau von Franz Stenzer, dem KPD-Landtagsabgeordneten, der als einer der ersten in Dachau ermordet wurde, war ich am 1. Mai 1931 in Planegg auf der Feier. Da ich dann die illegale Arbeit für die KPD übernahm, ging ich weder auf Parteiversammlungen noch zu Feiern, war nicht in der Gewerkschaft und wurde auch nicht als Mitglied in der Partei geführt. Meine Hauptaufgabe war die Betreuung illegaler Flüchtlinge, von denen ich ausschließlich die Vorna-
men wusste, aus den slawischen Ländern. Ich habe abgeholt, Wohnungen besorgt, Verbindungen hergestellt. Einen Jugo-
slawen habe ich zum Beispiel bei Frau Dr. Landmann in der Türkenstraße untergebracht. Sie war Jüdin; was aus ihr ge-
worden ist, weiß ich nicht. Als ich 1933 meinen letzten Auftrag vor meiner Verhaftung ausführte und einen kranken Flüchtling auf einem Vorortbahnhof im Münchner Westen abholte, traf ich eine Bekannte, die mir durch Augenzwinkern ihre Verhaftung signalisierte. Ich erkannte die Geheimpolizisten, habe sie darauf hin ‘nicht gekannt’ und unauffällig den Bahnsteig wieder verlassen.“ Louise Oehl zum Autor am 19. Dezember 1991.

23 Er forderte die „allgemeine Nähr- und Arbeitspflicht“ und das „Recht auf Arbeit“. Nationalsozialistische Monatshefte. 3. Jg., Heft 28 vom Juli 1932, 289.

24 Straßer war „einer der fähigsten und zugleich skrupellosesten Naziführer“, so Kurt Päzold/Manfred Weißbecker, Ge-
schichte der NSDAP 1920 – 1945, Köln 1981, 88.

25 Zit. nach Münchener Post 68 vom 23. März 1932, 9.

26 Erwin Oehl zum Autor am 14. Oktober 1987.

27 Brief Straßers an Oehl vom 4. April 1933, PSlg.

28 JVollz.A.Landsberg 101, STAM. Wilhelm Oehl starb in Hamburg am 11. April an Krebs. Sein Sohn war bei ihm.

29 Briefabschrift vom 15. April 1933, PSlg.

30 Kissenkoetter a.a.O., 176.A.a.O., 194.

31 A.a.O., 194.

32 Centa Herker-Beimler erinnert sich: „Die Zustände waren furchtbar … Einige Tage nach meiner Einlieferung war plötzlich große Aufregung bei den Aufseherinnen. Dann kam noch der Direktor und der Regierungsrat – kurze Zeit später hat man eine Leiche weggetragen. Beim Hofgang hab ich dann erfahren, dass sich die Knödler Magdalena in der Zelle er-
hängt hat, weil sie alles nicht mehr ausgehalten hat, die Verhaftung ihres Mannes, die Sorge um die drei Kinder zuhause und die Zustände hier in Stadelheim. Wir waren alle ungeheuer betroffen, konnten aber nicht miteinander reden.“ Centa Herker-Beimler, Erinnerungen einer Münchner Antifaschistin, München 1999, 18.

33 Politische Häftlinge suchen sich immer die Arbeit, wo sie mit anderen in Kontakt kommen können, um Notwendiges zu organisieren und Botschaften auszutauschen. Centa Beimler arbeitet in der Waschküche. In gelieferter und abgeholter Wä-
sche kann viel geschmuggelt werden. Vgl. a.a.O., 21f.

34 Notizen, PSlg.

35 PSlg.

36 Dieses erschütternde Ereignis hat Erwin Oehl 1986 auf dem Bild „Begegnung in Regensburg“ festgehalten.

37 Nachlaß Oehl, Institut für Zeitgeschichte (ab hier: IfZ).

38 „Allein für Rechtsanwaltskosten hatte ich etwa 100 Mark zu zahlen.“ Erwin Oehl zum Autor am 12. März 1988.

39 Erwin Oehl zum Autor am 14. Oktober 1987.

40 Nachlaß Oehl, IfZ.

41 „… Es hatte sich auch bei der Gestapo herumgesprochen, dass ich aus dem Bürofach kam, und so musste ich auf An-
weisung eines Beamten die Häftlinge bei der Ankunft genau registrieren. Fast jeden Tag kamen da Transporte mit Frauen, die meist nur über Nacht blieben und dann wieder weitergeschickt wurden in Gefängnisse oder in Lager. Eines Tages war unter den eingelieferten Frauen auch die Genossin Louise Oehl, mit der ich in Stadelheim war. Wir konnten leider nicht reden, wir konnten uns nur anschauen …“ Centa Herker-Beimler, a.a.O., 35.

42 Nachlaß Oehl, IfZ.

43 Vgl. Augsburger Anzeiger 1 vom 13. Juli 1945, 1.

44 Die Entschädigung für Erwin Oehl belief sich auf 3.150 Mark.

45 Erwin Oehl zum Autor am 14. Oktober 1987.

46 Erwin Oehl, Théophile Alexandre Steinlen, 1859 – 1923, im Ausstellungskatalog: Sonderausstellung „Théophile Alexan-
dre Steinlen und der Simplicissimus“, April bis September 1984 im Valentin-Musäum, München 1984, unpag.

47 Zit. nach Günther Gerstenberg, Zur Erinnerung an Erwin Oehl, in: Tendenzen. Zeitschrift für engagierte Kunst 167, Juli/ September 1989, 50.

Überraschung

Jahr: 1968
Bereich: Kunst/Kultur

Referenzen