Flusslandschaft 1946
KPD
In der US-Besatzungsmacht nimmt der Antikommunismus zu. Weil der KPD-Landesvorsitzende Georg Fischer sowie die Landessekretäre Fritz Sperling1, Fritz Abel und Dr. Alfred Kroth am 27. Februar 1946 am KPD-Kongress in Berlin teilnahmen, werden sie am 10. März verhaftet und am 15. Juni von einem amerikanischen Militärgericht zu je vier Monaten Gefängnis verurteilt.2 Am 17. Juni wird Fischer, der auch Staatssekretär im bayrischen Wirtschaftsministerium ist, von der Mili-
tärregierung seines Amtes enthoben. Anfang Juli werden weiterer leitende Kommunisten verhaf-
tet. Bis zum endgültigen Verbot der Partei 1956 kommt es immer wieder zu Restriktionen, Verhaf-
tungen, Verurteilungen und Verboten, gegen die sich vor allem Proteste der Parteimitglieder rich-
ten.
Bei der Stadtratswahl am 26. Mai kann die KPD nur zwei Mandate erringen. Bei 84,9 Prozent Wahlbeteiligung bekommt die CSU zwanzig, die SPD 17 Sitze.
14. Juli 1946 – Sonntag: „Bei einer Versammlung der KPD im Zircus Krone an der Marsstraße 43 spricht Staatsminister a.D. Heinrich Schmitt über ‚Die Hintergründe meines Rücktritts’. Dabei wirft er der CSU reaktionäre Tendenzen und Sabotage bei der Durchführung des Säuberungsge-
setzes vor.“3
22. Juli 1946 – Montag: „In den frühen Morgenstunden werden folgende KPD-Mitglieder von der amerikanischen Militärpolizei verhaftet: Staatssekretär Ludwig Ficker, Erich Olschewsky, der frühere Stadtrat Adi Maislinger und der Leiter des Bundes der Freunde der Sowjetunion, Ernst Buckelei. Gründe für die Verhaftungen sind nicht bekannt.“4
Die Rede von US-Außenminister Byrnes vom 6. September leitet jetzt auch öffentlich den Kurs-
wechsel der US-amerikanischen Politik gegenüber der Sowjetunion ein. Oberstleutnant E. Field Horine, der Anfang Mai Mitarbeiter der US-Militärregierung in München und schließlich erster Nachkriegsintendant von „Radio München“, dem späteren Bayerischen Rundfunk, wird, schreibt, „… jener Rede glaubten viele von uns entnehmen zu müssen, dass Harry Truman, der neue Mann im Weißen Haus, eine gefährliche, vielleicht verhängnisvolle Kehrtwende in der Außenpolitik unseres Landes zu vollziehen beabsichtigte – eine volte face, die darauf abzielte, Deutschlands Westen vom Osten abzukoppeln und die Westzonen, wieder aufgerüstet, als willigen Vasallenstaat zu verwenden. Der ‚Kalte Krieg’ hatte seinen langen Schatten voraus geworfen, unsere Ahnungen erwiesen sich als begründet. Viele von uns waren zutiefst bestürzt. Von dem Zeitpunkt an nahmen uns über Monate hinweg und Tag für Tag besorgte, manchmal auch hitzige Auseinandersetzungen gefangen, die gelegentlich bis in die frühen Morgenstunden hinein dauerten … Der bald als ‚Tru-
man-Doktrin’ bekannte neue außenpolitische Kurs der USA war offenkundig ein Bruch mit von den Alliierten erst kurze Zeit vorher getroffenen Vereinbarungen. Zwei meiner Kollegen und ich konnten zum Rücktritt von unserem Posten keine unserem Gewissen nicht zuwiderlaufende Alter-
native erkennen. Wir traten zurück …“5
Der 1903 in München geborene Sepp Gleinser war im Mai 1945 einer der ersten, die die KPD aufbauten. Er erinnert sich: »Einige Tage vor der ersten Landtagswahl in Bayern (1. Dezember 1946) hielten wir eine Stadtteilversammlung ab. Plötzlich drängten sich (amerikanische) Militär-
