Materialien 1985

„Sittenwidriges“ in Chefetagen

Spekulation um Öl brachte der Bayerischen Landesbank Millionenverlust

Der Fall, der an eine aus den USA importierte Wirtschaftskrimi-Serie erinnert, spielte großenteils in den Chefetagen der Bayerischen Landesbank. Deren verantwortliche Positionen waren – wie es im Freistaat der Brauch ist – mit klingenden bayerischen Politikernamen verbunden: Präsident war der frühere Kultus- und Finanzminister Ludwig Huber 1, Verwaltungsratsvorsitzender der damalige Finanzminister Max Streibl und dessen Stellvertreter der frühere Innenminister Bruno Merk.2

Max Streibl wurde gern als „Sunny Boy“ der bayerischen Regierung beschrieben. Der Gastwirtssohn aus Oberammergau, der bei der Passion früher ein „Jubelbuberl“ spielen durfte, war auf der politischen Karriereleiter ohne Stolpern himmelwärts gestiegen: vom Generalsekretär der CSU zu deren oberbayerischen Stammesfürsten, vom ersten deutschen Umweltminister zum damals dienstältesten deutschen Finanzminister. Außerdem galt der 53-jährige als Kronprinz des Ministerpräsidenten Strauß – nach dessen für 1992 erwarteten Verzicht auf eine weitere Kandidatur.3

Nun hatte sich der frisch gebackene Ehrendoktor der Katholisch-theologischen Fakultät der von ihm geförderten Universität Passau für noch höhere Weihen qualifiziert: Im Dezember 1985 gab er ein 374 Seiten starkes Buch heraus mit dem verheißungsvollen Titel „Modell Bayern – ein Weg in die Zukunft“. Plötzlich aber sah Streibl seine eigene Zukunft umdüstert. Die SPD, die einzige Oppositionspartei im Landtag, wollte Vorgänge prüfen lassen, bei denen es um Schwarzgeld, Geldwäsche, Luftgeschäfte auf Kosten der Steuerzahler und die Abschiebung eines unbequemen Staatsanwalts gehen sollte.

Wie in der Endlos-Serie „Dallas“, die damals das Fernsehvolk in Atem hielt, ging es auch in der bayerischen Polit- und Wirtschaftsstory um Öl in Amerika. Um neue Quellen bis hinauf nach Kanada zu erschließen und dafür deutsche Kapitalanleger zu mobilisieren, hatte der Münchner Unternehmer Ernst W. Ende der 70er Jahre die Explorationsfirma „Mega-Petrol“ gegründet. Mit Hilfe von fünf Abschreibungsgesellschaften konnten schnell 1.400 Anleger gewonnen werden, die 260 Millionen Mark zeichneten und davon 170 Millionen einzahlten.

Das Geschäft lief wohl auch deshalb so gut, weil auf Werbeprospekten und Zeichnungsscheinen der Name der Bayerischen Landesbank prangte. Immerhin handelte es sich um das zweitgrößte öffentlich-rechtliche Kreditinstitut der Bundesrepublik, deren Grundkapital von 900 Millionen DM je zur Hälfte der Freistaat und die Sparkassen halten, deren Bilanzsumme 1987 auf über 100 Milliarden Mark kletterte, die im Gegensatz zu manch anderen Landesbanken immer stattliche Dividenden zahlte, die Anfang November noch einen Kredit über 670 Millionen für die Weltbank unterschrieb und die ihr Präsident Ludwig Huber deshalb als „eine gesuchte Adresse unter den Kreditinstituten der Welt“ rühmen konnte.

Kurz vor dem Weltgeschäft aber war die über hundert Jahre alte Bank ins Gerede gekommen, als die von ihr mitgetragene „Deutsche Anlage Leasing GmbH“ (Mainz) mit 1,4 Milliarden DM in „Schieflage“ geraten war und man deshalb in München „Wertberichtigungen“ von 349 Millionen vornehmen musste (wie man sich unter Bankern in solchen Verlustfällen auszudrücken beliebt).

