Materialien 1975
15 Jahre Lillemors Frauenbuchladen
Mehr als 600 Frauen feierten am Freitag, den 9. November 1990, im Wirtshaus im Schlachthof das 15-jährige Bestehen von Lillemors Frauenbuchladen, dem ältesten Frauenbuchladen Deutschlands. Büffet, Band und freudiges Wiedersehen mit weggezogenen Frauen, verfeindete Gruppierungen, die sich bei diesem Anlass gemeinsam freuen. Denn „der Buchladen“ war und ist für alle wichtig: Die Projektefrauen, die mit Lillemors Veranstaltungen, Tagungen und Lesungen organisieren, die Wissenschaftlerinnen, die bei Lillemors bestellte Bücher innerhalb von zwei Tagen bekommen, die „neuen“, die erstmal unverbindlich schauen und lesen und sich informieren wollen, für die, die nicht mehr aktiv in der Frauenbewegung sind, aber doch sehnsüchtig an die „gemeinsam sind wir stark/unausstehlich“-Zeiten denken und den Frauenzusammenhang nicht ganz verlieren wollen, und für die vielen, die ganz ohne feministischen Anspruch freundlichen Service und ein großes Angebot schätzen (4.000 Titel) oder sich die laufende Ausstellung ansehen wollen. Dazu kosten-
lose Broschüren verschiedenster Gruppen, Pinnwand, und, als Anlaufsteile für Frauen in Notsi-
tuationen ganz wichtig: kostenlose und anonyme Beratung.
Vor 16 Jahren trennte sich der Verlag Frauenoffensive vom Trikont-Verlag, finanziell gestützt durch Verena Stefans „Häutungen“. Ein Jahr danach, 1975 schufen die Gründungsfrauen von Lillemors in der Arcisstr. 57 einen Ort für den Verkauf feministischer Literatur. Es war damals, frau kann es sich heute kaum mehr vorstellen, sehr schwierig an „Frauenbücher“ zu kommen. Vieles erschien im Selbstverlag oder in Kleinverlagen, deren Vertriebsnetz schlecht ausgebaut war, und die Masse an „grauer Literatur“ (Broschüren u.ä.) war fast nur dort zu bekommen, wo sie hergestellt wurde. „Lillemors Frauenbuchladen war eine ganz bewusste Antwort auf das öffentliche Verschweigen weiblicher Lebenswirklichkeit in der Literatur, in der Kunst und in den Medien.“
Als sich Frauenbücher zu einem finanziell interessanten Markt entwickelten, stiegen auch Großver-
lage ein (am bekanntesten die rororo-Reihen: Frauen aktuell und neue frau) und andere Buch-
handlungen richteten ihre Frauenecken ein. Da hatte Lillemors so manche Durststrecke durchzu-
stehen, denn viele Frauen kauften ihre Literatur jetzt auch im Buchladen um die Ecke, und kamen nur noch zu Lillemors, um die selteneren, schwerer zu beschaffenden Bücher zu kaufen. Durch zu-
verlässige Beschaffung gelang es Lillemors, für Uni-Institute, Akademien, Gesellschaften usw. Be-
stellungen abzuwickeln, um auch dadurch die Existenzgrundlage für die dort arbeitenden Frauen zu gewährleisten. Denn der Markt war weiter starken Schwankungen ausgesetzt: Mal war Theorie überhaupt nicht mehr gefragt, dafür Betroffenentexte und Belletristik, mal musste eine Veranstal-
tung reingearbeitet werden, die nur Minus gebracht hatte.
Auch intern gab es nach der ersten Euphorie des Aufbruchs (I want a women’s revolution like a lover/Robin Morgan) auch bei Lillemors Kämpfe und erbitterte Fehden. Sie „haben das Schlimm-
ste nur mit Supervision überstehen können. Aber sie wollten überstehen können, mehr als das, sie wollten so lebendig bleiben als kultureller Ort wie in der Stunde des Aufbruchs, sie wollten weiter-
hin anregen und aufregen und inmitten der selbstentfachten Turbulenzen weiterhin ein turbulen-
tes Leben führen.“ (aus der Laudatio von Verena Stefan) Das jetzige Team, zwischen 2 ½ und 11 Jahren dabei, ackerte sich zäh durch alle Krisen durch, und konnte dafür im November 1988 auch öffentliche Lorbeeren einheimsen. Nach einjährigem Streit, der durch ein Rechtsgutachten ent-
schieden wurde, wurde ihnen der mit 10.000 DM dotierte „Münchner Förderpreis für Frauenfor-
schung und Frauenkultur“ in einem Festakt im Rathaus verliehen. Auch hier blieben sie ihrem kritischen Anspruch treu, als sie in ihrer Dankesrede ihr „kollektives Unbehagen“ äußerten: „Uns drängt sich die Vermutung auf, dass die Stadt sich freikaufen will von der dringenden Notwendig-
keit, unser – wie auch andere – Frauenprojekte ideell, vor allen Dingen aber finanziell großzügig zu unterstützen. Das Mindeste wäre zum Beispiel, alle Frauenprojekte ohne Auflage in die Regelförde-
rung der Stadt zu übernehmen, um ihnen damit den Status zu geben, der ihnen zusteht und den sie bei vielen Frauen längst haben.“ Auch Luisa Francia, die damals die Laudatio hielt, erinnerte an das Schörghubersche Millionengeschenk und stellte fest: „Da, wo es tröpfelt, stehen die Frauen. Schörghuber steht da, wo’s fließt.“
Aber Lillemors geht es nicht nur ums Kämpfen, sondern auch um Toleranz, um einen Raum, der Annäherung wieder möglich macht. Verena Stefan drückte das in ihrer Laudatio so aus: „Bücher, deren Autorinnen sich vielleicht ignorieren, bekämpfen oder immer noch nicht voneinander wis-
sen, Themen, die scheinbar unvereinbar sind, stehen einträchtig Rücken an Rücken und füllen gemeinsam einen Raum … Kann sein, nachts, dass einige weibliche Geister ihren Druckwerken entsteigen und auf Abenteuer aus sind. Nicht nur durch Himmel und Hölle im Himalaya. Marlen Haushofers Meta geht dann endlich mit Julie von den Wölfen auf Jagd … Und – sehe ich richtig? Dort drüben unterhalten sich Rosa Luxemburg und Marion Zimmer Bradley mit glänzenden Augen über utopische Systeme, während Elisabeth die Erste zusammen mit Semiramis die Staatsgeschäf-
te neu ordnet.“
(kicks)
Münchner Lokalberichte 24 vom 28. November 1990, 8.