Materialien 1974
Spanischer Ergänzungsunterricht
So wenig sich die spanischen Gastarbeiter der ersten Generation trotz entsprechender Angebote um ihre eigenen deutschen Sprachkenntnisse gekümmert haben, so vehement setzten sie sich für eine umfassende Schulbildung ihrer Kinder ein.
Bereits 1969 hat es erste Versuche gegeben, den Spanischunterricht in Eigeninitiative anzubieten. Mehrere Monate lang wurde in den Räumen der Unión Española Unterricht angeboten, der zu Beginn auch von zahlreichen Kindern besucht wurde. Aufgrund von Meinungsverschiedenheiten war diesem ersten Versuch jedoch kein dauerhafter Erfolg beschieden. Eine zweite Initiative startete in der Blumenstraße, doch auch hier litt das Projekt zunächst unter der organisatorischen Unerfahrenheit der Initiatoren.
1970 stellte die Misión Española zwei Nonnen als Lehrerinnen ab, die den Ergänzungsunterricht an verschiedenen Schulen anboten.
Vom 5. September 1970 datiert schließlich das Protokoll über die offizielle Aufnahme des Ergänzungsunterrichts, der zunächst in den Räumlichkeiten der Misión Española stattfindet. Diese Initiative ist zwar noch rein privat, wird aber von Anfang an vom Spanischen Staat unterstützt. Die eingesetzten Lehrer werden zunächst aus den bereits in Deutschland lebenden Spaniern ausgewählt.
Am 12. September beginnen vier Klassen mit gut 50 Schülern die Arbeit in den Räumen der Misión Española. Zusätzlich wird von den abgestellten Nonnen wochentags Unterricht in verschiedenen Stadtvierteln (Allach, Aubing, Pasing, Neuperlach) angeboten. Diese erste Phase dauert bis April/Mai 1971.
Ab 1971 kümmert sich eine spanische Unterrichtskommission um die Schulbildung der spanischen Migrantenkinder. Es werden insgesamt 20 hauptberufliche Lehrkräfte ernannt, die in Deutschland unterrichten sollen. Vier davon werden nach München entsandt, darunter Cecilia Bayer.
1973 wird das sogenannte „Bayerische Modell“ für die schulische Ausbildung der ausländischen Kinder vorgestellt. Dieses Modell geht davon aus, dass die ausländischen Kinder über kurz oder lang in ihre Heimat zurückkehren und hält deshalb einen primär muttersprachlichen Unterricht für sinnvoll, und das, obwohl die in München lebenden spanischen Eltern schon seit mehreren Jahren dafür gesorgt hatten, dass ihre Kinder nicht nur öffentliche deutsche Schulen besuchten, sondern an den Samstagen auch in ihrer Muttersprache unterrichtet wurden Mit der Vorstellung des Bayerischen Modells sahen sich die spanischen Eltern plötzlich in einer Pionierrolle, da sie sich als einzige ausländische Elterngruppe gegen dieses Modell stellten und darauf bestanden, die bisherige schulische Ausbildung weiterzuführen.
Am 16. März 1974 protestierten die Münchner Eltern erfolgreich gegen das Bayerische Modell; der spanische Ergänzungsunterricht bleibt erhalten. 1975 besuchen 344 Schüler die Grundschule an der Implerstraße 35, wo sie von insgesamt 15 Lehrkräften unterrichtet werden.
Clarissa Höschel