Materialien 1971

Bruckmann – Betrugsmanöver auf der Betriebsversammlung

Am Anfang wartete alles auf Bruckmann-Boß Stiebner. Ohne ihn durfte offensichtlich nicht angefangen werden. Als Stiebner endlich antanzte, kugelte sich der Betriebsratsvorsitzende Köhler fast vor Begeisterung. Ein armer Irrer klatschte tatsächlich Beifall. Als keiner mitmachte, ließ er es aber auch. Vielleicht sollte es ein Witz sein.

Der Betriebsratsvorsitzende Köhler fand überschwengliche Worte, als er Stiebner begrüßte. Offensichtlich kostete es ihn ganz schön Selbstbeherrschung, dem Bruckmann-Boß nicht vor versammelter Mannschaft die Füße zu küssen.

Köhler – ein typischer Kapitalistenknecht

Böse Zungen behaupten, daß Köhler den Betriebsratsposten hauptsächlich als Möglichkeit sieht, um bequem ins Rentenalter zu kommen. Die Anhänger dieser Auffassung dürften sich während der Betriebsversammlung vervielfacht haben. Denn was Köhler in seinem Rechenschaftsbericht als Erfolge seiner Tätigkeit anpries, war schlechtweg lächerlich.

So sehen Köhlers Erfolge aus:

An erster Stelle seiner „Erfolgsliste“ nannte Köhler die neuen Bänke, die in der Grünanlage aufgestellt worden sind. Er entblödete sich nicht, sein Bedauern darüber auszusprechen, daß so wenige Kollegen auf diesen schönen Bänken sitzen. Da die Bruckmann-Schlipse es schon für ein grauenhaftes Bild halten, wenn Arbeiter überhaupt Brotzeit machen, kann Köhler sich vielleicht zusammenreimen, warum die Kollegen während der Arbeitszeit so selten in der Sonne sitzen.

Außer den neuen Bänken konnte Köhler so gut wie nichts vorweisen. Er redete noch allgemein von sozialen Hilfen in Einzelfällen. Ansonsten faselte er hauptsächlich noch von Kantinenstühlen, an denen die Kolleginnen sich Laufmaschen holen, von Malerarbeiten, die unbedingt ausgeführt werden müßten, predigte faires Parken … Man konnte sich wirklich nur wundern, wie Köhler so den lieben langen Arbeitstag totschlägt. Dafür sagte er über unsere tatsächlichen Probleme kein Wort. Kein Wort über die Entwicklung im Buchdruck, kein Wort über die Arbeitsplatzbeschreibung, die die Bruckmann-Bosse vorbereiten. Gerade über den letzten Punkt hätte Klarheit geschaffen werden müssen. Statdessen schwärmte Köhler von dem Glas Sekt, das er hin und wieder mit der Geschäftsleitung trinken darf.

An vielen Stellen seines Berichts wurde Köhler von den Kollegen ausgelacht. Das ist wahrhaftig verständlich. Trotzdem ist Gelächter in diesem Fall nicht die richtige Konsequenz. Die richtige Konsequenz, die wir aus der Arschkriecherei Köhlers ziehen müssen, heißt:

KÖHLER MUSS WEG!

Stiebners Märchenstunde

Bruckmann-Boß Stiebner tischte uns so ziemlich alle Märchen auf, die die Kapitalisten seit eh und je verbreiten, um ihre Profitgier zu rechtfertigen und die Arbeiterklasse von dem einzig richtigen Weg – dem Weg des konsequenten Klassenkampfes gegen die Kapitalisten – abzulenken.

Stiebners Märchen Nr. 1: Die Arbeiter sind schuld an der Krise

Nachdem Stiebner so nebenbei erzählt hatte, daß Bruckmann von 1969 auf 1970 den Umsatz um 19 Prozent gesteigert hat, und damit um 2 Prozent über dem Branchendurchschnitt liegt, prophezeite er für 1971 eine Verschärfung der Krisenentwicklung. Besonders für den Buchdruck sieht Stiebner schwarz. Die Zahlen über die Stillstand-Zeiten bei Bruckmann dokumentieren, daß der Bruckmann-Buchdruck sich allerdings auf dem Krisenrutsch befindet.
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Interne Mitteilung vom 29. Dezember 1970
BUCHDRUCKAUSLASTUNG

Nachdem der Auftrag über die Nachdrucke der Klinischen Visite nun doch wesentlich geringer ausgefallen ist, als ursprünglich angefragt, hat sich die Situation im Buchdruck verschlechtert.

