Materialien 1969

„Wenn Sie noch einmal kommen, dann ...“

Das Zimmer, das ich in der Elisabethstraße gemietet hatte, kostete mit Telefonbenutzung 220 Mark. Die Hauswirtin kümmerte sich sehr um mich und die anderen zwei Studenten, denen sie ebenfalls untervermietet hatte, um ihre eigene Miete zahlen zu können.

Am 20. Februar 1969 ging ich durch die Uni, schaute bei einem Teach-In im Audimax vorbei und schlenderte dann noch rüber zur Kunstakademie. Da entdeckte ich erstaunt, dass die Eingangstür versperrt war und auf einem kleinen Zettel stand, dass das Haus geschlossen sei und die Studenten irgendwo ihre Sachen abholen könnten. Mir war schnell klar, dass diese formlose Verfügung den gesetzlichen Vorschriften auf gar keinen Fall genügte. Schließlich war ich Student der Jurisprudenz. Also ging ich nach Hause, setze einen Schriftsatz auf meiner Reiseschreibmaschine auf, den ich an das Bayerische Verwaltungsgericht adressierte und begab mich wieder zur Kunstakademie, da der Einspruch am besten vom AStA-Vorsitzenden zu unterschreiben war.

Wie ich ankam, war gerade der Rest der Studierenden, die die Türe aufgebrochen hatten, im Haus verschwunden. Ich kletterte hinterher und suchte den Vorsitzenden Wieland Sternagel, dem ich auseinandersetzte, dass die Anordnung des Kultusministeriums angreifbar war. Sternagel dachte sich, dass ich einen an der Waffel habe, aber es konnte ja nichts schaden, meinen Einspruch zu unterschreiben.

Ja, ich wollte wieder gehen, da hieß es, die Polizei habe das Gebäude umstellt. Es gab keine Chance, das Haus zu verlassen. Nun gut, wir wurden einzeln hinausgetragen und in den Wannen in die Ettstraße gefahren. Hier verbrachten wir die Nacht und wurden am nächsten Morgen ID-behandelt und verhört.

Am späteren Vormittag freigelassen ging ich erst einmal zum Höflinger und frühstückte. Inzwischen war die Polizei bei meiner Zimmerwirtin, zeigte das „Verbrecherfoto“ von mir vor und fragte sie, ob ich der hier Abgebildete sei. Ganz klar ein Akt der Einschüchterung. Meine Zimmerwirtin war empört und meinte, „wenn Sie noch einmal kommen, werde ich das seiner Mutter berichten“. Dies war durchaus als Drohung an die Polizei aufzufassen.

Langer Rede kurzer Sinn: Ich ging zum Verwaltungsgericht, gab dort meinen Einspruch ab und am 26. Februar war die Kunstakademie wieder offen. Die Leute im Kultusministerium waren wütend …


Rechtsanwalt Hartmut Wächtler am 2. Juli 2010

Überraschung

Jahr: 1969
Bereich: Kunstakademie

Referenzen