Materialien 1980
Kurzinformation über die juristische Lage
Die erste Gerichtsverhandlung gegen Angela Kammrad wegen Beleidigung des Herrn Franz Strauß wird demnächst stattfinden!
In der Anklage gegen Angela Kammrad heißt es: „Als presserechtlich Verantwortliche der Anfang September 80 erschienenen Schrift ‚Wenn die Verflachung der Politik beginnt, dann …’ ließen Sie es in Kenntnis des Inhalts der Schrift zu, dass diese … verteilt wurde. Auf der Seite 6 der Schrift ist eine Karikatur abgebildet, die den Herrn Bayerischen Ministerpräsidenten Dr. h.c. Franz Josef Strauß inmitten einer Schar von Nazi-Größen zeigt, wie er die Hand zum Gruß erhebt.“
Wegen dieser „diffamierenden Darstellung“ habe sich Angela Kammrad „eines Vergehens der Beleidigung“ schuldig gemacht. Der Strafbefehl lautet über 50 Tagessätze à 25 DM, zusammen also 1250 DM.
In der angeführten Flugschrift wurde die inkriminierte Zeitung noch zusätzlich erläutert und das Verhältnis von Strauß zu den Nazi-Größen sehr differenziert beschrieben:
„Es gibt keinen bundesdeutschen Politiker, dem in all seinen mündlichen und schriftlichen Äußerungen so sehr anzumerken ist, dass seine Gedanken immer wieder zu Hitler und der Hitler-Politik zurückkehren. Nicht in dem Sinne, dass man sagen könnte: Strauß will nichts anderes als ein neuer Hitler sein. Er wird vielmehr regelrecht böse, wenn man Eigenschaften, die er für sich in Anspruch nimmt, Hitler zuschreibt: ‚Sie halten ihn für intelligenter, als ich ihn gehalten habe.’ Und es besteht kein Grund zu der Annahme, dass er sich ‚verstellt’, wenn er Hitler schmäht, bzw. selbst wenn er dabei auch noch nach der demokratischen Öffentlichkeit schielen sollte, so wäre das nicht das Entscheidende. Entscheidend ist, als WAS er Hitler beschimpft, und dass ER es ist, der das tut. Er – der aus kleinbürgerlichen Verhältnissen Stammende, der von sich behauptet, dass er sich der ‚nationalen Kräfte’ zu bedienen vermöge und wahnsinnige Versprechen macht – hat es wohl nötig, Hitler in ganz bestimmter Weise zu schmähen: ‚ Kleiner Spießbürger … bornierter Nationalist … zwischen Wahnsinn und Verbrechen hin- und hergetriebener Pathologe.’ (Disput zwischen Strauß und Golo Mann, ARD-Fernsehen 28. Februar 1980) Daraus spricht eine Gegnerschaft, die durchaus echt sein kann: So echt wie die Gegnerschaft des Champions, der eine ‚Chance’ haben will und deswegen alle Schwächen seines Konkurrenten aufzählt, darunter auch solche, die dieser tatsächlich hat.“
Insgesamt liegen uns unterdessen rund 25 Strafanträge gegen Angela Kammrad und andere am Zug Beteiligte vor, wobei die einzelnen Strafanträge zum großen Teil mehrere Personen betreffen.
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Das Bayerische Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Arbeitgeber des Strauß-Darstellers Alfons Lukas, betreibt schon seit einiger Zeit den Rausschmiss dieses Kollegen und hat dazu ein Disziplinarverfahren wegen seines „außerdienstlichen Verhaltens“ eingeleitet. Darunter soll nun auch die Beteiligung am Anachronistischen Zug fallen.
Vor kurzem wurde Lukas nicht nur selbst zu einer Anhörung deswegen bestellt, sondern er musste sogar feststellen, dass seine Kollegen über ihn ausgefragt wurden. In einem Schreiben des Ministeriums an die Dienststelle heißt es lapidar: „Es muss vermutet werden, dass das Verhalten des Beamten auch innerhalb der Kollegenschaft bekannt geworden ist, auch insoweit bitte ich Vorermittlungen durchzuführen.“ Außerdem heißt es: „… teilte uns das Staatsministerium des Inneren folgendes mit: ‚ … Die Maske wurde am 15.09.80 auf Anordnung des Amtsgerichts Sonthofen beschlagnahmt; gegen Lukas wurde Anzeige wegen Beleidigung erstattet. Das Landgericht Kempten bestätigte die Beschlagnahme. Der Ausgang des Verfahrens ist hier nicht bekannt.’ … Der neuerliche Vorfall … bestärkt den Verdacht, dass Lukas sich eines erheblichen außerdienstlichen Dienstvergehens schuldig gemacht hat. Es ist daher beabsichtigt, den Beamten gemäß Art. 80 BayDO vorläufig des Dienstes zu entheben und, da mit der Entfernung aus dem Dienst gerechnet werden muss, die Dienstbezüge … zu kürzen … Um baldige Erledigung wären wir dankbar.“
Archiv der Münchner Arbeiterbewegung.