Materialien 1971
Griechische Note
Forderte der Bayerische Rundfunk zum Umsturz auf?
Der griechische Generalkonsul Economou hat sich wieder einmal bei der Bayerischen Staatskanzlei über eine Sendung des Bayerischen Rundfunks beschwert. Ministerpräsident Goppel leitete die „Note“ des Generalkonsuls umgehend dem Bayernfunk-Intendanten Wallenreiter zu: „Da Sie meine Auffassung zu diesem Themenkreis kennen und insbesondere wissen, dass meines Erach-
tens ,Anzeigen’, die zu aktivem Widerstand aufrufen und durchaus als Aufforderung zu tätlichem Angriff auf die genannten Konsulatsangehörigen verstanden werden können, nicht über den Bayerischen Rundfunk verbreitet werden können, darf ich mich insoweit kurz fassen. Der Herr Bundesminister des Auswärtigen ist von hier entsprechend unterrichtet worden.“
Die „Anzeige“ war ein Protest der kommunistisch inspirierten PAM (Panhellenische Antidiktatori-
sche Front). Der PAM-Protest wendet sich gegen den in München residierenden Griechen-Konsul Christos Tsalikis, der am 12. Juni 1971 auf Grund des griechischen Gesetzes Nr. 4310 von 1929 dem in Traunreut lebenden Griechen Thanassis Vitkos, den Pass entzogen hat. Das vom Bayerischen Rundfunk für die ARD produzierte griechische Programm (landläufig als Gastarbeitersendung be-
kannt) sendete am 2. Juli eine Nachricht über diesen Protest mit folgendem Zitat aus dem Flug-
blatt: „Dieses Vorgehen des griechischen Konsuls in München zeigt erneut die tief volksfeindlich-faschistische Natur des heutigen griechischen Regimes.“ Die Organisation PAM-Bayern, so die Rundfunknachricht weiter, unterstreiche die „persönliche Verantwortung“ des Konsuls Tsalikis und fordere die deutschen Behörden auf, „die griechischen Arbeiter vor der groben Verletzung der Menschenrechte und der demokratischen Grundrechte zu schützen. Es ist unannehmbar“, so werde in der PAM-Bekanntmachung betont, „dass die Griechen, die in einem Land mit demokra-
tischer Verfassung und demokratischen Gesetzen leben, einem volksfeindlichen, diktatorischen Regime ausgesetzt sind.“
In dieser kommentarlos zitierenden Nachricht des Bayerischen Rundfunks sieht Generalkonsul Economou die Aufforderung des Bayerischen Rundfunks „zur umstürzlerischen Tätigkeit gegen das rechtmäßige Regime meines Landes“. Für das Generalkonsulat, insbesondere aber für Konsul Tsalikis erbittet Economou daher unauffälligen bayerischen Polizeischutz.
Nach Lage der Dinge bedeutet die Intervention des Generalkonsuls nur das Abwürgen der von Pavlos Bakojannis redigierten deutschen Griechen-Sendung. Verständnis für das Streben der Athener Diktatoren, die freie Griechen-Information auf deutschem Boden abzustellen, hatte be-
reits im Frühjahr Paul Frank, Staatssekretär des Auswärtigen Amtes, bewiesen. Ein anderes Athener Kreise verstimmendes Nachrichten-Vorkommnis hatte Frank im April veranlasst, den Bayernfunk-Intendanten namens der Bundesregierung zu bitten, „alles zu tun, um eine Wieder-
holung solcher Vorkommnisse zu vermeiden, die geeignet sind, den außenpolitischen und wirt-
schaftlichen Interessen der Bundesrepublik Deutschland schweren Schaden zuzufügen“.
Nicht ohne Hinweis auf diese Korrespondenz, meldete sich nun am 13. August der Staatssekretär erneut bei Intendant Wallenreiter. Von Ministerpräsident Goppel „entsprechend unterrichtet“, glaubt Frank dem Generalkonsul Economou aufs Wort: Hat der Bayerische Rundfunk „nach Mit-
teilung der griechischen Regierung … ein Flugblatt der ,Panhellenischen Befreiungsfront’ (PAM) in vollem Wortlaut verlesen …“ (tatsächlich wurde das Flugblatt nur in Auszügen verlesen). Um Ver-
pflichtungen der Bundesregierung auf Grund des Wiener Konsular-Übereinkommens vom 24. Juni 1963 gerecht zu werden, „wende ich mich mit der dringenden Bitte an Sie, sehr geehrter Herr In-
tendant, dafür Sorge zu tragen, dass Sendungen dieser Art unterbleiben“ – da u.a. geeignet, „den auswärtigen Beziehungen unseres Landes Schaden zuzufügen“.
Es muss ein Vergnügen für den stellvertretenden Intendanten Walter von Cube gewesen sein, Staatssekretär Frank zu antworten: „Aus dieser kommentarlosen nachrichtlichen Wiedergabe einer oppositionellen Äußerung, die auch hinsichtlich der eigenen Regierung und ihrer Maßnahmen zu den journalistischen Selbstverständlichkeiten in Presse und Rundfunk demokratischer Staaten ge-
hört, auf eine gezielte und unerlaubte Drohung des Bayerischen Rundfunks gegen die Person des Konsuls, Herrn Tsalikis, zu schließen, ist absurd.“
Wie absurd die Griechenland-Politik des sich hierbei bisher unwidersprochen mit der Bundesre-
gierung identifizierenden Staatssekretärs Frank ist, dürfte AA-Ministerialdirigent Klaus Simon gespürt haben: Auftrags des urlaubshalber abwesenden Staatssekretärs ließ er inzwischen den Bayerischen Rundfunk wissen, Herr Staatssekretär habe sich in keiner Weise die Auffassung der griechischen Behörden zu eigen gemacht, sondern sie lediglich mitgeteilt. Nunmehr bittet das Auswärtige Amt um den Wortlaut der Nachrichtensendung vom 2. Juli, zwei Wochen nach Franks Brief mit der „dringenden Bitte …, dafür Sorge zu tragen, dass Sendungen dieser Art unterbleiben“.
Ansgar Skriver
Die Zeit 37 vom 10. September 1971; www.zeit.de/1971/37/griechische-note