Materialien 1980
Am 8. März 1980 ...
präsentierte sich das Anti-Strauß-Komitee auf dem Münchner Marienplatz mit Informationsständen, zeigte die Ausstellung über Strauß, verteilte Flugblätter, diskutierte, ließ sich von Strauß-Fans angemessen beschimpfen, wehrte sich aber gegen das beliebte Abreißen von Stoppt-Strauß-Ansteckern, verkaufte für über 500 Mark Bücher, den Demokratischen Informations-Dienst, Aufkleber, Plakate, Anstecker, bekam Spenden und freute sich über die Darbietungen des Roten Weckers. Der wurde allerdings Punkt 11 Uhr unterbrochen, die Massen wandten sich ab und dem weltberühmten Glockenspiel mit Schäfflertanz zu. (Da sage einer, das Volk der verkannten Dichter und Denker sei nicht kunstsinnig, nicht geradezu kunstbegeistert. Man muss erlebt haben, mit welcher kindlichen Freude dieses Gesamtkunstwerk aus Architektur, Skulptur, Ballett und Musik bestaunt wird.)
Natürlich erhielten wir viel Zustimmung; aber auch offen faschistische Äußerungen werden mit einer Schamlosigkeit getan, wie ich es nur aus der unmittelbaren Nachkriegszeit kannte. Ohne einen prozessträchtigen Zusammenhang mit der Kanzlerkandidatur des Strauß herstellen zu wollen: gewisse Kreise und ihre Ansichten meinen, Oberwasser zu bekommen, gedeckt durch Diktion und Gedankengut des Rattenfängers und Führers des Rechtskartells.
Windet man sich durch die diskutierenden Menschentrauben, fängt man Wortfetzen auf wie „… aufräumen …“, „… früher bei Adolf …“, „… rüber … DDR …“, „… unsere Ölquellen … es den Arabern mal zeigen …“, „… Langobarden (?) … Heinrich der Löwe … (?)“ „Wir sind doch ein reiner Gewerkschaftsstaat.“ „… endlich mal arbeiten gehen, statt das Maul aufzureißen …“, „Moskowiter … wer bezahlt euch denn?“
Einige andere markanten Äußerungen der gemütlich kochenden Volksseele schrieben wir mit:
Sie wollen doch nicht sagen, dass Schmidt ein richtiger Deutscher ist? Nein, ein Feigling ist er!
Wem’s hier nicht gefällt, der soll in’s Paradies gehen. In die DDR.
Man hat ja festgestellt, dass Honecker und Breschnew schwul sind und Arschficker.
Geht’s weg, da brauchet ma bloß a paar SS-Leut, und der Spuk hier ist weg.
Und warum sind Sie gegen Strauß?
Weil er gefährlich ist.
A geh, es gibt Schlimmeres.
Geht befriedigt nach rechts ab.
Eine Frau empört über die Losung „Stoppt Strauß“:
Alle gegen EINEN.
Eine andere dazu:
Pääh, ich DENK ja nicht dran!
Ein Ironiker hämisch:
Habt Ihr auch was von Stalin?
Ein Mann aus dem Kohlenpott bewundernd:
Mut hanmse schon. DAS in München ist ganz schön mutig!
Diesen Mut lassen wir uns nicht nehmen. Auch wenn es eben nicht gegen EINEN nur geht, nicht nur gegen die fette Marionette, sondern gegen jene, die die Puppe tanzen lassen, werden wir weiter gerade in die finstere Höhle des Löwen ein wenig Licht tragen, als Ratten am Image ein wenig zu nagen und als Schmeißfliegen das Aas nicht in Ruhe lassen und die Losung verbreiten: STOPPT STRAUSS.
Um Schmidt werden wir uns auch schon noch kümmern.
Heinz Jacobi
Der Bote Nr. 9. Der Martin-Greif-Bote. Die politisch-literarische Zeitschrift aus der Martin-Greif-Straße, München 1981, 102 f.