Die Finanzierung der Abschreibegesellschaften funktionierte jahrelang nach dem klassischen Schneeballsystem: Da die Öl- und Erdgassuche in den USA und Kanada vorerst nicht entsprechend fündig wurde, zahlte man den alten Anlegern die versprochenen Renditen – anfangs bis zu 25 Prozent – zum Teil aus den neu gezeichneten Kommanditeinlagen. Diese wiederum wurden zwischenfinanziert von der Landesbank. Da es für solche Kredite keine Sicherheiten gegeben hat, sprach man schon 1980 von sogenannten „Luftgeschäften“. W. zeigte den Bankchef Huber wegen Beihilfe zum Betrug an und wurde mit einer Einstweiligen Verfügung gekontert, die ihm zwölf Behauptungen untersagte.

Der Fall lag nun in Händen des Staatsanwalts Wolfgang Klug. Dieser aber wurde im August 1984 überraschend von Justizminister Gustl Lang (CSU) ans Amtsgericht versetzt, von dort kam er als Hilfsreferent in die Staatskanzlei und schließlich nach Bonn, wo er als Assistent der CSU-Fraktion an der Aufklärung laufender Spionage-Affären mithelfen musste. Es gab Anzeichen, dass Klug kurz davor stand, Betrugsanklage zu erheben.

Der Fall sei nicht geeignet, „fröhliche Zustimmung auszulösen“, rügte auch Ministerpräsident Strauß. Prompt verlangte Finanzminister Streibl von seinem Amtsvorgänger Huber „schnellstmögliche Auskünfte“. Diese gab aber zunächst der Kölner Rechtsanwalt Bernd Schäfer, den die um ihre Gelder bangenden Gesellschafter eingeschaltet hatten. Er beschuldigte die Bayerische Landesbank, durch ihre ohne Bonitätsprüfung erfolgte Kreditgewährung die Fortsetzung der „sittenwidrigen Geschäftspraktiken“ der Mega-Petrol erst ermöglicht zu haben.

Während Streibl den Verlust der LB aus der Affäre auf 4,2 Millionen Mark bezifferte, befürchtete die SPD, dass in nächster Zeit Schadensersatzansprüche von 250 bis 300 Millionen auf die Bank zukommen könnten. Außerdem verlangte die Opposition Klarheit über eine Spende von 20.000 Mark, die der Ingolstädter Hosenfabrikant Karl Sch., ein Kompagnon des W. bei der Mega-Petrol, der CSU gegeben hatte. Bestand da ein Zusammenhang mit einer Kreditgewährung und mit einem „Steuerproblem“, das sich der Spender später vom Hals schaffen konnte?

Was weiter geschah

In einem 1986 vom Landtag eingesetzten Untersuchungsausschuss wiesen Huber und Streibl jede Verantwortung von sich, im Raum blieben Widersprüche und Unklarheiten. Schließlich kam die Mega-Petrol-Affäre vor Gericht. Firmengründer W. wurde wegen Betrugs zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt, der Großkommanditist Sch. wegen Beihilfe zu 22 Monaten mit Bewährung und einer Geldbuße von einer Million Mark. Die Landesbank, befand das Gericht, habe spätestens 1980 erkannt, dass Mega-Petrol eine Schwindelfirma gewesen sei, und habe trotzdem noch Kredite gewährt.

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1 Huber legte dieses Amt im Januar 1988 wegen seiner Verwicklung in den Verkauf von Teilen des von Strauß geförderten“ Wienerwald-Konzerns“ nieder.

2 22 Jahre später wurde die „Bayern LB“ durch ähnliche Spekulationen in einen noch viel schlimmeren Skandal verwickelt.

3 Tatsächlich übernahm Streibl das höchste Staatsamt bereits im Oktober 1988, nach dem tödlichen Jagdunfall von Strauß; im Mai 1993 musste er infolge der „Amigo-Affäre“ (siehe dort) ebenso vorzeitig seinen Rücktritt erklären.


Karl Stankiewitz, Weißblaues Schwarzbuch. Skandale, Schandtaten und Affären, die Bayern erregten, München 2019, 224 ff.

Überraschung

Jahr: 1985
Bereich: CSU

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