Materialien 1978

Am 11.11. erschien das ...

INFO BREMER UNERREICHBARER/UNAPPETITLICHER/UNGÜLTIGER/UNBOTMÄSSIGER/UNAUSROTTBARER/UNGESCHLIFFENER/UNUNUN GRUPPEN mit folgender Meldung (gekürzt):

Das Info der Bremer, erscheinungsweise 14tägig, Auflage 800, hat die obige Meldung nach Form (allerdings verkleinert) und Inhalt aus dem ID übernommen und veröffentlicht, schwarz gerahmt auf grauem Umweltschutzpapier. FREUT UNS.

Und dass die Bremer andere Meldungen aus dem ID verbreiten, FREUT UNS AUCH. Und dass der „KLENKES“ in Aachen und „WAT LÖPPPT“ in Wuppertal diese oder andere Meldungen des ID nachdruckt, FREUT UNS. Und auch dass der „MOTZER“ in Bad Schussenried es tut und die SCHWARZE BOTIN in Berlin, „de SCHnüss“ in Bonn und der „Klüngelkerl“ in Dortmund, das „ESCHHAUSHEFT“ in Duisburg und „Hochaktiv“ in Duxmoor, der „ELCH-JODLER“ in Ellwangen und der „RADI“ in Erding, der „PFLASTER-STRAND“ und die „ANDERE ZEITUNG“ in Frankfurt und die „Stadtzeitung“ in Freiburg, das „ELEFANTENKLO“ in Giessen und „CARLO SPONTI“ in Heidelberg, die „KIELER FRESSE“ oder das ‚KÖLNER VOLKSBLATT“, der „HUMUS“ (ehemals KOMPOST)“ in Löhrbach und der „MOTZKOPP“ in Mainz, das „BLATT“, der „FLIEGENPILZ“ oder der „ROTE GENERATOR“ in München, der „KNIPPERDOLLING“ in Münster und der „VERRECKERLING“ in Niedernhausen, der „PLÄRRER“ in Nürnberg und „s“ Käsblattle“ in Radolfzell und das Schorndorfer „BLÄTTLE“ und das Stuttgarter „Blättle“, der „OMMES“ in Viersen, der „POTTKIEKER“ in Waltrop, der „DAILY TERROR“ in Wertheim oder irgendeine andere der Hunderte bundesrepublikanischer Stadt-, Stadtteil-, Volk-, Bürgerinitiativ-, Leser-, Schwulen-, Jugend-, Bauern-, Hochschul-, Dorf-, Provinz-, Knast-, Film-, Kultur-, Revolver-, Graswurzel-, Hippihasch-, HILDEN – FÜR – DIEWILDEN – Straßenmusiker-, Bambule-, Stadtstreicher-, Querfeldein-, Heile-Welt-, Lumpen-, Oberamts-, Heimat-, Traum-, Sumpf-, und Basis-ZEITUNGEN zwischen Alpen und Uelzen, Hamburg und München.

FREUT UNS, weil daraus zu erkennen ist, dass die Alternativpresse den ID als Pressedienst benützt und dass im ID Berichte stehen, die von unseren Freunden bei den Alternativblättern für wichtig genug gehalten werden, um sie weiter zu verbreiten. Denn Pressedienst sollte der ID nach unserer Ansicht allemal sein.

Und es FREUT UNS, wenn um den Auswuchs des „Rechtsstaats“ eher betroffene als zufriedene Mitarbeiter bürgerlicher Medien anrufen und abonnieren. Auch, dass ID-Berichte ohne Quellenangabe Wort für Wort passagenlang z.B. in „konkret“ zitiert oder der „Süddeutschen Zeitung“ gedruckt werden oder Diffamatorisches den ID aus DUNKLEN QUELLEN des Verfassungsschutzes im „Spiegel“ erscheint oder lächerliches aus HELLEN QUELLEN des BKA Berlin über „Staatsgefährdendes“ (siehe Teufel-Telegramm, ID 248) seinen Weg in den „stern“ findet UND UND UND

Der ID, vollen Namens „Informationsdienst zur Verbreitung unterbliebener Nachrichten“, wird von Basiskorrespondenten seit mehr als fünf Jahren als PLATTFORM zur Verbreitung unterbliebener und unterdrückter Nachrichten betreten und benutzt: sie berichteten aus Wyhl lange bevor KKW-Innenminister Eberle aus dem Amt „geflüchtet“ wurde; aus Ossendorf und Stammheim von Anfang der Isolationsfolter; vom Kampf um selbstverwaltete Jugendzentren ununterbrochen; von alternativen Lebensformen in Landkommunen und städtischen Wohngemeinschaften, SELBSTVERWALTETEN Verlagen, Zeitungen und Buchläden der undogmatischen Linken und von staatlicher Repression und Terror gegen uns wie gegen politische Gefangene in Vollzugsknästen. Das Herausgeberkollektiv des ID suchte und fand Wege der lockeren Zusammenarbeit und des Austausches mit der rasch wachsenden Alternativpresse und organisierte zusammen mit dem Aachener „klenkes“ das erste (und folgende) Alternativpresse-Treffen, woraus übergreifende Projekte hervorgingen, so etwa der SOLIDARITÄTSFONDS für die Unkosten der von der Justiz verfolgten Blätter.

