Materialien 1986

Säuberung im ZK der Haidhauser CSU: Arthur Förschler (CSU) wehrt sich

Arthur Förschler wohnt seit etwa 30 Jahren in Haidhausen. Er ist seit 10 Jahren CSU-Mitglied und seit 1½ Jahren für die CSU im Haidhauser Bezirksausschuß (BA). Soweit nichts Ungewöhnliches. Aber er ist jüdischer Abstammung, und das ist nicht ganz so alltäglich.

Umso mehr sollte sein Antrag verständlich und diskussionsfähig sein, den er in der Oktobersitzung des BA vor einem Jahr stellte: Ein Denkmal (Gedenkplatte o.ä.) für Georg Elser, der 1939 erfolglos versucht hatte, im Bürgerbräukeller neben dem heutigen Gasteig Adolf Hitler in die Luft zu sprengen. Er wurde gefasst und hat als Sonderhäftling Hitlers Dachau nicht überlebt.

Angeblich überraschte dieser Antrag die übrige CSU, obwohl Förschler den Vorsitzer der CSU-BA-Fraktion Lerchenmüller zuvor zweimal diesbezüglich angeschrieben hatte. Doch eine Antwort hat er nie bekommen.

Die CSU geriet in dieser BA-Sitzung völlig aus den Fugen: “Ein Denkmal für einen Massenmörder? Einen Bombenleger? Einen Terroristen?” usw. usw. Und CSU-Rusch erklärte sogar, aus der CSU auszutreten, sollte die CSU den Antrag ihres jüdischen “Parteifreundes” zustimmen: (s.u.a. HAIDHAUSER NACHRICHTEN, Nov. 1985, S. 2, “Totentanz”) Das tat denn auch kein CSU’ler. (wohl aber SPD und Grüne/Alm).

Bereits kurz nach dieser Sitzung wurde Förschler von seinem christlichen Parteifreund Lerchenmüller zum freiwilligen Rücktritt aufgefordert. Der Herr Vetter, rechte Hand und Kofferträger des Herrn Lerchenmüller, inzwischen von ihm zum VDK- und Seniorenvertreter aufgebaut, entzog dem Herrn Förschler das freundschaftliche “Du”.

Im Juli 1986 findet dann der erste Versuch der Lerchenmüller-Riege statt, Förschler aus dem BA zu drängen. Der Versuch scheitert jedoch aus formalen Gründen. Besser vorbereitet ist dann der zweite Anlauf:

Ortshauptversammlung am 23. Oktober 1986 im “Neues Zagreb”, Braystraße 22, Tagesordnungspunkt 1 ist die Angelegenheit Förschler. Nur etwa 11 stimmberechtigte Leute sind anwesend, unter ihnen die meisten CSU-BA-Mitglieder, angeführt von Lerchenmüller (nicht abstimmberechtigt). 9 stimmen nach Plädoyers der Förschler-Gegner für den Rauswurf Förschlers aus dem BA. Wesentliche Vorwürfe sind:

1. Denkmal für Johann Georg Elser.

2. Förschler ist für das Jugendfreizeitheim an der Einsteinstraße. Lerchenmüller seit 10 Jahren dagegen, er will dort Läden (für Freund Tengelmann?).

3. Förschler stimmt im Gegensatz zu Lerchenmüller und Co zu, dass dort auch “die Brücke” mit einziehen darf.

CSU-Gegenargument: Dunkle Gestalten, Kriminelle, die das Viertel unsicher machen, nachts Belästigungen/Vergewaltigungen unserer Frauen – und Geschäftsleute werden geschädigt …

4. Er lasse sich mit den “Linken” ein. Tatsächlich hat er einmal mit einigen Grünen/Alm und SPDlern nach einer BA-Sitzung ein Bier getrunken, allerdings waren da noch zwei weitere CSU-Baler dabei.

Eduard Morawetz, (“Sie sehen doch gar nicht wie ein Jude aus”), der für Förschler in den BA will und soll, beantragt gar den Ausschluss Förschlers aus der CSU. Seit der Sitzung duzt ihn keiner der CSU-Clique mehr …

Aber, und das ist neue Erfahrung unseres Vorstadt-Macchiavelli Lerchenmüller, Parteifreund Förschler kuscht nicht: Nachdem die CSU Morawetz als neues BA-Mitglied für Förschler eingesetzt hat, widerspricht Förschler fristgerecht der Absetzung und formgerecht. Und mit Schreiben der Stadt vom 20. Oktober 1986 ist es amtlich: Morawetz “darf” wieder zu Hause bleiben und Arthur Förschler bleibt (bis Abschluss des Rechtsweges) ordentliches BA-Mitglied. Wir sind gespannt, wie es weitergehen wird, und hoffen, dass Arthur Förschler die menschliche Solidarität erfährt, die von jeglicher Parteizugehörigkeit unabhängig ist.

Aber vielleicht gehen selbst einigen CSU-… die Machenschaften ihres Haidhauser Kollegen zu weit: hierzu bräuchten sie nur in aller Ruhe den ständigen Rückgang der CSU-Stimmen in Haidhausen bei den Wählern der letzten Jahre studieren …

h.st.


Haidhauser Nachrichten 12 vom Dezember 1986, 1 ff.

Überraschung

Jahr: 1986
Bereich: Gedenken

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