Materialien 1977

Ohrfeigen für den Narren

Klobrille: hab ich mir gedacht, als ich die schwarze Maske sah. Da guckt sie mich an, mit etwas zu dick aufgetragener Lippenschmiere und behauptet, es wäre lustig, auf einen Faschingsball zu gehen. Obwohl es säuisch kalt draußen ist, bekleidet sie sich mit einem dünnen Vorhang und nennt das ganze: Kostüm. Irgendwie ist mir zum Kotzen. Rein in den Sarg, Klappe zw. Volkstrauer. Man muss euch erlauben, komisch zu sein; von euch aus seid ihr höchstens traurige Gestalten. Man sagt euch, wann ihr euch freuen sollt, man sagt euch, wann ihr zu trauern habt, selbst das Wort „traurige Gestalt“ ist noch ein Kompliment für euch, weil man euch damit bestätigt, überhaupt eine Gestalt zu haben.

Herrgott, wie ihr euch verarschen lasst! Man steckt euch in Uniformen und schickt euch in den Betrieb. Und dann kommt irgendein Arschloch daher und schreit: Fasching! Ganz in weiß! Weißes Fest! Und ihr zieht euch weiße Uniformen an und rein in den Betrieb. Es geht hier nicht um eine Veranstaltungsreihe. Es geht hier nicht um ein bestimmtes Fest. Mein Arger geht euch einen Dreck an. Es geht hier um den Fasching, könnte ein aufmerksamer Leser meinen. Er täuscht sich. Es geht hier um einen Kanal, durch den Narren geschleust werden sollen. Ah, Faschismus, schreit mein Intellekt beim Verrichten der Notdurft. Weg damit! Klobrille, hab ich mir gedacht, als ich die schwarze Maske sah.


Blatt – Stadtzeitung für München 87 vom 4. Februar 1977, 43.

Überraschung

Jahr: 1977
Bereich: Männer

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