Es ist erst drei Jahre her, als die ID-Auflage noch etwa 2.000 Exemplare pro Woche betrug und wir während recht mühevollen Drucksachenversandes uns den ALTERNATIVEN VERTRIEB wünschten, der, getragen von der alternativen Bewegung die Herausgabe einer Tageszeitung ermöglichen würde, die aus dem ID hervorgehen könnte, etwa so wie aus dem „agence presse liberation“ die „Libe“ hervorging. Vorsichtshalber träumten wir dann doch erst mal nur von einer regionalen Tageszeitung, etwa für den Rhein-Main-Raum zwischen Frankfurt, Offenbach, Darmstadt, Mainz und Wiesbaden, oder Berlin, oder München.

Seit dem DEUTSCHEN HERBST haben ID-Mitarbeiter dazu beigetragen, das heutige Geflecht der Initiativgruppen des „TAZ-PROJEKTES“ entstehen zu lassen. Doch wie soll „Die TAGESZEITUNG“ finanziert werden, wann wird sie erscheinen? Bei nüchterner Betrachtung gibt es vorerst keine rasche Antwort, von daher fühlen wir vom ID uns desto stärker in die Notwendigkeit eingebunden, den ID als überregionale Kommunikationsbasis der Betroffenen und Informationsblatt der UNDOGMATISCHEN LINKEN weiter zu entwickeln, bis alle Fragen um die „taz“ beantwortet sind und sie so erscheint, wie wir sie uns vorstellen: mit einem Bein auf Berichten der Betroffenen und der Basis ruhend. Das haben die bisherigen NULLNUMMMERN der „taz“ noch nicht so recht einzulösen vermocht, nicht zuletzt wegen der Widersprüche in den Initiativgruppen bezüglich des ID-Selbstverständnisses, wobei die Meinung prinzipieller ID-Kritiker doch sehr stark vom Schlagwort „Kampf zweier Tageszeitungen um den Markt der linken Leser“ geprägt ist, wonach Berichte Betroffener als „Dilettantismus“ diffamiert werden gegenüber dem „Enthüllungs-Journalismus“. Das ist dann doch zu unreflektiert, solche Alternative stellt sich uns nicht, wir möchten beides haben. Wobei es den „taz“-Initiativen bisher nicht gelungen ist, den in den Medien zum „Systemvergleich“ angetretenen Kommentatoren publizistisch entgegenzutreten und zu sagen: Berichte von Betroffenen – verfügen über Authentizität, die Profijournalisten über in der Regel fehlt. Sie bleiben die „Nachempfindenden’, die oft genug vergeblich alle kategorialen Schubladen zugleich ziehen um sie nach „passenden Rastern“ zu durchwühlen.

Wie aber weiter mit dem ID? Die Auflage pendelt wöchentlich um die 6.000. Diese Selbstdarstellung lest hier nicht zuletzt deshalb, weil wir durch Öffentlichkeit das Wachsen sowohl der Korrespondentenzahl des ID als auch dessen Bezieher- und Abonnentenzahl vergrößern wollen. Um den ID als PUBLIZISTISCHE PLATTFORM für „unterbliebene Nachrichten“ auszubauen fordern wir auf, nicht nur den ID zu abonnieren oder besser über den linken Buchladen in eurer Stadt zu beziehen, sondern auch zu spenden und Patenschafts-Abonnements zu übernehmen, etwa für durchschnittlich 200 bis 400 Gefangenen, die wir seit Jahren wöchentlich kostenfrei mit ID versorgen.

Die Scherben, die nach „Staatsschutz“-Aktionen von bürgerlicher Presse und öffentlich-rechtlichen Medien unter den Tisch gekehrt wurden, wurden hervorgeholt und waren regelmäßig im ID wiederzufinden. Die repressiven Auswirkungen der neuen Strafgesetzbestimmungen fanden über den ID Öffentlichkeit. Der ID, wiederholt durch Verfassungsorgane und die Stellvertreterpresse diffamiert und Ermittlungen und Prozessen ausgesetzt, wusste sich zu behaupten. Doch der DEUTSCHE HERBST fuhr in unsere Knochen, überrollte alles bisherige.

Dann das Russell-Tribunal, erste Sitzungsperiode. DER ID ERSCHIEN TÄGLICH unter Mitarbeit vieler ID-Korrespondenten aus der ganzen BRD. Ein Schritt weiter hin zur Tageszeitung, andererseits war der finanzielle Aufwand beträchtlich.

Zurückblickend: Ein Jahr nach der Gründung (1973) bezog das ID-Kollektiv Raum im Gebäudekomplex einer ehemaligen Frankfurter Schriftgießerei in der Hamburger Allee 45. Nebenan entstand bald darauf das Druckkollektiv des „druckladens“, später zogen „Pflasterstrand“ und „Autonomie“ in unmittelbare Nachbarschaft, nahmen ID-Bilderdienst und „Hochschul-Info-Dienst’ die Arbeit auf, mietete die „taz“-Gruppe Frankfurt Arbeitsräume, bildete sich die Fotogruppe „Moskito“. ID bot Unterstützung. WIE ABER WEITZER? Im ID 255 vom 11. November 1978 veröffentlichten wir unter der Überschrift „Ihr werdet lachen: Der ID sieht noch eine große Zukunft vor sich“ die erste Folge einer inhaltsreichen Reihe „INTIMSTER“ Beiträge über den ID. Weitere werden folgen.


ID-HAUSMITTEILUNGEN. Informations-Dienst zur Verbreitung unterbliebener Nachrichten 258 vom 2. Dezember 1978.