Materialien 1980
Böse Überraschung
Am letzten Samstagnachmittag (20. September) kam ich auf dem Spaziergang mit meinem Hund über den Preysingplatz und weil ich schon grad da war, beschloss ich, mich draußen hinzusetzen und einen Kaffee zu trinken. Außer mir saßen am Tisch noch zwei, die Bier tranken und auch zwei Ausländer. Auf dem Preysingplatz war mal wieder viel los: in der Johanneskirche feierten Ausländer in großem Familien- und Freundeskreis eine Hochzeit. Aus der Menge kam dann noch ein Ausländer und setzte sich zu uns an den Tisch. Die Bedienung brachte meinen Kaffe und ging mehrmals an unserem Tisch vorbei, ohne die Bestellung von dem, der sich zu uns gesetzt hatte, aufzunehmen. Das fiel mir auf, aber sie hatte auch mich nicht gefragt, was ich bestellen wollte, und da dachte ich mir, die ist es vielleicht gewohnt, dass man sich selber meldet, wenn man was will. Obwohl die drei Männer das sicher nicht gewohnt waren, kamen sie doch (wohl oder übel) nach längerer Zeit drauf, und einer ging rein, um drinnen den Kaffee für den Freund zu bestellen. Die Bedienung servierte den Kaffee sehr nachlässig: die Tasse stand in einer kleinen Kaffeepfütze in der Untertasse, so dass der Mann aufpassen musste, dass er seinen Feiertagsanzug nicht befleckte. Später, als die Hochzeit aus war, gingen die drei.
Als die Bedienung kam, um abzuräumen, merkte sie, dass in der Kaffeetasse von dem Ausländer noch vielleicht die Hälfte drin war. Sie drehte sich zum Nebentisch um, und sagte: (Originalton!) „Da, schauts, die kriegen von mir nix mehr, die sollen mich am Arsch lecken!“
Die am Nebentisch unterhielten sich ungerührt weiter, aber mir blieb gleich die Luft weg, so baff war ich über diese Unverschämtheiten:
das totale Ignorieren der Tatsache, dass Ausländer vielleicht nicht gewohnt sind, sich bei der Bestellung selbst zu melden (oder sich nicht trauen),
den Kaffee in der vollen Untertasse zu servieren und
die blöde Bemerkung.
Ich war eine Zeitlang so irrsinnig wütend, dass ich hätt schreien können. Außer mir fühlte sich aber niemand betroffen, denn die Leute am Nebentisch, zu denen die Bedienung das gesagt hatte, gingen anscheinend einfach darüber hinweg. Das war aber noch nicht genug: Als ich mir wieder etwas gefangen hatte, und zahlte, konnt (und wollt) ich mich nicht zurückhalten und meinte:
„So, wie du über die Ausländer denkst, wählst du sicher am 5. Oktober die NPD?“
„Was meinst du?“
„Deine Bemerkung vorhin über den Kaffee fand ich sehr ungeschickt!“
„Die war nicht ungeschickt, das war genau richtig! Außerdem hab ich keine Lust, mit dir darüber zu diskutieren!“
„Ich schäm mich, mit dir zusammen in einem Lokal zu sein!“
„Wenn dir was nicht passt, kannst du ja gehn!“
(Alles Originalton)
Das tat ich auch, innerlich noch so aufgewühlt, dass ich beschloss, diese Sach nicht auf sich beruhen zu lassen, sondern meine Empörung über diesen Fall von Ausländerfeindlichkeit öffentlich darzustellen.
Martin Taubert
Haidhauser Nachrichten. Monatszeitung für den Münchner Osten 11 vom November 1980, 2.