Materialien 1968

Zweite Folge des „Jugendseminars für Geschlechtserziehung“

Wegen des großen Interesses, das das 1. öffentliche „Jugendseminar für Geschlechtserziehung“ der HU bei der angesprochenen Jugend und in der Öffentlichkeit fand, wird die Bundesgeschäftsstelle diese Einrichtung in regelmäßigen Abständen in München weiterführen und ab Herbst dieses Jah-
res auch auf andere Großstädte übertragen. Die zweite Folge des Seminars fand im März bereits in München statt. Auf dem Programm standen wieder an fünf in Wochenintervallen folgenden Vor-
trags- und Diskussionsabenden die Themen:

„Die seelische Entwicklung vom Kind zum Erwachsenen“
„Der körperliche Werdegang des Menschen von der Zeugung bis zur Geschlechtsreife.“
„Wie entsteht Liebesfähigkeit und wodurch wird sie gefährdet?“
„Geburtenregelung und geschlechtliche Hygiene“
„Die jungen Leute, die Liebe und die Sexualität.“

Als Referenten für den medizinischen und biologischen Teil konnten wir den bekannten Gynäkolo-
gen Professor Dr. Gerhard Döring gewinnen. Die Leitung hatte wieder der ehemalige Münchner Stadtjugendamtsdirektor und Psychologe Kurt Seelmann.

Auch die zweite Folge des Jugendseminars fand soviel Zuspruch, dass die vorhandenen Plätze nicht für alle Interessenten ausreichten. Eine vorher veranstaltete Pressekonferenz führte erneut zu ausführlichen Berichten in der Bundespresse und im Fernsehen. Das Dritte Programm des Bayerischen Fernsehens zeichnete zusätzlich den Eröffnungsvortrag von Kurt Seelmann ganz auf. Eine große Frauenzeitschrift hielt alle fünf Abende einschließlich der Diskussion auf Tonband fest und will die gesamte Reihe in komprimierter Form noch in diesem Jahr veröffentlichen. Ein Ju-
gendbuch-Verlag bereitet darüber hinaus die Herausgabe des HU-Jugendseminars zur diesjäh-
rigen Buchmesse vor.

Wie die Jugendlichen selbst über Stil und Inhalt des Seminars denken, sollen die folgenden Zitate zeigen:

Ein Berichterstatter der Münchner Schülerzeitschrift „Veto“ schrieb:

„… Mit beispielhafter Offenheit spricht man hier im Hörsaal der Münchner Poliklinik über ge-
schlechtliche Vereinigung, Homosexualität oder Onanie (Selbstbefriedigung). Die Vorträge werden in einer modernen, aufgeschlossenen Art gebracht. Vor uns stehen keine Moralapostel; es geht nur um eine klare Herausstellung der ethischen Begriffe …“

Eine junge Büroangestellte, die am 1. Seminar teilgenommen hatte, erklärte auf der erwähnten Pressekonferenz: „In der Schule und zu Hause habe ich praktisch nichts über das Geschlechtsleben gehört, Jetzt fühle ich mich nicht nur aufgeklärt, sondern auch viel unbefangener im Umgang mit Jungen.“

128 Unterschriften trug der folgende Brief einer Karlsruher Schülerin an das Erste Deutsche Fern-
sehen in Hamburg:

„Sehr geehrte Herren,

am 29. Januar 1968 hatten wir Gelegenheit, in Ihrer Sendung ,Panorama’ um 20.15 Uhr, Aus-
schnitte aus einem Seminar für sexuelle Aufklärung aus München zu sehen. Wir waren von der Sauberkeit und Klarheit dieser Darstellung sehr beeindruckt und sind der Auffassung, dass eine solche Aufklärung nicht nur auf einen kleinen Kreis von Bevorzugten begrenzt sein sollte. Da offensichtlich Schwierigkeiten bestehen, allen jungen Menschen dieses Wissen in der gezeigten Weise zugänglich zu machen, möchten wir sehr ernst und nachdrücklich darum bitten, ein solches Seminar mit diesem ausgezeichneten Lehrer für uns alle ganz im Fernsehen zu bringen.

Aus der beigefügten Unterschriftsliste ersehen Sie das Interesse, das diesem Anliegen entgegen-
gebracht wird.

Wir danken Ihnen für alles, was Sie in dieser wichtigen Sache für uns tun werden und grüßen Sie freundlich …“

Ein Fernseh-Kritiker in Springers Funkzeitschrift „Hör zu“ fand dagegen, in dem Münchner Semi-
nar sei die Aufklärung Jugendlicher „ beklemmend unverklemmt “ geschehen!


Mitteilungen der Humanistische Union 34 vom Januar/März 1968, 7 f.

Überraschung

Jahr: 1968
Bereich: SchülerInnen

Referenzen