Materialien 1985

München

Für Erica Wuppermann

Dort kommt die Tram, in Weiß und Blau gehüllt,
und fährt vorüber mit Geklingel.
Die junge Mutter fährt dem kleinen Schlingel
durchs braune Haar. Die blonde Dogge brüllt

ganz fern, fast wie in hohen Wäldern
von Schachtelhalmen, auf und schweigt.
Auf grauen Telegraphendrähten geigt
der Wind sein Lied, als strich’ er über Feldern.

Gendarmen stehn im Licht wie Vogelscheuchen
und gleichen, wenn sie fuchteln, Doktor Eisenbart,
der, von den Pferdestärken laut umschart,
erhobnen Handschuhs droht den schlimmen Seuchen.

Das Zahnweh fliegt als Dohle über müden Köpfen,
in denen Träume wie Flamingos stehn
am Ufer träger Brunnen, wo mit blauen Zöpfen
die Nixen sich um ihre Wassermänner drehn.

Die ragen triefend aus den Wasserspiegeln
und machen sich die großen Füße naß.
Noch einmal johlt die Dogge auf den Hügeln.
Dann streicht der Regen seinen Kontrabaß.

Harald Kaas


Freibeuter. Vierteljahreszeitschrift für Kultur und Politik 23/!985, 114.

Überraschung

Jahr: 1985
Bereich: Kunst/Kultur

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