Materialien 1978

Offene Worte

Mit unserem Sozialreferenten, den wir immer den „schwarzen Referenten“ nannten, hatte ich am Anfang große Schwierigkeiten. Er wollte das monatliche Gespräch nicht führen, das im Personalvertretungsgesetz (PVG) festgelegt ist. Es wurde ihm im Rathaus gesagt: „Oh Gott, was haben die schon zu erzählen.“ Bei der offiziellen Einführung dieses Sozialreferenten kam auch der Oberbürgermeister zu uns herüber. Ich trug ganz demonstrativ ein rotes T-Shirt mit meinem ÖTV-Logo daran festgesteckt. Es war sehr heiß an dem Tag und der Oberbürgermeister sagte zu mir: „Jetzt trinken wir ein Glaserl.“ Ich dachte mir, dass er so verhindern will, dass auch ich etwas sage. Ich hatte wohl einen schlechten Ruf bei der CSU.

Der Geschäftsleiter des Sozialreferats hatte so ein dickes Fell, dass der überhaupt nicht mitbekam, was der Oberbürgermeister bezweckte. Also sagt er gleich nach dem Glas Sekt: „Frau Pfefferer, jetzt müssen Sie ein paar Worte reden!“ Ich war ja auch Referats-Personalratsvorsitzende. Dann ging’s los. Ich meinte: „Herr Oberbürgermeister, ich finde das toll, dass Sie da drüben im Rathaus einen so teuren Lüster angeschafft haben. Sie sehen, wie beengt wir hier in der Reisinger Straße sind. Ich bin sicher, dass Sie für uns auch etwas tun.“ Alle lachten, nur den Oberbürgermeister wurmte das natürlich. Er wollte mir in die Parade fahren und mich unterbrechen. Also sagte ich: „Herr Oberbürgermeister, ich habe Sie nicht unterbrochen, jetzt unterbrechen Sie mich auch nicht.“

Kaum war die Feier zu Ende, rauschte er ab. Der Geschäftsleiter fragte mich nur: „Musste das jetzt sein?“ Und ich sagte: „Ja.“ Der Sozialreferent sagte: „Frau Pfefferer, die nächste Zeit brauchen Sie mit dem nicht mehr reden. Der ist stocksauer auf Sie.“ Ich antwortet nur, dass ich damit leben kann.

Das monatliche Gespräch gab es immer noch nicht. Der Referent hatte den Auftrag, das nicht zu machen und daran hielt er sich, weil er ja noch einmal wiedergewählt werden wollte. Unser Geschäftsleiter fragte mich, was ich gäbe, wenn der Sozialreferent wiedergewählt würde. Ich sagte: „Wissen Sie, was der von mir kriegt? Eine Dienstaufsichtsbeschwerde und sonst gar nichts.“ Der Geschäftsleiter verständigte daraufhin den Sozialreferent und später rief mich dessen Sekretärin an und meinte, ich sollte mal kommen. Sie zeigte mir seinen vollen Terminkalender, aber ich winkte nur ab: „Das interessiert mich überhaupt nicht. Der hat das monatliche Gespräch zu führen, oder er kriegt eine Dienstaufsichtsbeschwerde.“

Am nächsten Tag um acht Uhr in der Früh erhielt ich einen Anruf: „Frau Pfefferer, runter zum Referenten!“ Da wusste ich schon, was los ist. Der Geschäftsleiter war da und alles, was Rang und Namen hat. Der Geschäftsleiter hatte den Auftrag bekommen, mich klein zu kriegen. Er setzte an, aber ich ließ ihn gar nicht ausreden und wandte mich direkt an den Sozialreferenten: „Wenn Sie endlich begreifen würden, dass wir kein Karnickelzüchterverein sind, sondern eine von der bayerischen Regierung eingesetzte Personalvertretung, dann würden wir uns gut verstehen, aber so nicht.“ Dann war die Sache erledigt. Sie merkten, dass nichts mehr geht.

Daraufhin fand das monatliche Gespräch plötzlich statt. Der Referent bekam spitz, dass er vom Personalrat mehr darüber erfährt, wo es Schwierigkeiten gibt als von seinen Amtsleitern. Lauter Sachen, die er von seinen Amtsleitern nie gehört hatte. Logisch, die wollten schließlich gut dastehen. Schließlich kam er von sich aus und fragte: „Frau Pfefferer, wann machen wir wieder das monatliche Gespräch?“

Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft

Der Referent bekam dann große Probleme. In der Reisingerstraße setzten sie ihm sogar mal einen Misthaufen vor die Tür. Zur Verabschiedung überreichte ich ihm einen Beutel mit lauter Hipp-Babynahrung usw. – seine Tochter hatte gerade ein Kind gekriegt. Ich schrieb dazu, da er ja so auf arischen Nachwuchs aus sei, kriegt er von mir diese Kindernahrung und einen Schnuller. Alle lachten …

Anni Pfefferer


Ingelore Pilwousek (Hg.), Wir lassen uns nicht alles gefallen. 18 Münchner Gewerkschafterinnen erzählen aus ihrem Leben, München 1998, 223 f.

Überraschung

Jahr: 1978
Bereich: CSU

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