Mit normaler Arbeitszeit sind die nachstehenden Maschinenklassen wie folgt ausgelastet:

OHZ 54 × 72 cm bis etwa Ende Febr.
Super OHZ 84 × 89 cm bis Ende Januar
Miller 76 × 104 cm bis Ende Januar, wobei bereits im 1. Monat 1971 kleinere Lücken sind
2-Touren-Maschinen 78 × 112 cm bis Anfang Febr.

Auf der ZBR haben wir bis etwa Ende Januar außer Foto-Magazinen nichts eingeplant. In den ersten zwei Wochen Februar läuft der Umschlag Kunkel und danach ist bis Beginn der Baur (Mitte März) außer Foto-Magazinen nichts eingeplant.

Wir müssen deshalb unbedingt die Akquisition von Buchdruckaufträgen verstärken.

gez. Kreitmair

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MASCHINENAUSLASTUNGEN
(Interne Mitteilungen seit 13. Januar 1971)


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Nach alter verlogener Kapitalistenmanier behauptete Stiebner, der Marsch der Buchdruckabteilung in die Krise sei durch Lohnsteigerungen verursacht worden. Dazu ist allgemein zu sagen, daß die Krise im Kapitalismus durch die Unvernünftigkeit des kapitalistischen Systems selbst entsteht. Im Kapitalismus wird ja nicht nach einem wirtschaftlichen Gesamtplan produziert, um die Bedürfnisse der Menschen zu befriedigen. Vielmehr heizt der Kapitalist die Produktion planlos an, weil jeder Kapitalist in seiner ungehemmten Profitgier einen möglichst großen Marktanteil erobern will. So werden mehr Waren produziert, als die Kapitalisten profitträchtig verkaufen können. Um zu verhindern, daß die Preise sinken und ihr Profit in die Binsen geht, stoppen oder drosseln die Kapitalisten dann die Produktion, legen Maschinen und ganze Werke still, führen Kurzarbeit ein und entlassen die Arbeiter. Nichtabsetzbare Waren werden vernichtet. Der Staat sorgt dafür, daß die Kapitalisten dabei keinen Schaden nehmen, indem er ihnen – wie z.B. 1966/1967 – für jede nichtgeförderte Tonne Steinkohle unsere Steuergelder als Stillegungsprämien zuschustert. Das sind Ursachen und Verlauf der Wirtschaftskrisen im Kapitalismus. Die Löhne spielen dabei nur eine nebensächliche Rolle.

Was die Druckindustrie betrifft, so ist ihr Umsatz von 1969 auf 1970 von 8.456,3 Mio. um 1.128,1 Mio. auf 9.584,4 Mio. gestiegen, während die Löhne nur um 387,7 Mio. gestiegen sind.

Für die Buchdruckabteilung von Bruckmann kriegt die Sache noch einen besonderen Anstrich. Dort hat sich nämlich die Belegschaftsstärke seit 1968 um mehr als ein Fünftel verringert. Daß bei dieser Entwicklung die Lohnkosten gleichzeitig so gestiegen sein sollen, daß sie zu der Krise im Bruckmann-Buchdruck geführt haben sollen, ist geradezu lächerlich. Richtig ist, daß die Bruckmann-Bosse in der Buchdruck-Abteilung systematisch Arbeitsplätze abzubauen begonnen haben, um in der Krise ihre Profite zu sichern.

Um Stiebners Betrugsmanöver richtig einzuschätzen, braucht man sich nur folgendes zu überlegen: während die Bruckmann-Bosse uns ständig die Ohren volljammern, vergrößern sie ihren Konzern laufend.

Wo kam z.B. das Geld her, mit dem Lipp gekauft wurde, wenn es nicht den Bruckmann-Kollegen abgepreßt wurde? – Vielleicht aus Stiebners heimlichen Sparstrumpf?

