Materialien 1982
Ordnungszelle Bayern
Fünfundsiebzig Teilnehmer aus ganz Bayern kamen zum Wochenendseminar „Ordnungszelle Bayern“ der Humanistischen Union im Februar in München.
Die Eröffnungsdiskussion, mit Rudolf Schöfberger, Frieder Hitzer und Ludwig Hümmert als Sachverständigen, beleuchtete aktuelle und historische Aspekte der bayerischen Politik in ihrer besonderen Bedeutung für das Reich damals und die Bundesrepublik heute. In fünf Arbeitsgruppen wurden folgende Themen gründlicher behandelt:
1. Der Föderalismus im Konzept der Reaktion;
2. Die CSU als „Sammlungsbewegung“ – mehr als die Nachfolgeorganisation der Bayerischen Volkspartei;
3. Verhältnis der Neonaziszene zur CSU;
4. „Denn sie wissen was sie tun“ – historisch und aktuell die „Klassenjustiz“ in Bayern; unter Beteiligung von Eltern betroffener Nürnberger Jugendlicher;
5. Die Rolle der Kirche damals und heute; Frank Schütte vom Internationalen Bund der Konfessionslosen, Berlin, hatte viele brisante neue Informationen zum Verhältnis der Kirche zum Staat, zum Faschismus sowie zur Friedensfrage eingebracht, die noch kaum Eingang in die derzeitige Diskussion gefunden haben.
Selbstverständlich kam auch das Feiern am Abend – im Rahmen eines Kulturprogramms – nicht zu kurz. Besonders beeindruckend die Gedichte von Johannes Glötzner und die Lieder des „Roten Wecker“.
Am Sonntag widmeten sich die Teilnehmer hauptsächlich den vielen neuen Informationen sowie den Ergebnissen aus den einzelnen Arbeitsgruppen. In der Abschlussdiskussion wurde deutlich, dass nicht alle Erwartungen erfüllt worden waren; vor allem hatte man sich erhofft, aus dem Gehörten mehr den aktuellen politischen Bezug zum eigenen Handeln in Parteien, Gewerkschaften und innerhalb der HU herzustellen.
Die Herausarbeitung der Grundzüge der Politik derjenigen Kräfte, die damals Bayern als „Ordnungszelle im Reich“ ausbauten, hat jedoch allen Seminarteilnehmern die Augen geöffnet und die Sinne geschärft für aktuelle Entwicklungen wie z.B. die Ereignisse um die Nürnberger Massenverhaftungen und die Tatsache, dass der Schwerpunkt der VSBD und der WSG-Hofmann in Bayern liegt u.ä.
Die Teilnehmer wünschten, dass in der Humanistischen Union – nicht nur in Bayern – diese brennenden Themen offen und gründlich weiterdiskutiert werden und die HU damit zur notwendigen überparteilichen Meinungsbildung beiträgt, insofern war dieses gutbesuchte Seminar sicher ein erster großer Erfolg.
(Listen der zur Vorbereitung verwendeten Literatur können noch angefordert werden bei Hansjörg Ebell, Breisacher Straße 8, 8000 München 80, Tel. 089/448 32 62.)
Hansjörg Ebell
Mitteilungen der Humanistischen Union vom März 1982, 6.