Materialien 1980
Sexualität. Mächtiges Tabu
Eine „Pädophilie-Debatte“ ist entbrannt:
Soll (wie die Juristen es nennen) „Unzucht mit Kindern“ straffrei sein?
Mal tönt es edel wie im Jahr des Kindes: „Kinder sollen lieben dürfen, wen sie wollen!“ Dann wieder ist gröhlig davon die Rede, „die Sau rauszulassen“ oder in sich selber den „Sittenstrolch zu entdecken“.
Das sind die Parolen, mit denen nun erneut eine sexuelle Minderheit, die sich für verfemt hält, um öffentliches Aufsehen kämpft. Nach den Schwulen, den Lesben, den Bisexuellen sammeln sich die Pädophilen (von griechisch pais — Kind, philia — Liebe) zu etwas, das sie als Emanzipationsbewegung verstehen.
Nicht sie seien krank, verkünden die sexuellen Abweichler, sondern die Gesellschaft, deren Normen aus der Sexualität ein Problem machen. Pädophilie, das sei nichts anderes als „eine andere Gesundheit“. Und wieder lautet die Forderung: „Weg mit dem Scheißsystem! Auf zur sexuellen Revolution!“
Mit einem Marsch auf Bonn sollte vorletzte Woche der Freiheitsruf der Pädophilen in den westdeutschen Wahlkampf eingeführt werden. „Parteien auf dem Prüfstand — wen können wir Homosexuellen wählen?“ hieß die Veranstaltung in der Bonner Beethovenhalle — die im Chaos endete.
„Unsere generelle Forderung“, so lautete die Parole, die von der „Allgemeinen Homosexuellen Arbeitsgemeinschaft“ („Aha“) ausgegeben worden war, „ist die Abschaffung der Bestrafung von Sexualität überhaupt.“ Und für den farbenfrohen Auftritt in Bonn wurde der Kampfruf noch dahingehend präzisiert, dass unter anderem auch „Sexualität zwischen Erwachsenen und Kindern“ künftig straffrei bleiben müsse.
Die offene und neuerdings immer offensivere Diskussion über Pädophilie — Motto für das Bonner Treffen in der vorletzten Woche: „Für sexuelle Selbstbestimmung von Kindheit an“ — hatte schon vor einigen Jahren begonnen, mit Artikeln in der Fachzeitschrift „betrifft: erziehung“. Anfangs war es ein Thema unter progressiven Pädagogen, und die Schlüsselfrage las sich noch recht akademisch: „Schadet es Kindern, wenn über Sexualität zwischen Erzieher und Erzogenen nicht nur gesprochen wird?“
Das Reizthema Kinder-Sex geriet dann in die Bilderblätter, als der exzentrische Filmemacher Roman Polanski sich wegen seines Umgangs mit einer 13jährigen vor Gericht verantworten musste.
Inzwischen sind es vor allem die Blätter der Anarcho-Subkultur und der linken Homo-Bewegung, die sich für die „Pädos“ und ihre Forderungen stark machen.
Bislang regelt das Strafgesetzbuch in den Paragraphen 173 bis 180 unter anderem, dass „sexueller Missbrauch von Kindern“ unter 14 Jahren mit Freiheits- oder Geldstrafen belegt werden, desgleichen (unter bestimmten Voraussetzungen) „homosexuelle Handlungen“ mit Jugendlichen unter achtzehn. Beim sexuellen Kindes-“Missbrauch“ können in schweren Fällen Freiheitsstrafen bis zu zehn Jahren verhängt werden. Insgesamt kommen derzeit jährlich etwa 20 000 bis 25 000 Fälle vollendeter oder versuchter sexueller Straftaten gegen Kinder vor den Richter.
Mit massiver Propaganda suchen nun die von solcher Rechtsprechung sich verfolgt Fühlenden, die betreffenden Strafbestimmungen vom Tisch zu bringen. Vorredner in diesem — wie es in einer der Broschüren heißt —Kampf für „handgreifliche Sympathie zwischen einem jüngeren und älteren Menschen, die auch vor der magischen Gürtellinie nicht haltmacht“, sind vor allem die Tageszeitung „TAZ“ und das Szenenblatt „Zitty“ in Berlin. Beide nehmen sich des Pädo-Problems in Fortsetzungsreihen an.
