Materialien 1979
Frauenhaus
Die Geschichte des Frauenhauses beginnt mit der Gründung der Frauenhausgruppe, die sich im Mai 1976 aus der Gruppe „Gewalt gegen Frauen“ herausentwickelt hat, mit dem Ziel in München für geschlagene Frauen ein Haus einzurichten. Ein Jahr auf dieses Ziel hin: sie machten Informationsstände, Interviews in Notizbuch und Familienfunk u.a. Sie bereiteten ein Konzept anhand der Berliner, Kölner und Amsterdamer Frauenhauserfahrungen vor. Sie versuchten sich inhaltlich und seelisch mit dem Projekt vertraut zu machen. Sie traten an die Behörden heran und entwickelten Kontakte zum Sozialreferat, zu möglichen privaten Trägem wie dem Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband und anderen Vereinen. Sie sammelten Geld und Unterschriften und konnten bald annehmen, dass das „öffentliche“ d.h. behördliche Interesse an einem Frauenhaus soweit gediehen war, dass man mit Unterstützung des Planes rechnen konnte.
Dann im Mai 1977 kam der große Rückschlag: Ein Frauenhaus will die Stadt schon haben, aber die Bedingungen werden von der Stadt, dem Ministerium gestellt:
a) Keine Verbindung zum Frauenzentrum.
b) Der Name darf nicht Frauenhaus sein.
c) Trägerschaft fürs Frauenhaus nur in Verbindung mit einem, besser zwei etablierten Vereinen.
d) Wehrhafte Männer sollen im Hause zum Schutze der Frauen wohnen – Studenten -
e) Beirat aus Vereinen, Stadt und Ministerium wegen Transparenz (!) geändert von der Stadt in vierwöchentliche Kontrollsitzungen Stadt/Staat/beteiligte Vereine.
Diese Bedingungen waren für die Frauenhausgruppe unannehmbar. Sie wollen ein autonomes Haus und sie beschließen trotz aller Schwierigkeiten auch ohne Stadt und Staat ein Haus einzurichten.
Der nächste Hammer: Die Stadt richtet ein großes Frauenhaus ein. Das Projekt wurde dem eher konservativen Verein für Fraueninteressen übergeben. Trotzdem, die Frauen geben nicht auf. Und am 1. Januar 1978 haben sie ein Haus, d.h. eine Dreizimmerwohnung in einem Haus mit Gartenbenutzung, und eine Frau ist fest angestellt! Zwei Frauen mit zwei Kindern sind auch schon da, um die Einrichtung in Anspruch zu nehmen.
Seit Juli 1978 ist das Haus immer voll, manchmal übervoll gewesen. Angestellte – inzwischen sind es vier – des Frauenhauses und drei Praktikantinnen und freiwillige Helferinnen kümmern sich um die Frauen, die im Haus sind, um die Kinder und um die, die anrufen und zu denen man hin muss, trösten, beraten, Mut machen!
Oft rufen die Caritas, die Bahnhofsmission, Ärzte, Krankenhäuser oder einfach Freundinnen von misshandelten Frauen oder auch das Städtische Frauenhaus an und fragen, ob im „Autonomen Haus“ noch Platz ist.
An den vielen Anrufen wird auch deutlich: Das Städtische Frauenhaus alleine kann inzwischen gar nicht alle Frauen aufnehmen, die dringend der Hilfe bedürfen.
Und jetzt das:
1. Wir sind zum 15. März 1979 aus unserer Wohnung gekündigt – geschlagene Frauen und deren Kinder stehen damit auf der Straße. Die Arbeitsplätze der Betreuerinnen und Praktikantinnen gehen verloren.
2. Die Stadt hat sich trotz mehrmonatiger Verhandlungen geweigert uns eines ihrer Häuser zu vermieten. Begründung: Der Bedarf sei langfristig nicht erwiesen.
(Aus einem Flugblatt)
(Ein Angebot hat die Stadt allerdings bisher gemacht: Sie hat den Frauen eine alte Fabrik angeboten, in Thalkirchen, die sie sich umbauen könnten – für 60.000 (!) DM).
Das Frauenhaus wird dringend gebraucht! Jede Frau kann das Pech haben, verprügelt, vergewaltigt, total unterdrückt, kaputt gemacht zu werden. Und meistens sind nicht nur sie, sondern auch ihre Kinder in Mitleidenschaft gezogen.
Die Frauen des Frauenhauses helfen in akuten Notlagen, geben Hilfe zur Selbsthilfe und Solidarisierung der Frauen untereinander. Sie versuchen – nicht zuletzt in einem Selbstverteidigungskurs – das Selbstwertgefühl der Frauen wieder zu stärken.
Denn in unserem Land besteht zur Zeit kaum Aussicht, dass sich die Gewalttätigkeit verringert – im Gegenteil.
Uta
DESHALB
Wer weiß, wo ein Haus leer steht, wer weiß, wer ein Haus vermietet oder ein Etage, möglichst mit Garten? Etwa 200 – 300 qm werden ungefähr gebraucht! Ruft an !!! 156246
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Am Donnerstag letzter Woche machte das Frauenhaus eine Pressekonferenz, um von der Öffentlichkeit Unterstützung für ihre Pläne zu erhalten und in der Hoffnung, auf diese Weise ein Haus zu finden.
Am Tag nach der Pressekonferenz fuhren wir zu dritt zum „Frauenhaus“, um uns selbst ein Bild zu machen. Die Adresse, die geheim gehalten wird, gab uns eine Frau vom FH.
