Materialien 1978

Betreff: Bullenprügel

Herrn
Hans Dräxler
- Abendzeitung -
Sendlingerstraße
8000 München 2

Sehr geehrter Herr Dräxler,

Ihr Erstaunen über die Tatsache, dass auf Polizeirevieren routiniert geprügelt wird, ist geradezu rührend. Die für den Journalismus nötige Weltfremdheit sollte aber nicht übertrieben werden. Täglich wird in unseren Polizeirevieren geprügelt, und die Schläger decken sich durch ihr gegenseitiges Zeugnis, fühlen sich immer beleidigt und zeigen die Verprügelten wegen „Widerstand“ und Körperverletzung an. Vor zwei Jahren geschah mir das auf dem für Schlägereien berüchtigten Revier 24 (Kazmairstraße), und seitdem hörte ich mich um; seitdem weiß ich, kein Sonderschicksal erlitten zu haben. Damals brach man mir eine Rippe, schlug mich ausdauernd und in die Bewusstlosigkeit, ich verlor ungefähr einen Liter Blut; ärztliche Versorgung wurde mir unter Lachen und Schlägen verweigert, dafür die Erschießung im Falle des Weglaufens angedroht. (Es handelte sich um das Verbrechen der nächtlichen Ruhestörung; ich wurde aber als „Kommunistenschwein“ enttarnt.) Meine Anzeige wurde prompt durch die beteiligten Herren und Herrn Polizeipräsidenten Schreiber persönlich gekontert: Beleidigung, Widerstand, Körperverletzung. Vor Gericht – ICH kam vor Gericht – verwickelten sich die Herren Obermaier, Stegmaier, Filsmaier und Schlosser, gesunde junge Burschen vom Lande, zwar in entzückende Widersprüche, so wurde ich vom Vorwurf des Widerstands und der Beleidigung freigesprochen, doch es blieb die „Beleidigung“, die darin bestand, dass ich die ersten Schläge als „faschistische Methoden“ bezeichnet hatte. Das kostete DM 240.- – mit Gerichts- und Anwaltskosten aber DM 1.500.-. Von einer Berufung sah ich ab, weil ja die „Formalbeleidigung“ blieb, die Kosten aber nur gewachsen wären.

MEINE Anzeige wegen Beleidigung, Körperverletzung und wissentlicher Falschaussage vor Gericht führte zu keinem Verfahren, weil gegen die Phalanx der Obermaier, Stegmaier, Filsmaier und Schlosser nicht anzukommen war – was Sie schon beim Schlagen wussten: „Was willst du denn, wir sind Fünf gegen einen, da kannst du sagen, was du willst.“ Der Fünfte war der Wachhabende, an den ich mich um Hilfe wandte, und der fröhlich die Prügelorgie kommentierte. Vor Gericht wurde die Ansicht vertreten, ich hätte mir die in der Universitätsklinik bestätigten Verletzungen (Rippenbruch, blaue Flecken am ganzen Körper, Verdacht auf Nasenbeinbruch selber zugefügt: durch Rennen an die Wand; Blutspritzer dort bezeugten das ja …

Auf dem Revier 24 wurde während des Theaterfestivals eine Bekannte bewusstlos geschlagen und übel zugerichtet. Vor diesem Revier warnte ich im „Stadtbuch für München“. Andere Reviere sind ebenso berüchtigt.

Über meine sadistischen Polizisten schüttelte sogar der Richter den Kopf, ermäßigte die Strafbefehlsforderung von DM 1.200.- (ergangen auf Grund der Steg-, Fils-, Obermaier- und Schlosser-Bekundungen in den Akten) auf 240 DM, das einem Freispruch nahekommt — aber auf dem Revier 24 wird weitergeprügelt. Sogar während der Verhandlung drohte die Schlägerbande meinen Freunden einen Besuch an: sie hätten ja auch mal Urlaub. Der Freund, der sich am meisten für mich eingesetzt hatte, wurde einige Zeit später von Unbekannten, nachts vor unserem Haus, nicht weit von der Kazmairstraße, von hinten angefallen und übel zusammengeschlagen.

Die Nürnberger Prügelpolizisten sind bekannt. Der Frankfurter Rundschau gehen wöchentlich zwei bis drei Klagen Betroffener zu, die Polizei redet aber natürlich vom Widerstand und der Körperverletzung durch die Verprügelten. Die FR verzichtet auf diese Berichterstattung, da indirekt mit Entzug des Polizeiberichtes gedroht worden sei. Bekannt ist auch der Frankfurter Fall, wo heimgehende Demonstranten von Freunden und Helfern zusammengeschlagen wurden, die Polizisten sofort die beliebte Anzeige wegen Widerstand stellten – nur hatte zufällig ein Staatsanwalt vom Dienstzimmer aus die Szene beobachtet und notiert …

Da die interessante Frage, was Frauen im Bett gut macht1 , inzwischen wohl erschöpfend beantwortet ist, sollten Sie sich endlich der Frage zuwenden, was unsere Polizisten denn so brutal (und verlogen dazu) macht.

Mit freundlichen Grüßen
Heinz Jacobi


Der Bote Nr. 9. Der Martin-Greif-Bote. Die politisch-literarische Zeitschrift aus der Martin-Greif-Straße, München 1981, 121 ff.

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1 Serie in der Abendzeitung.

Überraschung

Jahr: 1978
Bereich: Bürgerrechte

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