Materialien 1972
Zwei Nächte vor der Entlassung ...
der Angela Davis aus ihrer kalifornischen Einzelzelle gegen hohe Kaution brachten unbekannt gebliebene Demokraten im leeren Giebelfeld der klassizistischen Fassade der Bayrischen Staatsoper die meterhohe Inschrift „Freiheit für Angela Davis!“ an. Allein die bis heute unaufgeklärte Anbringung der Parole an dem fast 20m über dem hell erleuchteten Residenzplatz gelegenen Giebel faszinierten Presse und Münchner Öffentlichkeit derart, dass dieser Solidaritätsaktion umfassende Publizität zuteil wurde. Hinzu kam der Affront gegen die reaktionäre Baupolitik der bayrischen CSU-Lobby: gegen den Protest breiter Kreise wollten die Gschaftlhuber vom bayrischen Kultusministerium den im Kriege beschädigten klassizistischen Giebelschmuck der Oper durch eine auf antik stilisierte Figurengruppe des Münchner Starplastikers Georg Brenninger (Haus der Kunst in München seit 1940) ersetzen. Die Interviews der Münchner „Abendzeitung“ mit Münchner Bürgern über den neuen Giebeldekor fielen entsprechend hämisch aus: eine würdigere und passendere Gestaltung dieser umstrittenen Fläche könne er sich gar nicht denken, höhnte ein Kunsthistoriker. Und: „Schade nur, dass man diese Inschrift zweifellos rasch beseitigen wird.“
tendenzen. Zeitschrift für engagierte Kunst 82 vom April/Mai 1972, 54.