Ein altes Haus in einer bürgerlich noblen Gegend, für mich ist es hier bedrückend sauber und ordentlich – an der Tür kein Schild.
Wir setzen uns in ein kleines, als Büro eingerichtetes Zimmer. Die Frauen sind noch unterwegs, die meisten auf Ämtern um das Geld für Miete und Unterhalt zu erkämpfen oder ein Wohnung zu suchen. Während wir warten, läutet das Telefon, wir fangen Gesprächsfetzen auf: „Was, er hat Dich schon wieder verprügelt … ?“ „Und der andere Typ hat zugeschaut …“ „Aber Du hättest doch wissen können …“ „Wo bist Du jetzt? Pension … okay, Christa ruft dann zurück.“ Wir fragen nach, was da los ist, da läutet es wieder. „Vielen Dank, aber unsere Frauen wurden alle von Männern misshandelt, sie wollen mit Frauen zusammen leben.“ M. erzählt, dass dies schon der 6. Anruf dieser Art war. Typen, die Frauen bei sich wohnen lassen wollen, Gegenleistung Putzen natürlich(!), melden sich. Ein 64jähriger, ein Besitzer eines 20 qm Appartements … Aber ruhig muss sie sein, ein bestimmtes Alter wird gewünscht.
Dies ist die Reaktion auf die Sendung der Abendschau und die Presseberichte vom Freitag. Während unserer Anwesenheit ruft ein einziger an, der einen konkreten Hinweis auf ein leerstehendes Haus hat.
Christa hilft einer älteren Frau beim Ausfüllen eines Formulars. „Da fragen wir erst mal den Anwalt, ich glaub, das musst Du nicht angeben“. „Doch, die schreiben da vorne, dass ich das muss.“
D. kommt mit ihrem Kind herein. Wir kennen sie von der Pressekonferenz, sie konnte es wagen dabei zu sein, denn sie kommt aus Norddeutschland und ihr ehemaliger Freund sieht die Sendung, die nur in Bayern ausgestrahlt wird, nicht.
Zusammen gehen wir in den 2. Stock. So eng hab’ ich es mir selbst nach den Schilderungen bei der Konferenz nicht vorgestellt. Man geht von der Treppe aus in einen schmalen Flur, der als Küche eingerichtet ist. Im Bad steht Geschirr und der Abwasch. In einem kleinem Zimmer lebt D. mit ihrer Tochter. Der Raum nebenan ist größer, in ihm steht ein Bett an dem anderen. Das dritte karg eingerichtete ist das Gemeinschaftszimmer. Auf diesem Raum leben also sieben Frauen mit vier Kindern, andere sind in Pensionen untergebracht oder mussten nach Beratung und Information über ihre Rechte wieder weggeschickt werden. Räumlich ist das Frauenhaus ausgelastet. Nur dringende Fälle nimmt man noch auf. „ Wir können eine Frau, die blaugeschlagen vor der Tür steht, nicht im Stich lassen. Dann wird’s halt noch enger hier.“
Die Stadt meint: Es besteht kein Bedarf für ein weiteres Frauenhaus. Wir sitzen inzwischen im Gemeinschaftsraum. Susanne will fotografieren, sofort wird gefragt wo die Zeitung überall erscheint und was wir berichten wollen. In manchen Zeitungen beschränkten sich die Berichte über Frauenhäuser auf Beschreibung des Drecks und der Unordnung, die dort angeblich herrscht.
Außerdem haben die Frauen Angst, von ihren Männern gefunden zu werden.
Uta fragt, wie sich Ärzte und Polizei gegenüber misshandelten Frauen verhalten. … „Einmal hat uns eine Streife eine Frau hierher gebracht. Aber im Allgemeinen werden die Frauen mit der Begründung, dass dies eine Familienangelegenheit sei und man da nichts machen könne, nach Hause geschickt.“ … „Mein Mann sei nervös, ich müsste mehr auf ihn eingehen und Verständnis haben. Wir hatten wirklich vorher gestritten und ich war aggressiv. Der Arzt hatte recht und ich machte mir Vorwürfe“, erzählt eine Frau, deren Freund sie während der Schwangerschaft krankenhausreif schlug. Als sie die dritte Gehirnerschütterung auskuriert hatte, floh sie mit ihrer inzwischen 2jährjgen Tochter nach München ins Frauenhaus.
Sie erzählen von der Frau, deren Anruf wir heute mitgekriegt haben. 6x schon ging sie zu ihrem Mann zurück, immer wieder ließ sie sich verprügeln, lief davon, ging zurück. Einige Frauen versuchten mit Tabletten und Alkohol ihr Schicksal zu ertragen, bis sie es schafften auszubrechen. Vielen gelang es im Frauenhaus von den Drogen loszukommen, selbständig zu werden und ein neues Leben anzufangen.
Manche Frauen geben auf, sie glauben es nicht allein zu schaffen und gehen zurück. „Es gibt Frauen, die hatten gebrochene Knie, Nierenquetschungen, Gehirnerschütterungen, einfach alles, was du dir vorstellen kannst, und gingen zurück.“
Das Frauenhaus ist eng, frau kann sich nicht zurückziehen, es ist schwer für Frauen mit Kind oder gar eine Frauen-WG, Wohnungen zu finden. Vorurteile wie, das sind doch Linke, Lesben, Asoziale usw. und die Meinung, die Frau gehört zu ihrem (Ehe-)Mann, herrschen bei den Behörden wie bei privaten Hausbesitzern vor.
Else
Blatt. Stadtzeitung für München 140 vom 23. Februar 1979, 4 ff.