polizisten mit auf uns gerichteten Pistolen und MP ins Nebenzimmer und forderten uns auf: >Hände hoch!< Im leeren Gastzimmer mussten wir uns aufstellen, unser Wahlmaterial wurde beschlagnahmt. >Freiheit und Democracy<, schrieb Brecht damals, daraus wurde dann unsere >freiheitlich-demokratische Grundordnung< heute.«6
Seit der Zulassung auf Landesebene am 19. Januar verzichtet die bayerische KPD auf jede revolu-
tionäre Rhetorik; sie fordert vielmehr die „demokratische, parlamentarische Republik“, tritt für gerechte Entnazifizierung, Enteignung der „Kriegsverbrecher“ und für eine Bodenreform ein und verlangt die volle „Entfaltung des Eigenlebens der Bundesländer auf föderativer Grundlage“.7 Trotzdem und auch wegen der Sperrklausel von 10 Prozent verpasst sie bei der Landtagswahl am
1. Dezember mit nur 6,07 Prozent der Stimmen den Einzug in die Kammer.
1 „Fritz Sperling, geb. am 1. Oktober 1911, war als Jugendlicher zunächst in der sozialdemokratischen Arbeiterjugend aktiv, 1932 trat er der KPD bei. Am 2. März 1933 wurde er von den Nazis verhaftet und für mehrere Monate in ‚Schutzhaft’ ge-
nommen. Nach seiner Freilassung setzte er die antifaschistische Widerstandsarbeit fort, später dann aus der Schweiz. Nach der Befreiung vom Faschismus kehrte er nach Deutschland zurück, wurde Landesvorsitzender der KPD in Bayern und 1950 stellv. Vorsitzender der KPD. Anfang 1951 wurde Fritz Sperling in die DDR gelockt, dort verhaftet und unter falschen An-
schuldigungen inhaftiert. Ober fünf Jahre war er Folter, Demütigungen und Willkür sowjetischer und deutscher Staats-
sicherheitsorgane ausgesetzt. Nach dem Beispiel der Prozesse in Ungarn, Bulgarien und der Tschechoslowakei war in der DDR ein Schauprozess gegen angebliche Agenten und Parteifeinde in SED und KPD geplant. Fritz Sperling sollte einer der Hauptangeklagten werden. Nach dem Tode Stalins und im Ergebnis des 20. Parteitages der KPdSU wurde Sperling aus dem Zuchthaus entlassen und der Zwangsaufenthalt seiner Frau Lydia in einem psychiatrischen Pflegeheim aufgehoben. Die zwei Jahre bis zu seinem Tod am 21. April 1958 kämpfte er um die Wiederherstellung seiner Ehre als Kommunist und für die Aufdeckung der Verbrechen, die an ihm und zahlreichen anderen Kommunisten verübt worden waren. Menschen wie Fritz und Lydia Sperling dürfen nicht vergessen werden.“ Rundbrief der DKP München. Herausgeber: Kreisvorstand München 245 vom August 2011, 2.
2 Vgl. Georg Fischer, Vom aufrechten Gang eines Sozialisten. Ein Parteiarbeiter erzählt, Berlin/Bonn 1979, 200 ff.
3 Chronik der Stadt München 1945 – 1948, bearbeitet von Wolfram Selig unter Mitwirkung von Ludwig Morenz und Hel-
muth Stahleder, München 1980, 180.
4 A.a.O., 182.
5 E. Field Horine, Auflehnung — Treue. Odyssee eines amerikanischen Querdenkers, Frankfurt, München und New York 1999.
6 August Kühn, Warum wird so einer Kommunist? Erzählungen, Gedichte, Reportagen, Protokolle, München 1976 und: August Kühn, Münchner Geschichten, Frankfurt am Main 1977, 83.
7 Siehe „Die Wahlversammlung“ von F.H.