Materialien 1975

Verkirchlichung des Staates?

1974 hat die Bayerische Staatsregierung das Konkordat erneuert und dabei der Katholischen Kir-
che noch mehr Einfluss im Bildungswesen verschafft. In Art. 3, § 5 des Bayerischen Konkordats heißt es: „Der Staat unterhält an den Universitäten Augsburg, Erlangen-Nürnberg, München, Pas-
sau, Regensburg und Würzburg sowie an der Gesamthochschule Bamberg in einem für das erzie-
hungswissenschaftliche Studium zuständigen Fachbereich je einen Lehrstuhl für Philosophie, für Gesellschaftswissenschaften und für Pädagogik, gegen deren Inhaber hinsichtlich Ihres katholisch-kirchlichen Standpunktes keine Erinnerung zu erheben ist. Bei der Besetzung dieser Lehrstühle gilt § 2 entsprechend.“

Laut § 2 wird die „Erinnerung“ vom zuständigen Diözesanbischof erhoben. Es dürfen also auf diese Lehrstühle nur Bewerber berufen werden, deren Lehre und sittliches Verhalten den Bischöfen passt!

Nun sollen nicht zusätzliche Lehrstühle – Konkordatslehrstühle – geschaffen, sondern wie z.B. Anfang 1975 in Regensburg – bestehende Lehrstühle „umfunktioniert“ werden; dort ist vorgese-
hen, einen der beiden Soziologie-Lehrstühle in einen Konkordatslehrstuhl umzuwandeln.

Die GEW und der Ortsverband München der HU haben mit einer Flugblattaktion in Regensburg gegen diese Praktiken protestiert.

Sollte die Bayerische Regierung die Absicht, jede dritte freiwerdende Planstelle im Bildungssektor nicht mehr zu besetzen, verwirklichen, dann werden auf Dauer die „Konkordatslehrstühle“ im er-
ziehungswissenschaftlichen Fachbereich dominieren.

Als weitere Folge der Erneuerung der Kirchenverträge hat das Kultusministerium an den bayeri-
schen Kolleg-Schulen (2. Bildungsweg; Tagesgymnasium für Erwachsene) das Fach Religion, er-
satzweise Ethik (2 Wochenstunden) als Vorrückungsfach zu Lasten der musischen Fächer einge-
führt.

Die Münchener Kollegiaten wehren sich gegen diese unsinnige Regelung, da man bei Ihnen (Er-
wachsene, die bereits einige Berufsjahre hinter sich haben) eine weitgehend gefestigte religiöse und ethische Anschauung voraussetzen kann.

Der OV München unterstützt die Kollegiaten bei ihren Bemühungen, diese Regelung zu revidieren und hat bereits an einer öffentlichen Podiumsdiskussion dieses Themas teilgenommen. Die Vertre-
ter des Kultusministeriums und des Erzbischöflichen Ordinariats sind zwar nicht erschienen, die Versammlung hat aber immerhin zu einer Solidarisierung eines erheblichen Teils der Kollegiaten geführt.

Wolfgang Killinger


Mitteilungen der Humanistische Union 73 vom Dezember 1975, 31.

Überraschung

Jahr: 1975
Bereich: Religion

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