Materialien 1975
Herr Kontrolleur
Ich hatte kein 3-Mark-30-Stück nicht
und die S-Bahn war schon in Sicht.
Ich meine sowieso, Herr Kontrolleur,
der Nulltarif muss her.
Herr Kontrolleur,
was kostet an jeder Haltestation
die Ausstattung mit der sechsfachen Fahrscheinautomation?
Mit mehr als 600 Haltestellen, die der MVV hat,
und 21.000 Mark kostet ein einziger Automat1
der MVV muss heuer 4 Millionen Mark einsparen2
und deswegen sollen nimmer so viele Züge fahren,
aber 60 Millionen Mark macht beim MVV der Posten,3
was die Bilettlbuchhalter und Kontrolleure kosten.
Herr Kontrolleur,
bevor Sie die Schwarzfahrer doch nicht erjagen,
tun Sie lieber die sechzehnhundert privilegierten Freifahrer fragen,4
ob Ihnen die Ihr Gehalt zahlen wollen,
das Sie mit der Schwarzfahrerjagd einbringen sollen?
Herr Kontrolleur,
ist das gerecht, wenn jeder Arbeiter seine Arbeitskraft
tagtäglich auf eigene Kosten zur Firma schafft,
aber der Unternehmer, wenn er nur irgendeinen Schund herumfährt,
ist dem Staat 20 Milliarden Subvention wert?5
Herr Kontrolleur,
wir Arbeitnehmer zahlen dem Staat
50 Milliarden Lohnsteuer im Jahr6 -
ob da nicht der Staat
560 Millionen für die Leute, die zur Arbeit fahren, hat?7
Herr Kontrolleur,
wir Katholischen zahlen doch Kirchensteuer,
kaum 3 Milliarden Mark ist sie uns heuer teuer8
und siehe: wenn ich eine Kirche betrete,
wird auch nicht kassiert und kontrolliert, ob ich schwarz bete.
Herr Kontrolleur,
ob ein Mann wie Sie in seinen besten Jahren
nix Besseres beim MVV tun kann wie S-Bahn fahren
und die Bilettln kontrollieren?
Tun Sie sich dabei überhaupt amortisieren?9
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1 Dachauer Volksbote vom 6. Juli 1974.
2 Abendzeitung vom 15. November 1974.
3 Laut Auskunft der MVV-Geschäftsführer Meyer und Lippert am 25. November 1974 „ca. 10,6 Prozent der zu erwartenden Einnahmen“.
4 Abendzeitung vom 29. September 1971, 3.
5 Vergleiche jede x-beliebige Nummer des Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften, Dachauer Volksbote vom 11.Januar 1975, 8, und tz vom 28. März 1972, 7.
6 Süddeutsche Zeitung vom 21. April 1973, Schaubild „Die Lohnsteuer wurde zur ergiebigsten Steuerquelle des Staates.“
7 MVV-Telegraf 7/1974, 8.
8 Capital 12/1974, 149.
9 Dachauer Volksbote vom 13. Januar 1975, 2.
Blatt. Stadtzeitung für München 40 vom 21. Februar 1975, 6.