Materialien 1977
Frauen treffen sich im Lift ...
In der zweiten Hälfte der siebziger Jahre bildeten sich in den Rundfunkanstalten der ARD und im ZDF Frauengruppen, das war damals überhaupt angesagt. Überall hingen plötzlich Flugblätter in lila herum, die zwar den „Kopf“ meiner Gewerkschaft hatten, nämlich der damaligen RFFU (Rundfunk-Fernseh-Film-Union), die heute eine der Fachgruppen in der IG Medien ist, aber es war ein von Frauen verfasstes Flugblatt. Es hatte einen völlig anderen Ton, eine ganz andere Sprache, es sprang mich richtig an. Es war von sechs oder sieben Frauen unterschrieben, von denen übrigens bekannt war, dass sie in der Gewerkschaft die eine oder andere Rolle spielten. Das Flugblatt fing an mit Sätzen wie: „Männer treffen sich bei Arbeitsessen, Frauen treffen sich im Lift. Das soll jetzt anders werden!“
Das erste Treffen fand im großen Sitzungssaal im Fernsehstudio Freimann des BR statt. Ich war – das hatte sich zufällig so ergeben – die erste, die eintraf. Der Saal war leer und dunkel. Heute denke ich, das war typisch: Ich habe die Tür geöffnet, das Licht eingeschaltet und bin über die Schwelle getreten. Etwa achtzig Frauen kamen zusammen. Da wir uns wegen der auseinanderliegenden Betriebsteile zum großen Teil nicht kannten, sollte jede sich vorstellen. Je näher die Reihe an mich kam, desto stärker wurde mein Herzklopfen, noch nie hatte ich in einem größeren Kreis etwas gesagt. Daran erinnere ich mich hin und wieder gern, denn inzwischen habe ich gelernt, öffentlich zu reden.
Diese Frauengruppe hat sich dann in regelmäßigen Abständen getroffen. Wir wollten kein freundliches, aber belangloses Frauenkränzchen sein, wir befassten uns daher zunächst mit unseren höchst unterschiedlichen Tätigkeiten im Hörfunk und im Fernsehen. Das hatte drei positive Auswirkungen: wir hatten einen konkreten Inhalt, lernten, frei zu sprechen und uns dabei kennen und gewannen einen Überblick über den Betrieb, in dem wir beschäftigt waren.
Fracksausen der Gewerkschafter
Meine Gewerkschaft, männerdominiert wie jede andere Gewerkschaft. auch, bekam daraufhin Fracksausen. Plötzlich gab es bundesweit in der RFFU ein riesiges Geschrei der Herren Kollegen – was sich denn da abspiele: „Die Frauen spalten sich ab!“ Einer sagte zu mir: „Das ist wie ein Teppich, der ausfranst, notfalls müssen wir die Fransen abschneiden.“ Es war ein ziemliches Theater …
Eva Meier
in einem Vortrag am 28. Oktober 1996 im Münchner Gewerkschaftshaus
Ingelore Pilwousek (Hg.), Wir lassen uns nicht alles gefallen. 18 Münchner Gewerkschafterinnen erzählen aus ihrem Leben, München 1998, 172.