Materialien 1984

Stadtrat oder Geheimrat?

230 DM zahlte er für den Quadratmeter Grund. Das war im September 1981. Josef Schörghuber, der Käufer, berechnet mittlerweile den Meter im Quadrat mit 800 DM – mal 60.000. Da er das Grundstück im Gegenzug für den Verkauf eines anderen von der Stadt Manchen erhielt, wird von Speziwirtschaft der Parteifreunde Kiesl und Schörghuber geredet. So werden denn in diesen Wahlkampfzeiten „Skandale“, „Diffamierungen“, „Schmutz“ und der sauberen Worte mehr zwischen dem Oberbürgermeister und dem, der es werden will, meist aber die in München reichlich vertretene Presse mit Vehemenz ausgetauscht.

Trotz Maulkorb per Einstweiliger Verfügung steht Kronawitters Behauptung, Kiesl habe Schörghuber ein 20-Millionen-Geschenk gemacht (wer das Einmaleins beherrscht, errechnet einen Brutto-Spekulationsgewinn von 34,2 Millionen). Licht in diesen Sumpf zu bringen, liegt allemal im Bürgerinteresse. Gleich, wer es einschaltet oder im Morast drinsteckt. Schließlich geht es um fehlendes Diridari im Stadtsäckel, was wir in Form von Kürzungen in allen Bereichen auszubaden haben.

Und es stinkt da irgendwo ganz gewaltig, wenn den SPD-Mannen von der CSU rechtliche Konsequenzen angedroht werden, weil sie ihre Informationen aus geheimer Sitzung bezogen und öffentlich machten. Haben wir nun einen Stadt- oder Geheimrat gewählt? Oder einen Rat, dessen Politik so weise ist, dass er sie dem Wähler vorenthalten muss, weil dieser zu dumm ist, sie zu verstehen? Oder handelt es sich ganz einfach darum, Dreck, den man am Stecken hat, mittels einem rechtlichen Schleier vor der Öffentlichkeit zu verhüllen?

Kronawitter will sich mit Kritik an Schörghuber zurückhalten, „weil es ein Prinzip der Marktwirtschaft ist, so tüchtig beziehungsweise so raffiniert sein zu dürfen, wie es die Umstände beziehungsweise die Geschäftspartner zulassen“. Mit Hilfe des Geschäftspartners Kiesl und der „sozialen“ Marktwirtschaft macht Schörghuber ganz legal in zwei Jahren ohne eigenes Zutun Millionengewinne auf Kosten der Allgemeinheit. Darin liegt der Skandal!

Günter Müller


wir. Informationen für Münchner Gewerkschafter. DGB Kreis München 1/1984, 16.

Überraschung

Jahr: 1984
Bereich: CSU

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