Die Pädophilen selber, die sich neuerdings „Pädosexuelle“ nennen, lassen ein eigenes Informationsblatt und die aufklärende Flugschrift „Juppheidi“ kursieren.
Dem Beispiel der Homosexuellenorganisation „Rosa Hilfe“ folgend, haben sie sich in einer „Deutschen Studien- und Arbeitsgemeinschaft Pädophilie e.V.“ (DSAP) mit Sitz in Krefeld zusammengeschlossen, die bereits über Regionalgruppen in Berlin, Hamburg, Münster, Düsseldorf, Frankfurt, Kehl und München sowie über einen gemeinsamen Rechtshilfefonds verfügt. Nach eigenem Bekunden strebt der Verein „humanitäre Ziele“ an. Um einen entsprechenden Wandel der Beziehungen zwischen Erwachsenen und Kindern herbeizuführen, will die DSAP darüber aufklären, „welche Bedürfnisse Kinder nach emotionalen und sexuellen Kontakten mit Erwachsenen haben“.
Pädophile fühlen sich — anders als männliche oder weibliche Homosexuelle — nicht von ihresgleichen angezogen. Vielmehr zielt ihr Begehren auf die Kinder anderer Leute, wie es in einer Pädo-Broschüre heißt. Und meist wird in den Plädoyers für „zärtliche, freiwillig eingegangene Sexualkontakte“ mit Kindern ein Ton angeschlagen, als formiere sich hier eine Art Kinderkreuzzug.
Es sei „pervers … den Kindern ihre Sexualität zu stehlen“, klagt beispielsweise Ben Bendig, Sozialarbeiter und Vorstandsmitglied der DSAP. Pervers sei es auch, „Kinder bei der Entfaltung und Kultivierung ihrer Sexualität allein zu lassen“. Der in Holland lebende Pädophile Hardy S. Scheller spricht sogar von einer „ethisch-moralischen Sendung“ des Pädophilen.
Der Begriff Pädophilie wird im allgemeinen Sprachgebrauch oft als eine Spielart der Homosexualität missverstanden. Er wird verwechselt mit „Päderastie“, der Liebe zwischen Männern und geschlechtsreifen Knaben, wie sie im alten Hellas in hohem Ansehen stand.
In der gegenwärtigen Debatte ziehen die Pädophilen aus dieser Begriffsverwirrung taktischen Nutzen: Bei Schwulentreffs wie dem Frankfurter „Homolulu“ oder auch auf dem Parteitag der „Grünen“ in Dortmund zeigten sich in demonstrativer Kindlichkeit Halbwüchsige als Streiter im Dienste der Pädophilie und proklamierten ihre angeblich kindliches Recht auf Sexualität — in Wahrheit waren es geschlechtsreife Jugendliche, jener Altersgruppe längst entwachsen, in der Pädophile ihre Lustobjekte finden.
Zu den vielerorts auftretenden Pädo-Demonstranten gehören beispielsweise die Mitglieder einer sechs Köpfe zählenden „Indianerkommune“, die in einem Nürnberger Hinterhof haust und sich vom Aufmöbeln aus dem Sperrmüll geborgener Fahrräder ernährt.
Die nämlichen Ziele verfolgt eine „Kinderbefreiungsfront Pforzheim/Karlsruhe“, deren 20 Mitglieder wie die Nürnberger „Indianer“ ausgebrochen sind aus der — wie sie es nennen — „Normalität von Familie, Schule, Maloche und Heterosexualität“.
Die „Befreiungsfront“ gewährt kindlichen Ausreißern Unterschlupf. Im Namen der Pädo-Bewegung unternahm sie jüngst einen Sitzstreik, der das allgemeine Augenmerk auf die „beschissene Situation“ von Kindern „in der Gewalt von Eltern und Jugendämtern“ lenken soll.
