Materialien 1984

Gedanken einer Kabarettistin zum Arbeitsmarkt: „Kapovaz“

Kennen Sie schon unser neuestes Schönheitspräparat Kapovaz? Schönheit braucht Zeit, meine Damen. Zeit haben ist das billigste und wirksamste Schönheitsmittel überhaupt. Als Personalchefin weiß ich, wovon ich rede. Wir berufstätigen Frauen! In den Nagellack patzen wir fünfmal hinein vor lauter Pressieren, und zur U-Bahn stürzen wir grundsätzlich mit halbgefönter Frisur. Also, wenn Sie auch der Meinung sind, dass gar kein Make-up immer noch besser ist als ein verschmiertes, dann kommen Sie zu uns an die Kasse.

Aber keine 40 Stunden in der Woche und jeden Tag dasselbe, die Eintönigkeit ist der Schönheitsfeind Nr.1, für die Haut, für die Ausstrahlung. Die Abwechslung, die Flexibilität, das ist es. Es gibt keinen Manteltarif fürs Schönsein, und Ihre ganz persönliche Duftnote lassen Sie sich doch auch nicht von einer Gewerkschaft vorschreiben.

Was Ihre Schönheit braucht, das wissen nur Sie und ich. Also Sie wissen, dass Sie maximal 100 Stunden im Monat arbeiten müssen, Sie wissen, dass Sie fair bezahlt werden, nämlich nur dann, wenn Sie wirklich gearbeitet haben, und Sie können sich drauf verlassen, dass wir zeitlich unterhalb der Versicherungsgrenze bleiben. Sozialabzüge verbittern und verhärmen den Gesichtsausdruck. Wir wissen, wann wir Sie brauchen, aber vielleicht erst am Vormittag Ihres Arbeitstages. Wir denken kapazitätsorientiert und bestellen Sie nicht rein, wenn nichts los ist. Leerlauf frustriert.

Mit Kapovaz wird Ihr Alltag zum Erfrischungsschaumbad, das gibt Schwung und Spannung und Lebensfreude. Auch wenn Sie mal einen Tag umsonst auf unseren Anruf gewartet haben, z.B. auf Ihrem netten Balkon beim Sonnenbaden – weil, zu weit weg vom Telefon sollten Sie sich nicht aufhalten.

Wenn Sie nur für Ihre Schönheit arbeiten, dann verdienen Sie im Monat grad soviel dazu, dass Sie sich was Schickes zum Anziehn leisten können. Wohnung, Essen, Straßenbahn? Ja, dafür haben Sie doch Ihren Mann! Was? Der ist arbeitslos? Dann haben Sie viel Zeit füreinander, das macht auch schön! Was? Sie haben gar keinen Mann? Sie wollen so richtig arbeiten, um davon zu leben, so richtig tierisch ernst arbeiten? Darf ich Ihnen mal was sagen? Wenn Sie lächeln, sind Sie viel hübscher!

Sarah Camp

Gekürzt entnommen der Streikzeitung der IG Druck und Papier, München.


wir. Information für Münchner Gewerkschafter, hg. vom DGB-Kreis München 4/1984, 3.