Materialien 1979

Dokumente der Kollaboration

Von den Besetzern des inzwischen wieder geräumten iranischen Generalkonsulats in München ha-
ben wir einige der Dokumente erhalten, die sie sichergestellt hatten. Sie illustrieren die mannigfa-
che Kontrolltätigkeit des Münchner Konsulats im Dienste des Schahs und die penible Hilfsbereit-
schaft der deutschen Behörden. Von der im gleichen Hause untergebrachten SAVAK-Agentur gibts nichts mehr zu lesen. Die sogenannten ‚Konsuln’, die sie betrieben, haben alles Beweismaterial vor ihrer vorzeitigen Flucht durch den Reiswolf gedreht. Die hier abgedruckte diplomatische Korres-
pondenz ist ein kleiner Auszug aus dem vorgefundenen Material. Sie wurde von hier lebenden Ira-
nern übersetzt. Die Angaben in Klammern stammen von uns und informieren über Hintergründe, die aus dem Inhalt der Dokumente nicht unmittelbar ersichtlich sind.

Brief vom Münchner Generalkonsulat an Herrn Khansari, Genf
(Khansari war Chef der SAVAK in Europa)

Oktober 1970

Sehr geehrter Herr Khansari,

Wie vom Außenministerium bestimmt wurde, haben wir die zugesandten Flugblätter an die Studenten weitergeschickt.

(Es handelte sich um Flugblatt an die iranischen Studenten im Ausland, das sie vor der CISNU warnt. In ihm wird mitgeteilt, dass allein die Mitgliedschaft in der CISNU 3 bis 10 Jahre Haft bringt.)

Heute sprach ich mit einem Bekannten, der eine offizielle Stellung bei der hiesigen Polizei innehat. Vertraulich teilte er mir mit, dass die Zusendung dieses Flugblatts an die Studenten ein Fehler war, da sie in der Bundesrepublik bereits mit diesem Flugblatt einen Asylantrag stellen können.

Ich fühle mich verpflichtet, Ihnen das mitzuteilen.

Generalkonsul
A. Eskandari

Vom Außenministerium an alle diplomatischen Vertretungen (kein Witz)

August 1972 – sehr geheim

Wie Sie wissen, kann der Mensch, wenn er operiert wird und unter Narkose steht, die Kontrolle über seine Zunge verlieren und ungewollt plaudern. Dabei ist es durchaus möglich, dass gewisse amtliche oder staatliche Geheimnisse preisgegeben werden. Daher wurde beschlossen, dass ab heute für alle Staatsbeamten, die in irgendeiner Weise mit Geheimakten etwas zu tun haben, folgende Bestimmungen gelten.

1. Alle Beamten sind zu unterweisen, im Falle einer Operation mit Narkose ihren Vorgesetzen zu unterrichten. Hat der betreffende Beamte selbst keine Zeit mehr für eine Benachrichtigung, so ist er verpflichtet, ein Familienmitglied mit der Benachrichtigung zu beauftragen.

2. Nachdem der Vorgesetzte von der Operation unterrichtet ist; soll er einen zuverlässigen und vertrauenswürdigen Mitarbeiter damit beauftragen, während der ganzen Zeit der Narkose (während und nach der Operation) bei dem Kranken zu bleiben. Sollte der Kranke etwas sagen, so ist der Beamte verpflichtet alles getreu aufzuschreiben und mit den genauen Angaben der Anwesenden (Gemeint sind wohl die Ärzte und Krankenschwestern) an seinen Vorgesetzten weiterzugeben, damit dieser das ganze Material an die Zentrale schickt.

Bitte ordnen Sie an, dass die oben genannten Weisungen streng eingehalten werden.

gez. Im Auftrag des Außenministers …

Brief vom Stellvertreter des iranischen Außenministeriums an das kaiserliche Amt (vergleichbar dem Bonner Kanzleramt) in Teheran

August 1970

Sehr geehrter Herr Minister!

Nach dem Rapport im Münchner Generalkonsulat hat der Generalkonsul mit Herrn Dr. Josef Huber, dem Ministerialdirigenten in der bayerischen Staatskanzlei, ein Gespräch geführt. Hiermit teile ich Ihnen die wichtigsten Passagen dieses Gesprächs mit:

Herr Dr. Huber bedauerte es sehr, dass die Aktionen von ein paar Studenten und mangelnden Kollaboration mit der deutschen Polizei die Beziehungen der beiden Länder so beeinträchtigen konnten. Wie Herr Huber meinte, ist die Münchner Polizei dem Oberbürgermeister unterstellt. Bürgermeister Dr. Vogel sei aber Sozialist und daher gebe es kaum eine Möglichkeit, auf dieser Ebene etwas Ernsthaftes dagegen zu unternehmen. Alle unsere Weisungen werden sehr langsam befolgt, was sehr bedauerlich ist.

Der Herr Ministerialdirigent bestätigte unsere Maßnahme und machte uns indirekt verständlich, dass es am besten wäre, die ganze Angelegenheit im Bundestag vermittels eines Bundestagsabge-
ordneten der CSU zur Sprache zu bringen. In ihm wäre anzudeuten, dass das bisherige Verhalten der sozialistischen Regierung dazu führen könnte, dass die BRD ihren besten Freund in Asien ver-
lieren wird und der deutsche Export Schaden nimmt. Herr Huber meinte, es wäre von Vorteil, in dieser Angelegenheit auf höherer Ebene mit Herrn Strauß Kontakt aufzunehmen. Wenn diese Sa-
che im Bundestag zur Sprache kommt, hat sie einen direkten Einfluss auf die nächsten Wahlen in Bayern.

Man kann ja behaupten, dass die Wahlen in Bayern – dem wichtigsten Land der BRD – am 22. November und die in Frankfurt am 8. November das Schicksal der jetzigen sozialistischen Bun-
desregierung bestimmen werden.

gez. A. Khalarbari
Stellvertreter des Außenministers


Blatt. Stadtzeitung für München 141 vom 22. März 1979, 22.

Überraschung

Jahr: 1979
Bereich: Internationales

Referenzen