Materialien 1981

Beleidigung?

ODER ANGRIFF AUF DIE MEINUNGSFREIHEIT

Vom Amtsgericht wird uns, Annette Schorb und Bernhard Inderst, vorgeworfen, ein Plakat auf Verteilerkästen der Bundespost geklebt zu haben, durch das F.J. Strauß sich beleidigt fühlt. Im Strafbefehl heißt es, durch die Abbildung und Aufschriften werde der Eindruck erweckt, dass das Programm des damaligen Kanzlerkandidaten und bayerischen Ministerpräsidenten Dr. h.c. Franz Josef Strauß zu einem Frieden in Schutt und Asche führe; gleichzeitig werde er mit Hitler vergli-
chen.

Wegen des Vergehens der fortgesetzten, gemeinschaftlich begangenen Beleidigung gemäß §§ 185 und 194 sollen wir nun zu einer Geldstrafe von je 30 Tagessätzen verurteilt werden.

Mit der gegen uns vorliegenden Anzeige sollen Demokraten mundtot gemacht werden, die einen Zusammenhang zwischen Strauß und der drohenden Kriegsgefahr sehen. Hier hört für die Staats-
anwaltschaft die Meinungsfreiheit auf. Wir werden uns aber unser elementares, demokratisches Recht auf freie Meinungsäußerung nicht nehmen lassen und meinen sogar, dass es unsere Pflicht ist, auf eine mögliche Gefährdung des Friedens durch Strauß hinzuweisen.

Immerhin hat er in seiner politischen Laufbahn nach 1945 alles dafür getan, die BRD zur Atom-
macht zu machen. Immerhin hat er im Bayernkurier vom 25. Juni 1964 gesagt:

„… dass … die Bundesrepublik Deutschland … mit allen Mitteln um die Wiederherstellung der Grenzen des Deutschen Reiches von 1937 ringen wird.“ Glaubt er, dass sich die DDR und Polen freiwillig eingemeinden lassen? Oder: „Wären die CDU und die CSU an der Macht gewesen, mit einem intakten Bündnis wäre die Sowjetunion nicht in Afghanistan einmarschiert.“ (Strauß 1980) Wie denn? Mit guten Worten?

Den Vergleich mit Hitler zieht die Staatsanwaltschaft, denn bei der Abbildung von Strauß auf dem Plakat handelt es sich um ein Originalfoto. Da uns nun aber einmal der Vorwurf gemacht wurde, Strauß mit Hitler zu vergleichen, haben wir uns die Mühe gemacht, diesen Vorwurf zu untersuchen und mussten feststellen, dass er und die von ihm vertretenen Kräfte ähnliche Merkmale aufweisen wie die Hitler-Faschisten und die Neonazis.

Z.B. die Ratten und Schmeißfliegen, mit denen er nicht prozessiert. Solche Begriffe benutzten auch die Faschisten für Kommunisten und Juden.

Z.B. Sein Verständnis von Freiheit, wenn er in Chile 1977 sagt: „Sorgen Sie dafür, dass die Freiheit in Ihrem Land erhalten bleibt.“

Z.B. Sein Verhältnis zu Recht und Gesetzen, wenn in Nürnberg 141 Jugendliche mit seiner aus-
drücklichen Billigung buchstäblich verschwinden.

Z.B. Wenn er Neonazis wie Hoffmann schützt und seine Tat, den Mord an 13 Menschen am 26. September 1980 den Linken anlasten will. Einen Tag nach dem Münchner Bombenattentat sagte Strauß: „Man müsste jetzt ein Flugblatt verfassen, das nur eines zeigt: Baum im Gespräch mit Mahler!“

Wir bitten Euch, uns zu unterstützen, unsere Sache zu verbreiten und zu unserem Prozess am Montag, den 28. September 1981, 12.30 Uhr ins Justizgebäude in der Nymphenburger Straße 16, Zi. 224 A zu kommen.

PrV. Annette Schorb, Kapuzinerstraße 52, 8 München 5, E.i.S.


Flugblattsammlung, Archiv der Münchner Arbeiterbewegung

Überraschung

Jahr: 1981
Bereich: CSU

Referenzen