Flusslandschaft 1961
Frieden/Abrüstung
Vom 30. März bis 3. April finden in der BRD vier Ostermärsche mit 7.500 Demonstranten und 20.000 Kundgebungsteilnehmern statt. Der Münchner Marsch führt vom Konzentrationslager Dachau nach München. Heinz Huber erinnert sich: „Die Genehmigungsbehörden führten uns
über Wald und Wiesen. Auf der Straße durften wir nicht gehen, sondern außerhalb Münchens
auf dem Radlweg der Dachauer Straße und innerhalb der Stadt auf dem Fußgängerweg. Es gab Schikanen ohne Ende und rigide Auflagen: Wir durften keine Flugblätter verteilen und kein Megaphon benutzen. Letzteres Verbot hat aber ein Gerichtsurteil wieder kassiert.“1 Bei der Kundgebung in München nehmen Erich Kästner, Erich Kuby, Rolf Boysen und Ernst Geitlinger teil.2
„Jeder hat eine Chance“ heißt es in einer Broschüre zum Schutz vor Atombombenabwurf, die das Bundesamt für zivilen Bevölkerungsschutz im November 1961 herausgibt und an alle Haushalte verteilen lässt. Mitglieder der Internationale der Kriegsdienstgegner (IdK) verteilen Flugblätter.3 – Münchner Jugendliche nehmen die Empfehlungen des Amtes Ernst: Wer keinen Bunker hat, soll sich ein Erdloch graben. Mit der Begründung „Wir wohnen in Mietshäusern, besitzen weder einen Bunker noch ein eigenes Grundstück und wollen der Aufforderung des Innenministeriums Folge leisten“4, graben sie in einer der schönsten Anlagen des Münchner Zentrums Erdlöcher, bis die Funkstreife kommt. Nach einer Anzeige wegen Beschädigung öffentlichen Eigentums und Erre-
gung öffentlichen Ärgernisses kommt es zum Prozess, der durch mehrere Instanzen geht und von den Jugendlichen gewonnen wird. Auch in der Münchner Lach- und Schießgesellschaft wird die Broschüre mit Hohn und Spott überschüttet. Die Schauspieler zeigen demonstrativ, wie sich die Bürger mit Hilfe von Aktentaschen gegen den nuklearen Niederschlag schützen können.5
… letzte (?) Kundgebung gegen die Atombewaffnung der Bundeswehr …
Im UNO-Bericht über Abrüstung vom März 1962 heißt es, weltweit wären 1961 für militärische Zwecke 480 Milliarden DM ausgegeben worden.
(zuletzt geändert am 13.7.2020)
1 Heinz Huber in der Sendung „Nie wieder Barras, nie wieder Krieg“ des Friedensforums in Radio Lora am 7. September 1989.
2 Plakat „Ostermarsch der Atomwaffengegner“, Königsplatz und KZ Dachau, auf der Rückseite amtliche Bestätigung über die Vorlage des Plakats vom 30. März 1961 sowie Flugblätter in: Stadtarchiv, Zeitgeschichtliche Sammlung 190/5. Siehe „Ostermarsch“ von Erich Kästner.
3 Siehe „erinnern Sie sich noch …“ von Ernst Grube.
4 Zit in: Krieg oder Frieden. Kampagne für Abrüstung. Kalender 1964, München 1963, Februar verso.
5 Siehe „Kunst/Kultur“ 1962.
6 westermanns monatshefte 6 vom Juni 1961, Braunschweig, 97.