Materialien 1983

Bürgerinitiativen der ersten Stunde

Die Aktion Maxvorstadt

In der Maxvorstadt, dem Viertel rund um die Universität, kämpft seit 12 Jahren eine Bürgerinitiative um die Erhaltung ihres Stadtteils als Wohnviertel. Anlass für die Gründung war ein alarmierender Rückgang der Bevölkerung, die Ausweitung der Universität und die Vertreibung der Mieter durch Spekulanten, Banken und Versicherungen.

Die Haidhauser Nachrichten unterhielten sich mit Toni Steiner über die Arbeit der AKTION MAXVORSTADT und die Probleme im Viertel.

HN: Was sind die Schwerpunkte eurer Arbeit?

T.S.: Dazu gehören Verkehrsberuhigung, z.B. die Einrichtung von Wohnstraßen und Fahrradwegen, die Erhaltung und Schaffung von Grünflächen, unser Hauptthema zur Zeit ist aber der Kampf gegen die Wohnungsspekulanten.

HN: Hat sich diesbezüglich in den vergangenen Jahren etwas geändert?

T.S.: Ich muss sagen, dass sich die Situation im Viertel eigentlich verschlimmert hat. Seit dem Bestehen des Bauherrenmodells ist zum Kampf gegen Häuserabriss und Zweckentfremdung auch der gegen die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen dazugekommen.

Insbesondere die Methoden bei der Vertreibung von Mietern aus ihren Wohnungen wurden verfeinert. Diese „Methoden“ sind ja hinlänglich bekannt: Schikanen bei der Sanierung, Ausspielen der Mieterparteien gegeneinander, juristische Attacken usw. …

HN: Was sind eure „Kampfmethoden“, wie kann man sich wehren?

T.S.: Wir versuchen, den betroffenen Mietern konkrete „Widerstandshilfe“ zu leisten; d.h. wir beraten sie in rechtlichen Fragen, unterstützen sie bei der Bildung von Hausgemeinschaften, stellen Kontakte zwischen verschiedenen betroffenen Häusern her und wir helfen mit bei Infoständen und Aktionen.

Zum anderen versuchen wir, das Übel auch von der anderen Seite zu „packen“. Wir stellten uns die Frage, wer sind diese Spekulanten, wer hilft ihnen und auf wen sind sie angewiesen.

HN: Was ist dabei herausgekommen?

T.S.: Die Gruppe der Spekulanten ist relativ klein. Ihre Hauskäufe werden von wenigen Großbanken finanziert, hauptsächlich von der Bayerischen Raiffeisenzentralbank und der Bayerischen Hypotheken- und Wechselbank. Vor allem die Rolle der Raiffeisenbank, die als Genossenschaftsbank laut Satzung andere Prinzipien vertreten sollte, ist dabei besonders betrüblich.

Ihr ursprüngliches Anliegen bestand nämlich darin, kleine Handwerker und Bauern gegen Wucherer zu schützen, während sie jetzt die Vertreibung derselben Bevölkerungsschicht aus ihrer angestammten Lebenswelt finanziert.

HN: Seht ihr bezüglich der Raiffeisenbank auch Widerstandsmöglichkeiten?

T.S.: Ja, aber das ist sozusagen noch ein „schwebendes Verfahren“; dazu möchte ich jetzt noch nichts sagen.

HN: Gut, dann vielleicht zu weniger aktuellen Aktivitäten. Hatte die AKTION MAXVORSTADT schon konkrete Erfolgserlebnisse?

T.S.: Es gibt einige sichtbare Erfolge unserer Arbeit: z.B. die Öffnung des Leopoldparks für die Bevölkerung, in dem eigentlich Uni-Institute hätten gebaut werden sollen, oder auch die Tatsache, dass die von der AKTION MAXVORSTADT zur letzten Kommunalwahl verbreitete Wahlempfehlung dazu geführt hat, dass die vorgeschlagenen Kandidaten in unserem Viertel einen Stimmenvorteil von bis zu 20 % errungen haben.

Die Auswirkungen von Flugblättern, Info-Ständen. Bürgerfesten, Demos, Straßentheater usw. lassen sich halt sehr schlecht abschätzen:

Ich glaube aber, dass langfristig politisch schon etwas herausspringt, vor allem wenn die Initiativen auch untereinander zusammenarbeiten.

HN: In der AKTION MAXVORSTADT sind Leute, die schon von Anfang an mitarbeiten; du selber bist auch schon seit 10 Jahren dabei. Wie gibt’s das, dass eine Initiative so lang existiert?

T.S.: Die Probleme im Viertel sind ja auch nicht weniger geworden. Der Hauptgrund ist aber sicher der, dass sich aus dem anfänglich problemorientierten Kreis inzwischen auch ein Freundeskreis entwickelt hat.

HN: Trotzdem gibt es ja viel Frust bei dieser Arbeit. Was sind denn die Gründe für dich, immer noch weiter zu machen?

T.S.: Da brauch’ ich nur durch unser Viertel zu gehen, der Ärger, der mir dabei kommt, lässt mich sozusagen nicht ruhn. Außerdem erlebe ich ständig die oft verzweifelte Situation von Spekulationsopfern; das ist mir Ansporn genug.

HN: Kürzlich hat sich doch auch der OB persönlich über die Situation in der Maxvorstadt informiert. Habt ihr anlässlich dieses Besuches etwas unternommen?

T.S.: Wir haben versucht, Herrn K. und seine Begleiter mit Hilfe eines Flugblattes und einiger „Spekulations-Geier“ auf die brennendsten Probleme hinzuweisen. Aber Herr K. wusste darauf nur zu sagen, dass WIR doch wohl diejenigen wären, die von diesen Problemen hier profitieren würden!

HN: Da kann man nur noch sagen, die nächste Kommunalwahl kommt bestimmt … !

gi


Haidhauser Nachrichten 6 vom Juni 1983, 5.

Überraschung

Jahr: 1983
Bereich: Stadtviertel

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