Fälschlich sprechen hier Erwachsene, meist Homosexuelle, von der Kinderbefreiung — und meinen in Wahrheit ihre eigenen sexuellen Ansprüche. Halbwüchsige werden vorgeschoben, als Hilfstruppe der Erwachsenen, um deren ganz anders orientierte Freiheit, sexuelle Beziehungen zu kleinen Jungen und Mädchen zu unterhalten, es eigentlich geht, wenn von Pädophilie die Rede ist.
Kritiker einer solchen doppelbödigen Pädo-Kampagne, wie der Hamburger Sexualpädagoge Günter Amendt („Sexfront“), sprechen von „pseudoemotionaler ausbeuterischer Libertinage“. In der Pseudo-Pädophilie stecke — schrieb Amendt kürzlich in „konkret“ — „die vielleicht subtilste Gemeinheit gegenüber den wirklich Betroffenen, die mit ihrem Schicksal kämpfen“.
Pädophile, nach der Definition der Sexualwissenschaftler, sind Menschen, die zwanghaft ihre Sexualobjekte unter Kindern suchen müssen. Der typische Pädophile ist heterosexuell. Mithin sind die meist in der Öffentlichkeit behandelten „Fälle“ von homosexuell-pädophilen Beziehungen, wie Amendt meint, eher „Randgeschichten“.
Die Wurzeln der „sexuellen Deviation“ (Abweichung) reichen auch beim Pädophilen offenbar weit zurück in die Kindheit. Gleichwohl hat ein Pädophilie-Spezialist, der niederländische Sexual-Psychologe Frits Bernard, schon 1972 nachweisen können, dass pädophile Menschen, abgesehen von den Folgen ihrer gesellschaftlichen Diskriminierung, nicht neurotischer sind als Durchschnittsbürger.
Ihre Zuneigung zu Kindern äußert sich meist als Freundschaftsbeziehung, wozu freilich auch Schmusen und Streicheln gehört. Die Genitalien bleiben nicht ausgespart. Zum Geschlechtsverkehr kann es kommen, doch wird er von Pädophilen angeblich weder von vornherein angestrebt noch je erzwungen.
Da die Pädophilen, selber meist kindlichen Gemüts, ein adäquates Interesse an ihren kleinen Liebes-Partnern haben, sprechen ihnen ihre Propagandisten eine besondere Fähigkeit zur Einfühlung in die kindliche Psyche zu. Pädophile kümmern sich liebevoll insbesondere um solche Kinder, die in zerrütteten Familien ohne Wärme und Geborgenheit aufwachsen.
Der Sozialpädagoge Helmut Kentler sieht in derart innigen, ja, auch intimen Beziehungen zu einem erwachsenen Menschen für besonders schwer geschädigte Kinder und Jugendliche sogar „eine Möglichkeit der Therapie“. Seiner Meinung nach verrichten Pädophile mitunter fast so etwas wie eine zärtlichere Variante von Sozialarbeit.
Ob sie nun als Kinderfreiheitskämpfer oder Streichel-Fürsorger wirken – die Gesellschaft reagiert auf die Pädophilen voller Abscheu und Vorurteile. Sie gelten als Lustmolche, und auch die Hüter der gesellschaftlichen Ordnung neigen dazu, schmusende und tätschelnde Pädos nicht anders einzustufen als gewalttätige Kinderschänder oder gar Kindermörder.
Sogar die „normalen“ Homosexuellen haben Angst, mit Pädophilen verwechselt zu werden und dadurch in schlechtes Licht zu geraten. Auch in der Knast-Hierarchie rangiert der „Lüstling“, der kleinen Mädchen nachstellte, auf unterster Stufe.
