Materialien 1982

„... damit die Kinder in unserem Sinne erzogen werden“ (Stoiber)

Mit allen Mitteln versuchte die CSU und das bayrische Kultusministerium die unliebsame Meinung „Stoppt Strauß" in Schule und Betrieb einfach zu verbieten. Zensurfälle von Schülerzeitungsartikeln gegen Strauß waren an der Tagesordnung. Mit allen Konsequenzen musste der rechnen, der diese Meinung auf Schulgelände in 3cm Größe auf einer Plakette vertrat.

Durch den Kampf von Christine Schanderl und vieler Unterstützer konnte der Plakettenstreit an den Schulen siegreich zu Ende geführt werden.

Dieser Sieg fällt jedoch in eine Zeit, wo es anscheinend gar nicht mehr darum geht, unsere Interessen gegen einen Strauß, gegen die Kultusbürokratie durchzusetzen. Vielmehr werden uns gerade von dieser Seite alle Möglichkeiten der politischen Aktivitäten offengehalten – zumindest dann, wenn es darum geht, sich in die Solidarität mit Polen einzureihen.

Schüler werden von Direktoren geradezu ermuntert zu demonstrieren – für die Freiheit des polnischen Volkes.

An Schulen werden von oberster Stelle Carepaketaktionen initiiert – Lebensmittelsendungen in ein Land, das hungert, weil es seine eigenen Lebensmittel in das Ausland verkaufen muss. An wen? Zur Tilgung der zig Milliarden Schulden und deren Zinsen an die westdeutschen Banken!

Unterstützt wird diese Art von Polensolidarität von einem Herrn Strauß, der mit der Freiheit und den besseren Lebensbedingungen der Bevölkerung im eigenen Land nicht sehr viel am Hut hat.

Oder von einem Herrn Reagan, der unter dem Banner der Menschenrechte nach Moskau einmarschieren möchte und gleichzeitig die Menschen in El Salvador bestialisch niedermetzeln lässt.

Diese Art von Solidarität unterstützt auch ein KuMi Maier – tiefe Solidarität für das polnische Volk, dessen Grenzen er jedoch nicht anerkennt.

In diese Art von Solidarität kann sich sogar eine Junge Union folgendermaßen einreihen: Sie hat die Gründung einer bayrischen Jugendhilfe vor, die die Patenschaft mit deutschstämmigen Familien in Polen vermitteln soll, verbunden mit der Aktion „Jeans für die Freiheit“! Eine Altkleidersammlung, mit dem Symbol für die westliche Freiheit: Jeans!

Streichung aller Schulden! Allein das hilft dem polnischen Volk!

Wem aber nutzen Carepakte? Wem nutzen Demonstrationen für die Freiheit des polnischen Volkes?

Schmidt übt heute Zurückhaltung, wenn es darum geht, Sanktionen gegen das Kriegsrecht in Polen zu verüben – denn mit dieser Art von Ruhe und Ordnung soll die polnische Bevölkerung gezwungen werden, für die Geldbeutel der westdeutschen Banken zu arbeiten!

Solange dies möglich ist. Aber was dann?

Genau dann wird das zur militärischen Durchsetzung kommen, was uns heute schon an den Schulen vermittelt wird!

„Das Deutsche Reich in den Grenzen von 1937 besteht weiter“, tönt KuMi Maier und „Deutschland hat aus rechtlichen, geschichtlichen, völkischen und kulturellen Gründen Anspruch auf die unter polnischer und russischer Verwaltung stehenden Ostgebiete“, wird uns aus unseren Schulbüchern gelehrt (aus: Der Staat sind wir, Gehlen 1978). Ausrutscher?

Verbindlich für die Schulen Westdeutschlands wurden diese Ausrutscher jedenfalls durch den KMK-Erlass zur „Einführung der Grenzen von 1937“ in westdeutsche Schulatlanten!

Für dieses Ziel initiieren und unterstützen sie heute eine Art von Solidarität mit Polen, die dem polnischen Volk nichts, zur Schaffung der dazu nötigen chauvinistischen Stimmung jedoch sehr viel nützt!

Eine Stimmung, mit der es bis jetzt schon gelungen ist, ohne einen Schrei des Entsetzens Patenschaften mit deutschstämmigen Familien in Polen zu propagieren!

Carepakete – um uns unsere Aufgabe der Errettung Polens nahezubringen!

Demonstrationen für die Freiheit Polens – um die Stimmung zu schaffen, morgen für die Befreiung Polens zu marschieren!

Wenn wir heute demonstrieren, dann für die Annullierung aller Schulden!

Wenn wir Aktionen machen, dann gegen die chauvinistische und revanchistische Ausrichtung an unseren Schulen, gegen den KMK-Erlass!

Machen wir uns nicht selbst den Sieg, den wir gegen die CSU und das bayrische Kultusministerium errungen haben, zunichte!
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Dieses Flugblatt haben wir letzte Woche vor den Schulen verteilt. Um so mehr begrüßen wir nun die Demonstration gegen den Einmarsch der USA in El Salvador, die von Schülern initiiert wurde! Sammeln wir an den Schulen für „Waffen für El Salvador“ und wir werden sehen, wie viel die Direktoren und das KuMi für die unterdrückten Völker der Welt übrig haben!
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Herausgeber: ROTE SCHÜLERFRONT

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Flugblattsammlung, Archiv der Münchner Arbeiterbewegung.

Überraschung

Jahr: 1982
Bereich: Internationales

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