Materialien 1969
Zur Sache
Die Abschaffung des § 218 sollte genauso unbefangen diskutiert und unmissverständlich gefördert werden wie die Abschaffung einer Reihe von anderen Paragraphen des geltenden Strafgesetzbuches, über deren Antiquiertheit und Inhumanität man sich inzwischen weitgehend einig ist. Selbstverständlich ist die Abtreibung weder medizinisch noch moralisch eine befriedigende Lösung. Solange aber die medikamentösen und sozialen Voraussetzungen für eine sicher wirkende und jedermann zugängliche Konzeptionsverhinderung nicht geschaffen sind, gehört zum Verfügungsrecht jeder Frau über ihren Körper auch das Recht, darüber zu bestimmen, ob sie ein Kind zur Welt oder nicht zur Welt bringen will; jedenfalls bis zu jenem Zeitpunkt der Schwangerschaft, von dem ab das Embryo lebensfähig wäre.
Zur Veröffentlichung der Reportage in konkret
Der Artikel ist sachlich geschrieben, sein Inhalt vernünftig. Er schildert das Wirken einer Gruppe, die sich in der Tat nach den heute geltenden Gesetzen strafbar macht. Aber er fordert keineswegs dazu auf, nun den Kontakt mit dieser Gruppe aufzunehmen. Sonst müsste man alle die vielen Schilderungen in unseren Zeitungen und Zeitschriften, etwa über die Tätigkeit von Rauschgiftringen oder sizilianischen Räuberbanden, für eine Aufforderung halten, sich am Handel mit Rauschgift zu beteiligen oder in der Mafia mitzuwirken. überdies geht es hier um eine Sache, bei der auch der konservativste Zeitgenosse denjenigen, die dazu auffordern, sich nicht an die Gesetze zu halten, die ethische Absicht und Haltung gerade nicht absprechen kann. Und was speziell die Jugendgefährdung angeht, so besteht sie hier nun wirklich und buchstäblich nicht in zu früher und – genauer und zu später Aufklärung.
Dr. Gerhard Sczesny, Vorsitzender der Humanistischen Union, München
konkret. Monatszeitung für Politik und Kultur 4 vom 10. Februar 1969, 12.