Der Anspruch auf ungestrafte Sexualität mit Kindern rührt an ein Tabu, das der Kulturphilosoph Theodor W. Adorno „eines der mächtigsten“ nannte. Mächtig sind die Ängste, mit denen es besetzt ist, und die Aggressionen, die es auslöst. Dabei werden die Pädophilen auch zu Sündenböcken für die Schuldgefühle und eigenen Wunschvorstellungen ihrer Verächter, die selbst vor dem Ruf nach der Todesstrafe nicht zurückschrecken. Und die Gesellschaft sieht ein Idol bedroht: das Kind als personifizierte Unschuld. Das freilich ist ein Mythos der Neuzeit. Erziehungs-Ideologen wie Jean Jacques Rousseau haben ihn im 18. Jahrhundert, zu Zeiten aufstrebender Bürgermacht und -moralität, in die Welt gesetzt. In seinem 1762 erschienenen Erziehungsroman „Emile“, noch immer Pflichtlektüre für Pädagogen, schrieb Rousseau: „Man muss das Kindsein im Kind erhalten.“ Mit anderen Worten: Die Kindheit sei als Zustand sexueller Unschuld zu betrachten und müsse mit allen Mitteln möglichst lange verteidigt werden.
Sexualpsychologen wittern dahinter die Sehnsucht der Erwachsenen, wieder in diesen Unschuldszustand zurückversetzt zu werden; das Kind erinnert sie schmerzlich an ihre eigene nicht abgeschlossene sexuelle Reife.
„Was wir in dem ‚Kinderschänder’ attackieren“, behauptet der österreichische Sexualwissenschaftler Ernest Bornemann, „ist tatsächlich unsere Eifersucht auf unsere eigene verdrängte kindliche Sexualfreude.“
Toleriert (oder sogar genossen) von der Mehrheit werden pädophile Triebphantasien bislang nur in zur Kunst sublimierter Form, in Literatur, Photographie oder Malerei.
Die wohl berühmteste Verklärung einer sexuellen Beziehung zwischen Erwachsenem und Kind lieferte Vladimir Nabokovs 1961 verfilmter Roman „Lolita“. Der Exil-Russe schilderte darin die verzweifelte, hemmungslose Passion des alternden Professors Humbert Humbert für das zwölfjährige Nymphchen Lolita, Inbegriff verworfener Unschuld.
Auch durch Thomas Manns Novelle „Tod in Venedig“ schillert, Frau Katia Mann hat es bestätigt, ein abnormes „Wohlgefallen“, das der Autor während eines Aufenthalts am Lido tatsächlich an einem 13jährigen polnischen Knaben im Matrosenanzug gefunden hatte und das er „auf Aschenbach übertragen und zu äußerster Leidenschaft stilisiert hat“.
Und Lewis Carroll, der Schöpfer von „Alice im Wunderland“, zog seine Nonsense-Poesie aus dem unerlaubten Hang zu wohlerzogenen kleinen Mädchen. Das schlug sich nieder in den Briefen und Versen des verschrobenen Mathematikprofessors aus Oxford. Lieb-laszive Kinderphotos brachten den Lichtbildner Carroll ins Gerede.
Nach geltendem deutschen Recht wäre ein Lewis Carroll möglicherweise immer noch ein Fall für den Staatsanwalt. Nach Absatz 5 des „Unzucht“-Paragraphen 176 wird jede Aktivität, die ein Mädchen oder einen Jungen unter 14 Jahren sexuell erregt (also nicht nur körperliche Intimität), verfolgt und bestraft.
Die Grenze jedoch zwischen allgemein akzeptierten Liebkosungen und strafbaren „sexuellen Handlungen“ verläuft fließend. Sie orientiert sich an der herrschenden Moral und an den jeweils gültigen Erziehungsvorstellungen.
Etliche Juristen, Psychiater, Kriminologen, Sexualforscher und Kinderpsychologen zweifeln denn auch daran, dass die Sexualstrafrechts-Paragraphen 174 bis 176 in der geltenden Form noch zeitgemäß seien. Für „rational nicht begründbar“ hält sie beispielsweise der Hamburger Sexualforscher Eberhard Schorsch, „von Vorurteilen bestimmt, die Sexualangst und Abwehr spiegeln“.
Dass es sich bei der Sexualkriminalität — von Gewalttaten abgesehen — eher um kriminalisierte Sexualität handelt, scheint neuerdings durch eine Studie bestätigt zu werden, die der Psychologe Michael C. Baurmann im Auftrag des Bundeskriminalamtes erarbeitete.
