Materialien 1986

Großrazzia im Sammellager

Um drei Uhr früh werden wir, Zimmer für Zimmer, durch lautes Pochen und Treten gegen unsere Türen geweckt. – Aber wer öffnet schon irgendwelchen betrunkenen Raufbolden. Das Pochen wiederholt sich. „Aufmachen!“ Wir machen auf. Es ist die Polizei, die uns buchstäblich überfällt. Wir haben Angst.

Sie schreien uns an, räumen die Schränke leer, ziehen mit Hunden darüberher, schieben uns in den Korridor. Schmerzende Erinnerungen an unsere Erfahrungen mit der undisziplinierten Polizei in unserer Heimat werden geweckt. Sie brechen Türen auf, wo sie nicht gleich eingelassen werden, bedrohen uns, wenn wir sie nicht verstehen, schüchtern uns ein. Der ganze Alptraum dauert Stunden. Siebzig von uns werden festgenommen. Es sind unsere Gäste, die bei uns übernachtet haben. Sie kommen aus anderen Städten, um hier ihre Verwandten und Freunde zu besuchen. Asylbewerber dürfen aber die Stadt ihrer Unterkunft nicht verlassen. Daher kommen sie ohne Erlaubnis. So sollte gestern der Freiheitstag Bangladeshs begangen werden. Viele sind zu dieser Feier angereist. Sie wurden alle festgenommen.

Warum werden Bagatelldelikte zum Anlass genommen, eine Polizeirazzia dieses Ausmaßes durchzuführen und alle Bewohner des Hauses in Angst und Schrecken zu versetzen? Wir sind enttäuscht und verletzt.

Warum?

Wir sind Flüchtlinge. Wir leiden unter dem Terror in unserer Heimat. Warum versuchen die Politiker in diesem Land, unser Leben hier zusätzlich zu erschweren?

Wir sind Menschen. Warum wurde uns das Recht auf Arbeit, auf Ausbildung, das Recht, uns frei zu bewegen, das Recht, unser Essen selbst zuzubereiten oder Gäste einzuladen genommen?

Wir sind friedliche Menschen. Warum werden wir von Polizei, Presse und Politik wie Verbrecher behandelt? Warum werden Vorurteile gegen uns in der Bevölkerung geschürt, statt dass versucht wird, sie abzubauen? Was steckt da dahinter?

Appell!

Wir bitten Sie, den verfälschten Presseberichten, die uns Flüchtlinge als Kriminelle und Terroristen darstellen, keinen Glauben zu schenken und gegen die Panikmache und Hetze der Politiker anzugehen.

Einige Bewohner der Sammelunterkunft Heßstraße, München
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Münchner Linie: Polizeihunde, Dunkelhaft, erkennungsdienstliche Behandlung

Am 17. Dezember 1986 wurden fünfundzwanzig Teilnehmer einer spontanen Protestdemonstration gegen die Nacht- und Nebelaktion der Polizei – bei der siebzig Asylsuchende in der „Sammelunterkunft“ in der Heßstraße willkürlich festgenommen wurden – von starken Polizeikräften an der Ecke Neuhauser-/Ettstraße umzingelt, festgenommen und zur ED-Behandlung ins Polizeipräsidium gebracht.

Ebenso wurde ein völlig unbeteiligter Passant, der sich durch den Einsatz eines gegen Menschen abgerichteten Polizeiköters – der auch folgerichtig zugebissen hat – an die Methoden der SS während der Nazi-Zeit erinnert fühlte und dies auch so ausdrückte, zur Personalienfeststellung in das Präsidium verbracht.

Die rechtswidrigen Verstöße der Polizei waren aber damit keineswegs beendet. Von einer Festgenommenen wurde verlangt, dass sie sich splitternackt auszieht. Auf ihre erfolgreiche Verweigerung hin wurde sie deswegen bis zum Verhör in Dunkelhaft gehalten. Bei einigen anderen Frauen begnügte man sich mit dem Herunterlassen der Hose und Hochziehen des Pullis.

Am nächsten Tag fand gegen diese frechen Polizeiübergriffe eine weitere Demonstration statt. Über zweihundert Teilnehmer waren trotz der kurzen Zeit zusammengekommen, um gegen die Verbreitung des Rassismus durch die C5U und die Festnahmen des Vortags zu protestieren.

ASTA Fachhochschule
Anti-Strauß-Komitee


Dokumentation. Recht ist, was Strauß nützt. Rechtsbrüche der CSU im Jahre 1986, München 1986, unpag.

Überraschung

Jahr: 1986
Bereich: Flüchtlinge

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