Materialien 1973

Bayrisches Hochschulgesetz

1. Der staatliche Einfluss auf die Hochschulen wurde erheblich verstärkt, ihre Autonomie drastisch eingeschränkt. Die staatlichen Aufgaben, die zunächst nach dem Gesetzestext auf die Regelung und Ausübung des Ordnungs- und des Hausrechtes sowie auf die Rechtsaufsicht beschränkt sind, kön-
nen jederzeit beliebig auf „weitere durch Rechtsvorschrift bestimmte Angelegenheiten“ erweitert werden.1 Es ist dem Ministerium ohne weiteres möglich, in die Lehr- und Lernfreiheit der Hoch-
schulen einzugreifen, wie dies bereits vor Verabschiedung des Gesetzes mehrmals an der Universi-
tät Regensburg geschehen war. So z.B. als Maier im September 1971 gesellschaftswissenschaftliche Grundkurse im Fachbereich Sprachwissenschaften verbot, weil sie unter anderem einen Abschnitt über die Marxsche Staats- und Gesellschaftslehre enthielten.2

2. Die Studienreform wird ebenfalls durch den Staat bestimmt, da dieser die entsprechenden Kom-
missionen mehrheitlich besetzt, ohne die Hochschulen genügend zu berücksichtigen.3

3. Die verfasste Studentenschaft und ihr Organ, der Allgemeine Studenten-Ausschuss (AStA), wer-
den abgeschafft. Die Selbstfinanzierung des AStA durch die Studenten fällt weg, der Staat kann die studentischen Gremienvertreter, die sich zu einer Studentenvertretung zusammenschließen kön-
nen, finanzieren. Die Studentenvertretung muss ihre politische Tätigkeit auf hochschulpolitische Angelegenheiten beschränken. Tut sie das nicht, kann die Finanzierung verweigert werden. 4 Da an sämtlichen bayerischen Universitäten linke Studentengruppen seit mehreren Jahren eine große Mehrheit haben und die studentischen Gremienvertreter ebenfalls mehrheitlich links eingestellt sind, hat das Kultusministerium jederzeit die Möglichkeit, die politische Betätigung dieser Grup-
pen stark einzuschränken. Bisher gab es diese Möglichkeit nicht. Maier hat damit einen Stein des Anstoßes aus dem Weg geräumt, der ihn in den letzten Jahren immer wieder Konflikte mit den Studentenvertretungen austragen ließ.

4. Ein eigenes Ordnungsrecht für Studenten ermöglicht dem Universitätspräsidenten oder dem Präsidialkollegium (beides kann nach dem BHG an die Stelle des Rektors treten) Studenten bis zu vier Jahren von allen bayerischen Universitäten auszuschließen. Das Ordnungsrecht kann Anwen-
dung finden, wenn „Lehrveranstaltungen, Forschungsbetrieb, Tätigkeit der Organe oder die Ver-
waltung“ gestört oder behindert werden. Eine nähere Definition gibt es nicht.5 So ist Missbrauch leider nicht ausgeschlossen: Es kann zum Beispiel passieren – zugegeben im schlimmsten Fall –, dass die Forderung von Studenten, innerhalb der Lehrveranstaltungen gewisse Lehrmeinungen zu diskutieren, zum Ausschluss aus der Universität führen kann, zumal die Anwendung des Ord-
nungsrechtes allein in das Ermessen der Uni-Spitze gestellt ist. Im ersten BHG-Entwurf war zu-
mindest noch ein Ausschuss für Ordnungsrecht vorgesehen, der von Professoren und Studenten besetzt sein sollte.

5. Das BHG schafft bisher bestehende Mitbestimmungsregelungen wieder ab, wenn es am 1. Okto-
ber 1974 in Kraft tritt. Regensburg muss seinen von allen Universitätsgruppen gebilligten Schlüssel von 2:1:1 in der Versammlung (bisher Großer Senat) durch den Paritätenschlüssel 6:2:2:1 (Profes-
soren, Assistenzprofessoren und weitere Lehrpersonen, Studenten, nichtwissenschaftliches Perso-
nal) ersetzen. In den Fachbereichen wird es gar einen Schlüssel von 7:2:2:2:l geben.6

Bayern geht mit diesem Gesetz einen anderen Weg als fast alle anderen Bundesländer (Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg haben bei Maier abgeschrieben): Selbst das CDU-regierte Rheinland-Pfalz regelt fast alle Hochschulangelegenheiten anders …

:::

1 Bayer. Hochschulgesetz (BHG), Art. 4 , Absatz 3, 6, 7, 8.

2 Konkret, Oktober 1971

3 BHG, Art. 69.

4 BHG, Art. 61.

5 BHG, Art. 79.

6 BHG, Art. 18, 2; 19, 2; 21, 2; 28.


Dieter Straubert: „Bildungspolitik“ in: Carl Amery/Jochen Kölsch (Hg.), Bayern – ein Rechts-Staat? Das politische Porträt eines deutschen Bundeslandes, Reinbek bei Hamburg 1974, 48 f.

Überraschung

Jahr: 1973
Bereich: StudentInnen

Referenzen