Materialien 1983

franz …

17. märz 1983

dein brief vom ?? ist angekommen. am anfang einer inhaltlichen auseinandersetzung steht zu-
nächst die kenntnis, dh. die vermittlung deiner geschichte/der politischen zusammenhänge, in denen du stecktest und steckst, usw., natürlich in ner weise, dass für die computer keine neuig-
keiten anfallen, damit ich begreifen kann, warum und von welcher position aus du schreibst, anders vieles einfach unverständlich bleibt, z.b. wenn du ‚blind’ in ein neues widerstandsfeld reintapst. meiner meinung nach kann man davor nur warnen, muss man sich immer erst ‚sehend’ machen, damit man nicht eines tages in einer falle sitzt, aus der man nicht mehr herauskommt. ich verstehe auch nicht, warum du nicht weißt, inwieweit wir wirklich den background durch gedan-
ken haben. da gibt es doch genügend auf dem ‚markt’, zumindest findet man es, wenn man sich darum kümmert, seien es die texte, das maipapier oder diverse erklärungen.

unbestimmte massenmilitanz ist mehr ausdruck der sich steigernden unzufriedenheit mit den bestehenden verhältnissen. es kommt immer darauf an, in welchen zusammenhängen, an welchen punkten sie sich abspielt und wie sich weiterentwickelt, weil militanz an sich nichts ändert, nicht die machtfrage stellt.

warum wiederholst du ‚am konsequentesten widerstand leistet’ im perfekt verbunden mit fragezei-
chen? ausfluß der psychologischen kriegsführung im november, als grabesgesänge angestimmt wurden? keine sorge, wir leben, und der widerstand wird nicht mittels zwangslegalisierung liqui-
diert, sondern geht unter allen umständen und bedingungen weiter.

das durcheinander gebrachte konzept verstehe ich auch nicht. grundsätzlich nein, im detail wird man immer veränderte bedingungen zu berücksichtigen haben.

‚gewaltfreie’ werden gerade in dem ‚entscheidungsjahr’ (nato-kreise) 83 ihre praxis an ihren zielen – verhinderung der stationierung – zu überprüfen haben. ihre dogmen drücken ein falsches ver-
hältnis zur realität aus, sie wollen nicht begreifen, dass das imperialistische staatensystem zu jedem verbrechen bereit und fähig ist. die planspiele amerikanischer pentagonkreise über einen ‚begrenzten’ atomkrieg mit ein paar hundert mio toten sind ja nichts wahnsinniges oder irreales, sondern nur ausdruck der imperialistischen kriegsstrategie, wenn sich anders der status quo nicht aufrechterhalten lässt. ihr verhalten, das, sofern es nicht ideologisiert wird, nicht zu verurteilen ist, erinnert mich an die bereitschaftserklärung zum selbstmord. von der volkskirche in lateinamerika könnten sie viel lernen.

die aufforderung des nicht-versauerns – ich habe nicht die absicht – ist überflüssig, weil das wie-
derum von der politischen entwicklung abhängt – also auch von dir und der aufhebung des kriegs-
fußes untereinander.

gruß
r.


Material Rolf Heißler, Archiv der Münchner Arbeiterbewegung

Überraschung

Jahr: 1983
Bereich: Militanz