Materialien 1969
Der rechte Schmied
Vom bloßen Wünschen ist noch keiner satt geworden. Es hilft nichts, ja schwächt, wenn kein scharfes Wollen hinzukommt. Und mit ihm ein scharfer, umsichtiger Blick, der dem Wollen zeigt, was getan werden kann. All das aber tritt nicht zuletzt dadurch ins Freie, dass der Einzelne, der bloß Jeweilige sein sogenannt Je-meiniges nicht so wichtig nimmt. Soll heißen: nicht kleinbürgerlich wichtig nimmt, weder weitersehend noch weitersehen wollend als bis zu seiner Nase. Der so bloß enge Mensch kann sich zwar an gemeinsamen Vorgängen beteiligt fühlen, solange und soweit sie ihn selber zeitweise angehen. Doch ist das erledigt, so zieht sich der allzu Private bis auf weiteres wieder in sein Befinden zurück. Er legt die Karten des gemeinen Wohls, als eines ihm bloß äußerlich erscheinenden, auf den Tisch und bietet Feierabend. Aber nun wäre wieder dieser Typ kaum so ohne seinen entgegengesetzten Bruder: den völlig betriebshaften . Wie er sogar, wider die Sache, nicht nur als bürgerlicher, als so entseelter und verdinglichter, noch vorkommen mag. Sein Selbersein geht dann nicht so sehr in einen kleinen engen Wigwam spießig oder auch snobistisch hinein und privat unter, es löst sich vielmehr in lauter äußeren Beziehungen auf. So kommt hier nun bloßer betrieblicher Schnellauf, wenn auch gegebenenfalls in öffentlichem Nutzen. Und weil dahin wenig Eigenes, Menschliches, Ausdrückliches mehr eingeht, sondern mehr nur geborene oder gemachte Null, so entsteht oft auch wenig wirklicher Nutzen. Denn eine Gruppe ist meist nicht mehr wert als diejenigen, welche sie bilden, und Geschäftiges, worin sich niemand bewegt, wird schließlich nur Wiederholtes, folglich Stockung. Gemachte wie freiwillige Nullen addieren sich nicht, und getretener Quark wird breit, nicht stark. Am schlimmsten, wenn eine Gruppe zwar halb rot geworden, aber in der anderen Hälfte ebenso kleinbürgerlich, und diese andere Hälfte all die edlen Eigenschaften des Spießers überliefert, anerzieht und fortentwickelt. Da ist nicht nur die Liebe zum äußeren Kitsch, sondern noch bedenklicher würde die Erzeugung von menschlichem Kitsch, ja von Entartung menschlicher Beziehungen sein, mitten im Aufstieg zu den freisten und kühnsten Zielen. Die Bahn wird dadurch nicht gesperrt, gewiss nicht, aber sie wird erschwert und ist künstlich daran verhindert, eine so frische zu bleiben, wie sie es ist, und eine weithin anziehende. Daher werden geschulte Menschen, die rechten Schmiede unseres Glücks, sich umtun müssen, ohne dass sie sich verlieren. Und ebenso wieder betreiben sie das Ihre mit so gemeinsamem Willen und Blick, dass daran nicht nur das Ihre als Einzelnes, allzu Privates bleibt. So überzeugend gehen dann Kampf wie Hilfe an, und es findet sich weder bloß enges Befinden noch bloß leer Abgerichtetes. Wobei es zur befreienden Hilfe gehört, dass sie auch zu lächeln vermag.
Ernst Bloch
Ernst Bloch, Karl Marx und die Menschlichkeit. Utopische Phantasie und Weltveränderung, Reinbek bei Hamburg 1969, 118 f.