Stiebners Märchen Nr. 2: Die Arbeiter sind schuld an der inflationären Entwicklung

Als zweites Märchen tischte Stiebner natürlich die Lohn-Preis-Spirale auf. Die Preissteigerungen sollen also die Folge von Lohnsteigerungen sein. Damit soll den Arbeitern die Schuld an der Inflation in die Schuhe geschoben werden. So hätten’s Stiebner und Konsorten wohl gern. Aber die Realität sieht anders aus und Stiebner und Co. wissen das ganz genau. Tatsache ist nämlich, daß die Kapitalisten die Preise festsetzen. Ihr einziges Kriterium dabei ist, so viel wie möglich aus dem Markt herauszuholen. Letztlich bestimmt also das Verhältnis von Angebot und Nachfrage den Preis einer Ware. Die Löhne könnten so niedrig wie nur was sein, trotzdem würden die Kapitalisten nicht aufhören, durch überhöhte Preise kräftig abzusahnen. Umgekehrt könnten die Löhne – was natürlich illusorisch ist – um ein Vielfaches steigen, aber trotzdem könnten die Kapitalisten nicht einfach die Preise erhöhen, wenn die Nachfrage nach dem Produkt gering ist. Die Höhe der Löhne und die Höhe der Preise sind also zwei Dinge, die miteinander so gut wie gar nichts zu tun haben. Wie verlogen es ist, wenn gerade Kapitalisten wie Stiebner das Märchen von der Lohn-Preis-Spirale verbreiten; sieht man schon daran: in der Druckindustrie ist der Anteil der Löhne am Umsatz von 1969 auf 1970 um rund 1 Prozent gestiegen, aber die Druckkapitalisten erhöhten die Preise trotzdem um 7,6 Prozent. Vielleicht kann Stiebner uns diesen Widerspruch einmal erklären?

Stiebners Märchen Nr. 3: So wie es ist, ist es für alle das Beste

So ungefähr kann man den letzten Teil von Stiebners Märchenstunde zusammenfassen. Als erstes pries er uns den letzten Tarifabschluß als gerade noch vertretbar. Damit wollte er uns offensichtlich einreden, die Herren von der IG Druck und Papier-Führung hätten für uns herausgeholt, was herauszuholen war, aber gleichzeitig eben auch „wirtschaftliche Vernunft“ gezeigt. Wir haben schon während und nach der Tarifrunde gesagt, was wir von einer „wirtschaftlichen Vernunft“ halten, die zu einem Tarifergebnis führt, das praktisch schon jetzt durch die Preissteigerungen aufgefressen ist. Interessant ist aber, welcher Lobhudelei sich Kapitalisten wie Stiebner befleißigen, wenn es um den DGB-Apparat geht. Diese Herren wissen genau, daß sie hier einen treuen Bundesgenossen zur Seite haben.

Da war es schon nicht mehr verwunderlich, daß Stiebner uns auch noch das neue Betriebsverfassungsgesetz schmackhaft machen wollte. Er wurde richtig poetisch, als er davon schwärmte, was für eine gute Grundlage das BVG doch für die „Zusammenarbeit“ abgeben würde. Wir glauben dem Ausbeuter Stiebner gerne, daß ihm ein Gesetz gefällt, daß den Arbeitern alles verbietet, was den Betriebsfrieden (sprich: Profitinteresse der Kapitalisten) auch nur beeinträchtigen könnte. Wir glauben ihm gerne, daß ihm ein Gesetz gefällt, daß es zur Hauptaufgabe der Betriebsräte, im Interesse der Bosse für Ruhe und Frieden zu sorgen. Stiebners Begeisterung für dieses Gesetz verrät uns aber nur, was wir ohnehin schon wußten: dieser Staat macht Gesetze, die den Interessen der Kapitalisten dienen, dieser Staat ist ein Instrument der Kapitalistenklasse.

Bitte bedenken Sie, dass die Firma Bruckmann KG ein Privatunternehmen ist!

Diesen Ausspruch tat Stiebner so ziemlich gegen Ende seiner Rede. Wir wissen genau, daß es sich hier um kein Märchen handelt. Tatsächlich schuften wir Tag für Tag in die Taschen von ein paar Ausbeutern, die sich dann großkotzig vor uns hinstellen und tönen: „Das ist unser Privatbesitz!“ Die Frage ist, ob das so bleiben soll. Die Antwort auf diese Frage liegt bei uns, bei der Arbeiterklasse. Wenn wir den Weg des konsequenten Klassenkampfes gehen, wird es in Zukunft Betriebsversammlungen geben, auf denen wir sagen können: Das gehört dem Volk, denn das wurde vom Volk erarbeitet!

Kollegen, organisieren wir diesen Kampf.

Organisieren wir uns in der ROTEN DRUCKEREIARBEITERGRUPPE DER KPD/MARXISTEN-LENINISTEN!

KOMMT ZUM ARBEITERZIRKEL DER KPD/MARXISTEN-LENINISTEN!


Der Druckerei Arbeiter 4 vom September 1971, 2 ff.