Materialien 1972

Betreff: Beschwerde des BBK München beim Bayer. Rundfunk

Berufsverband bildender Künstler München e.V.
München, 16. August 1972

Sehr geehrte Herren!

Anlass zur Beschwerde waren zwei Sendungen des Bayer. Rundfunks, die von unseren Mitgliedern nicht widerspruchslos hingenommen wurden. Es handelt sich einmal um die Sendung „Das Notizbuch“ vom 14. Juli 1972 (Hörfunk), in der unter anderem über die künstlerische Ausgestaltung von Schulen und Kindergärten gesprochen wurde.

Wie den zahlreichen Anrufen zu entnehmen war, musste der unbefangene Hörer den Eindruck gewinnen, dass derartige „Kunstwerke“ völlig überflüssig seien, also Steuergelder sinnlos verschleudert werden.

Die zweite Sendung, über die unsere Mitglieder nicht weniger empört waren, war ein Beitrag zur Frage der Sicherheit bei den Olympischen Spielen, der in der „Abendschau“ vom 21. Juli 1972 ausgestrahlt wurde. Hierin wurden ebenfalls – den Anrufen zufolge – Künstler mit Gammlern, Asozialen und Sittenstrolchen gleichgestellt, so dass die Zuschauer den Künstler generell in die Kategorie „Asoziale Randgruppe“ einordnen mussten.

Unser Einspruch richtete sich vor allem dagegen, dass in beiden Sendungen offensichtlich die journalistische Sorgfaltspflicht verletzt wurde. Da uns das Manuskript der Hörfunksendung noch immer nicht vorliegt, können wir zur Sache nicht Stellung nehmen. Wir müssen uns aber dagegen verwahren, dass gerade bei dem flüchtigen Medium „Rundfunk“ Meinungen und Vorstellungen manipuliert werden, die sich beim Hörer festsetzen und unkontrollierte Folgen haben. Die „Abendschau“ hat unterdessen geantwortet und die beanstandete Stelle als Zitat aus der Broschüre „Polizei in Bayern 1972“ des Münchner Polizeipräsidenten Dr. Manfred Schreiber ausgewiesen.

Zur Erklärung wurde uns mitgeteilt, dass unsere Anrufer dieses Zitat offensichtlich missverstanden hätten. Wir haben daraufhin diese Broschüre beim Bayer. Innenministerium angefordert und konnten feststellen, dass ein solches „Missverständnis“ kaum zu vermeiden ist, wenn Dr. Schreiber bei der Aufzählung der verschiedenen Gruppen, mit denen sich die Polizei konfrontiert sieht, vermerkt, dass es sich dabei um Organisationen und Verbände handelt, die an Olympia partizipieren oder sich aus diesem Anlass in Szene setzen wollen. Wörtlich heißt es weiter: „Sie (die Polizei) widmet sich VIP’s und solchen, die mehr sein wollen, Künstlern, Gammlern, politisch Asylsuchenden, Kriminellen, Sportbegeisterten und Sportfanatikern, politischen Fanatikern und Exilgruppen, Neurotikern, subversiven Provokanten und ebensolchen Organisatoren, Schwarzen, Weißen und Gelben, Kommunisten und Demokraten, Dummen, Gescheiten und Klugen.“

Beide Vorgänge werden uns noch weiter beschäftigen. Nachdem wir telefonisch die verantwortlichen Moderatoren nicht erreichen und auch keine Auskunft darüber erhalten konnten, wer für die fraglichen Sendungen zuständig war, verlangten wir schriftlich Aufklärung. Außerdem baten wir Frau Redepening, die Mitglied des Rundfunkrates ist, sich unserer Sache anzunehmen und erhielten von ihr sowohl telefonisch als auch schriftlich die Zusage, dass sie der Sache nachgehen würde. Sie bestätigte uns bei dieser Gelegenheit, dass sie mit uns in allen Punkten übereinstimme und uns auf dem laufenden halten wird.

Mit freundlichen Grüßen

Für das Präsidium des BBK München:
gez.: Helmuth A. Volkwein
Georg Müller-Mettnau


tendenzen. Zeitschrift für engagierte Kunst 85 vom Oktober/November 1972, 28.

Überraschung

Jahr: 1972
Bereich: Kunst/Kultur

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