Materialien 1985
Palazzo Prozzo
Bayerischer Widerstand regt sich nicht nur gegen die WAA, nein, jetzt will mensch dem Ministerprezeldenten Strauß nicht einmal einen neuen Regierungspalast gönnen. Die Rede ist von der „Staatskanzlei, Staatskanzlei, Staatskanzlei. Ein scheußliches Wort. ich will es gar nicht sagen: Staatskanzlei, Staatskanzlei. Das kann man gar nicht einbayern. Dagegen Blume, Blume, Blume, das könnt ich 100 Mal sagen. So sprach Jörg Hube auf einer Kundgebung am 11. Oktober vor ca. 1.500 Demonstranten.
Prof. Hackelsberger wertete es als eine demokratische Tugend, dass sich die Regierungsgebäude in München nach dem II. Weltkrieg etwas zurückgehalten haben und man nicht protzige, repräsentative, exponierte Machtgebäude bezogen habe. Mit dieser Tradition solle nicht gebrochen werden.
„Und wenn die Stadt ganz nach dem Willen der Regierenden gestaltet würde, dann könnte man gleich aus der Ludwigstraße eine Startbahn für Privatflugzeuge machen, damit der Strauß im Falle eines Atomschlags schnell genug das Land verlassen könne.“ (Hube)
„Ich fürchte Gott, den Wähler und sonst gar keinen“, scholl es auf einmal von der Kuppel der am Podium aufgebauten Holzkanzlei. Strauß persönlich (imitiert von Philip Arp) meldete sich von dort und schimpfte über die paar zufällig vorbeigekommenen Passanten. Und da er, wie gesagt, nicht viel fürchtet, rief er alle Anwesenden auf, ruhig Unterschriften zu sammeln, Infotische zu organisieren und weiter Veranstaltungen durchzuführen.
„Wo waren Sie eigentlich, als der Kaufhof am Marienplatz mit seiner Panzerästhetik gebaut wurde. Hat da einer von Ihnen demonstriert? Und, meine Damen und Herren, wer von Ihnen hat gegen das Europäische Patentamt demonstriert, oder gegen das Kulturmonster am Gasteig? Und wo waren Sie denn um die Jahrhundertwende? Wer hat da protestiert gegen den Bau des Rathhauses im Zuckerbäckerstil, welches auch nicht gerade ein sensibles Bauwerk ist. Und jetzt auf einmal demonstrieren Sie hier gegen den Bau der neuen Staatskanzlei.“ Den Abschluss der Kundgebung bildete dieser Bayernsong, um noch einmal zu beweisen, wie bodenständig die Hofgartenfreunde sind.
Spion. Zeitung für München 37 vom November 1985, 12.