Materialien 1972
Liebe Maxvorstädter!
Ralf Dantscher
8 München 82
Florastr. 58a
17. Dezember 1972
Liebe Maxvorstädter!
Leider kann ich am Mittwoch Abend nicht kommen, weil ich an einer Besprechung in der Fachhochschule teilnehmen muss. Es tut mir leid, dass ich auf diese Weise nicht an der Auswertung des Wochenendes teilnehmen kann, denn ich halte sie für wichtig.
Ich möchte darum auf diese Weise einiges zum Protokoll sagen. Ich hoffe, dieses Protokoll wird nicht missverstanden! Es erhebt nicht den Anspruch der Objektivität, sondern ist notwendig subjektiv und tendenziös. Gerade deswegen halte ich ein gemeinsames Gespräch darüber für notwendig. Jeder wird feststellen, dass ich darin versucht habe, auch gegen meine eigene Rolle kritisch zu sein, obwohl das gar nicht so leicht ist.
Ich befürchte etwas, dass dieses Protokoll für den ein oder anderen den Zusammenhalt untereinander oder die Freundschaft in Frage stellt. Genau das Gegenteil möchte ich. Ich sehe im Augenblick in unserer Gruppe einige Probleme, die noch nicht ausreichend geklärt sind und deshalb Unsicherheit auslösen, Probleme, die teilweise sicher erst im Lauf der Zeit zu lösen sind, oder immer wieder neu auftauchen werden, wie unsere Auseinandersetzung, welche Konsequenzen es hat, für Bürger verständlich zu bleiben. Als offene Probleme, die auch im Protokoll angesprochen sind, betrachte ich folgende Fragen: Welche Personen sind in der nächsten Zeit für Leitung und Koordination verantwortlich? Wie werden Aufgaben besser und auf mehr Personen verteilt? Wie werden neue Kräfte in die Bürgerinitiative integriert? An wen wendet sich unsere Arbeit hauptsächlich? Welche Aktionen sind in Zukunft notwendig, die nicht nur publikumswirksam sind und die Bevölkerung aufklären, sondern auch gegenüber Firmen, Konzernen und Stadt unsere „Gefährlichkeit“ beweisen? Wie sehen Aktionen aus, in denen wir nicht nur Bürger mobilisieren, sondern ihnen dann auch positiv helfen können, ihre Rechte durchzusetzen? Wer macht solche Aktionen? Was geschieht, wenn wir auf die Dauer Bürger nur zum Widerstand aufrufen, ihnen dabei aber nicht helfen, bzw. nur in einer Weise, die wirkungslos bleibt?
Die Fragen werden in nächster Zeit immer wieder auftauchen und sicher bei einer Auswertung nicht gleich geklärt werden können! Manche Fragen werden uns lange verfolgen. Aber wir haben uns bisher durchgewurschtelt und dabei wenigstens kleine Erfolge erzielt. Das wird auch in Zukunft möglich sein.
Ich wünsche allen ein frohes Weihnachtsfest und ein gutes Neues Jahr. Auf Wiedersehen bis zum 10. Januar.
Ralf Dantscher
10 Jahre Aktion Maxvorstadt 1971 – 1981, 239 f.