Baurmann hat insgesamt 8.000 zwischen 1968 und 1972 in Niedersachsen „angezeigte und verurteilte Sexualkontakte“ aus der Sicht der Opfer betrachtet. Diese wurden in einer Stichprobe sechs bis zehn Jahre nach dem aktenkundigen Erlebnis einer „psychodiagnostischen Nachuntersuchung“ unterzogen. Ergebnis: Nur 60 Prozent der Opfer erinnerten sich überhaupt noch an den Vorfall. Wie viele ihn — gerade wegen des traumatischen Leidensdrucks — aus dem Gedächtnis verdrängt hatten, wird in der Untersuchung nicht deutlich.
Der relativ hohen Strafandrohung für Erwachsene, die sexueller „Handlungen“ an Kindern unter 14 Jahren überführt werden, liegt die Annahme zugrunde, solche Erlebnisse bedeuteten für Kinder in jedem Fall ein schweres Trauma. „Die psychosexuellen und psychosozialen Folgen für ein Mädchen, das Opfer eines Pädophilen wird“, so formulierte Sexualpädagoge Amendt, „sind so gravierend eindeutig, dass jeder Irrtum ausgeschlossen ist.“ Amendt weiter: „Es gibt nichts, das eine solche Beziehung rechtfertigen könnte.“
Nicht nur unter den Propagandisten der Pädophilie, sondern auch unter eher konservativen Kinder-Kennern wird demgegenüber die Meinung vertreten, dass — falls nicht Gewalt im Spiel war — die sogenannten Sekundärfolgen für ein betroffenes Kind sich oft schädlicher auswirken als die Tat selbst. Die atemlose Aufregung von Eltern über einen Vorgang, welchen das Kind nicht für verboten gehalten hatte, das Strafverfahren mit seinem Wiederkäuen von Details und Vernehmungen, die amtliche Schwärzung des Zärtlichkeitsspenders und die dabei erwachenden Schuldgefühle — als das besorgt, wie zahlreiche Kinderpsychologen meinen, oft erst im nachhinein den befürchteten Kinderschreck.
„Die Erfahrung bei der Beobachtung solcher Kinder“, so schrieb der Tübinger Kinderpsychiater Professor Reinhard Lempp in der „Neuen Juristischen Wochenschrift“, „ergibt, dass die prinzipielle Annahme einer seelischen Schädigung sich kaum aufrechterhalten lässt.“
Der BKA-Psychologe Baurmann hält es für kriminologisch unhaltbar, dass Pädophile, die eine „sittliche Normverletzung“ begehen, mit sexuellen Gewalttätern vom Gesetz und seinen Hütern über einen Kamm geschoren werden. Aus Baurmanns Untersuchung geht hervor: Viele der Täter, denen „oberflächliche Sexualkontakte“ wie Streicheln und Petting oder Masturbation zur Last gelegt wurden, strebten nicht nach dem Koitus, und was sie trieben, war auch kein Vorspiel dazu. Die Wirklichkeit des „Abnormen“ war häufig harmloser als die Phantasie der „Normalen“ davon.
Pädophile, die den Geschlechtsverkehr mit einem Kind im Sinn hatten und dieses vorher psychisch oder physisch unter entsprechenden Druck setzten, kamen nach Erfahrung des Wiesbadener Viktimologen meist aus dem Bekanntenkreis, der Nachbarschaft oder gar aus der Familie des betroffenen Kindes. Der damit zusammenhängende Macht- und Vertrauensvorschuss wurde zur Triebbefriedigung benutzt.
Besteht mithin die Schädigung des Kindes weniger in der Tatsache des sexuellen Kontakts, so bleibt doch der Missbrauch von Macht. Das Gefälle zwischen den Möglichkeiten des kinderliebenden Erwachsenen und der Ohnmacht seines kindlichen Liebesobjekts, darauf weist auch Günter Amendt hin, schaffe ein kaum lösbares Problem:
Die Lösung, die der Pädophile für seinen Triebkonflikt im Sinn hat, könne gesellschaftlich nicht akzeptiert werden, weil sie — so Amendt — „auf Ausbeutung und Unterdrückung zwangsläufig beruht“.
Der Spiegel vom 21. Juli 1980, 148 ff.