Materialien 1974
Ein Heimatlied
In Bräumoching wohnt die Freiheit
In der Reichen Portmonnaie,
Für die andren in der Freizeit
Unterm Nabel bis zum Zeh’.
Doch auch da gibt’s Praragraphen,
Die die Armen streng bestrafen,
Acht’ sie nicht der Leibesfrucht.
Ja, Bräumoching schaut auf Zucht!
Jung-Bräumoching in der Schule,
Fünfzig Ärsch’ auf morschem Stuhle:
Religion und Mengenlehre!
Spürt bereits des Lebens Schwere.
Dann als Lehrling holst die Brote,
Kehrst den Boden, bist der Bote,
Hast viel Arbeit, magren Lohn,
Bist du nicht ein reicher Sohn!
Arbeit’st in Bräumoching weiter,
Dein Familienstand wird breiter:
Mit der Frau und deim Gehalt
Wird die Küche nicht oft kalt.
Und am Sonntag fahrst zum See raus,
Denn es reicht nicht zu eim’ Landhaus,
Sowas hat der Herr Baron,
Sechzehn Zimmer mit Balkon.
Willst du in Bräumoching sterben,
Kann das Altsein dir verderben
Eines Bauherrn finst’rer Plan:
Hängt dein Haus an einen Kran!
Oh Bräumoching, stolze Stätte,
Wo die Brauereien stehn,
Wo die Rüstungsboss-Profite
Gemütlich in Milliarden gehen.
(zu singen nach der Melodie des „König-Ludwig-Liedes“, auch als alte russische Volksweise „Stjenka Rasin“ bekannt; Rasin war der Anführer des Kosakenaufstands 1665 – 1671 gegen die „gottgewollte“ Leibeigenschaft des Muschiks, auf Befehl des Zaren hingerichtet.)
Rainer Zwing (i.e. August Kühn), Zwei in einem Gewand oder: Die nicht mögliche Wandlung des Unternehmers und Menschen Hubmann. Stück, München 1974, 53 ff.