Materialien 1975

§ 218 Demonstration in München

Ein Bericht von Heide Hering

Am 25. Februar 1975, dem Tag des Bundesverfassungsgerichts-Urteils gegen die Fristenregelung, fand in München eine Protestdemonstration statt, an der sich etwa 7.000 Menschen beteiligten. Ein mehr als ein Kilometer langer Zug, von 1.000 Fackeln beleuchtet, bewegte sich von der Univer-
sität zum Marienplatz. Männerfeindlichkeit war verständlicherweise in diesem Moment stark hör-
bar, in Sprechchören wie „Auch die Macht der Schwänze, hat ihre Grenze“ oder etwa „Hät’ Frau Benda abgetrieben, wär uns dies erspart geblieben“. Der Zug endete mit einer Kundgebung, auf der Vertreterinnen der sechs beteiligten Gruppen sprachen. Das waren: Frauenforum, sozialistische Frauen, Frauenzentrum. Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen, Interessengemein-
schaft der mit Ausländern verheirateten Frauen und der Arbeitskreis Emanzipation von Frau und Mann der HU, alle München. Für uns sprach Helga Killinger, (Ortsverband München), deren Rede in den Vorgängen Nr. 14 abgedruckt ist. Alle fünf Münchner Zeitungen berichteten am anderen Tag über die Demonstration, zum Teil mit Fotos. Unser Transparent „Frauen, wem habt ihr das zu verdanken? Danke du, CSU!“ wurde oft abgebildet.

Eine solche Demonstration wäre spontan kaum möglich gewesen. Drei Wochen vorher begannen die Gruppen gemeinsam mit der Organisation (wobei die HU den einzigen Mann des Komitees de-
legierte). Um nach außen hin jedem die Teilnahme zu ermöglichen, waren einige Bedingungen ver-
abredet worden, die auch von allen eingehalten wurden: die Transparente sollten ohne Gruppen-
namen möglichst neutral gestaltet werden. (Flugblätter waren davon ausgenommen und der ganze Zug wurde als „Initiative Münchner Frauengruppen“ angekündigt. Wir ließen 50.000 kleine Hand-
zettel drucken, die kurz vorher verteilt wurden.) Dazu fuhren am Tag selbst, gleich nach der Ur-
teilsverkündigung, vier Lautsprecherwagen zur Information durch die Stadt. Im letzten Moment hängte sich der Kommunistische Bund Westdeutschlands an und hielt sich auch an unsere Bedin-
gungen. Er brachte es aber erstaunlicherweise fertig, ein Flugblatt zum § 218 zu produzieren, in dem das Wort „Frau“ nicht vorkommt.

Der 25. Februar wurde zum „§ 218-Tag“ erklärt, an dem in Zukunft immer wieder Demonstratio-
nen stattfinden sollen. Der Erfolg und die Solidarität der Frauen haben uns ermutigt, eine neue Demonstration zu planen: Am Samstag, dem 21. Juni, genau ein Jahr nachdem 1914 die Fristen-
regelung vom Bundespräsidenten unterschrieben und am selben Tag durch einstweilige Verfügung außer Kraft gesetzt wurde, wollen wir versuchen, in möglichst vielen Städten der BRD mit anderen Gruppen gemeinsam wieder Protest-Demonstrationen zu veranstalten.


Mitteilungen der Humanistische Union 71 vom Juni 1975, 16.

Überraschung

Jahr: 1975
Bereich: Frauen

Referenzen